In Österreich kann und darf im Wesentlichen jeder Bundespräsident werden, der sich dazu berufen fühlt und das ist entscheidend. Die Entscheidung liegt beim Souverän. Die einzige sinnvolle Änderung im Österreichischen System der Bundespräsidentenwahl wäre meiner Meinung nach die radikale Verkürzung der Legislaturperiode.
Nun gut Herr Müller, recht habe Sie sicher mit der Stellungnahme, dass die 2. Republik nicht untergeht, nur weil ein Repräsentant einer nicht verbotene Partei eventuell Präsident werden könnte. So ganz Machtlos wie der unsrige in der BRD ist er wohl doch nicht. Ihrem Standpunkt, dass TTIP -Skeptiker keine Befürworter des Kapitalismus (neoliberal) sein können kann ich nicht wirklich folgen. Freihandelsabkommen sind vom Grundsatz her zu begrüssen, aber die Informationspolitik (das ist doch wohl eher Transparenzverhinderung) spricht nun wirklich nicht dafür, dass man dieses Abkommen übers Knie brechen muss. Wenn es noch ein paar Jahre dauert ist es auch keine Katastrophe.
Auf der einen Seite ist es zu begrüßen, dass nach Jahrzehnten, in denen die bürgerlichen Parteien Europas immer stärker auf den bequemen Weg des schulden- und steuerfinanzierten Umverteilungssozialismus mit grüner und multikultureller Garnierung eingeschwenkt sind, Parteien an Einfluss gewinnen, die das aufnehmen, was vor 20 Jahren einmal Programmatik der konservativen Parteien Europas war. Die Programmatik von AfD, FPÖ, PVV etc. ist ja nicht neu, sondern entspringt dem, was man bis vor kurzem als bürgerlicher Wähler noch denken, schreiben und sagen durfte, bevor ein Maasmännchen daherkam und 25 Jahre nach dem Ende der DDR wieder eine Stasi-Spitzeltruppe zur Gedankenkontrolle mobilisierte. Dazu steht die Ablehnung von TTIP in auffälligem Gegensatz. Diese hätte es bei den bürgerlichen Parteien in ihrer Blütezeit so nicht gegeben. Sie entspringt der unguten Tendenz in AfD und Co., den Teil des politischen Spektrums einbinden zu wollen, der wenig präzise als “Neue Rechte” bezeichnet wird und gekennzeichnet ist von einem völkisch-kollektivistischen Staats- und Bürgerverständnis, in dem die persönliche Freiheit hinter die diffuse Vorstellung einer “Volksgemeinschaft” zurückzutreten hat, was sich auch in kaum verhohlener Ablehnung der Marktwirtschaft manifestiert. Die wirtschaftspolitischen Vorstellungen einer Marine Le Pen sind für jeden bürgerlichen Liberalen zum Gruseln, wobei man das vielleicht auch dem sehr “speziellen” französischen Verständnis von Wirtschaft zuzuschreiben hat. Ein Land wie die USA (in neurechten Kreisen gerne als “VSA” bezeichnet) mit seinem auf die Spitze getriebenen Individualismus, Kapitalismus, Hedonismus und Liberalismus ist für diesen Teil des rechten politischen Spektrums nicht Verhandlungspartner, sondern Feindstaat. Ganz am Rande dieses Spektrums findet man, gerne über den Popanz des angeblich jüdisch beherrschten US-amerikanischen Finanz- und Bankenwesens, feine Verästelungen in Richtung antisemitisch angehauchter Verschwörungstheorien zu NWO, Chemtrails, Bilderbergern und Geheimlogen. Für die jungen Parteien jenseits der linken parlamentarischen Einheitsfront ist diese Entwicklung gefährlich, weil die Neurechten gut vernetzt sind und viel Sendungsbewusstsein besitzen. Sie werden versuchen, ihre Programmatik in AfD und Co. zu injizieren (bei einer FPÖ vielleicht weniger erfolgreich, weil es diese Partei organisatorisch schon viel länger gibt) und damit mutmaßlich bürgerliche Wähler in einem Ausmaß verprellen, das durch die Stimmen der völkischen Rechten nicht kompensiert wird. Der in vielen Bereichen überfällige Politikwechsel wird damit letztlich unmöglich gemacht, weil eine Partei der neuen Rechten einerseits strukturell nicht mehrheitsfähig und andererseits für die geschwächten bürgerlichen Parteien nicht koalitionsfähig ist. Eines dieser beiden Ziele müssen sich FPÖ, AfD und andere jedoch setzen (die FPÖ hatte damit ja auch schon Erfolg in Form einer schwarzblauen Koalition), da die Alternative hierzu der in Deutschland zu besichtigende Altparteien-Einheitsblock ist, in dem längst jeder mit jedem koaliert, wenn es nur dem Erhalt der eigenen Macht und der Fortsetzung einer längst gescheiterten Politik dient.
Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.