Was ist eigentlich Parkinson und einigen anderen? Richtig, das hätte ich fast vergessen. Wenn man Parkinsons Gesetz liest, ist man hin und her gerissen: Ist das Wahrheit oder Satire? Sie erinnern sich noch an den Umsatzsteuerbescheid über zwei Milliarden Euro für die Würstchenbudenbesitzerin, den ich gleich zu Anfang erwähnt habe. Und jede Verwaltungskollegin und jeder Kollege hat ähnliche Geschichten erlebt. Ihr Unterhaltungswert ist allerdings für die Betroffenen wesentlich geringer als für den unbeteiligten Zuhörer oder Leser.
Deswegen ist die Satire ja so wichtig, um mit dem Frust oder der Wut fertig zu werden. Schmunzeln baut Aggressionen ab, Lachen noch mehr. Ein weiterer Brite liefert übrigens zum Thema Bürokratie ebenfalls eine Satire, nämlich Charles Dickens mit seinem „Umständlichkeitsamt“ oder „Amt für Umschweife“ (Circumlocution Office) in „Little Dorrit (1857). Und einige von Ihnen kennen vielleicht aus Wiederholungen auch Monty Python’s Flying Circus aus der ersten Hälfte der siebziger Jahre mit dem „Ministry of Silly Walks“. Also ohne Satire geht’s bei diesem Thema nicht.
Parkinsons Gesetz und andere Untersuchungen über die Verwaltung
So, damit dürften Sie genügend vorbereitet sein auf „Parkinsons Gesetz und andere Untersuchungen über die Verwaltung“ (rororo). Zu den letzteren gehört eine Abhandlung über das Entwerfen von Fragebögen, einem veralteten Ausdruck für Formulare, die zum Kernbestand jeder Bürokratie gehören. Parkinson bemerkt dazu: „Die Kunst, Fragebögen richtig zu entwerfen, hängt von drei Voraussetzungen ab: Unklarheit, Mangel an Raum und der Androhung schwerer Strafen für falsche Angaben. In der Fragebogen-Entwurfsabteilung eines großen Hauses wird die Forderung nach Unklarheit in der Regel von mehreren Unterabteilungen bearbeitet, welche Spezialisten für zweideutige Ausdrucksweise, für Fragen nach unwesentlichen Dingen und außerdem besondere Jargon-Experten beschäftigen“ (S. 116 f.).
Jetzt übertreibt er aber, denke ich jedes Mal, wenn ich diese Passage lese. Und jedes Mal treffe ich wieder auf ein schlagendes Beispiel gerade für diese These Parkinsons. Wie mag es da dem „Normalbürger“ gehen? Ganz zu schweigen von dem schier unlösbaren Problem, das einst der Kabarettist Dieter Hildebrandt dem verblüfften Fernsehpublikum präsentierte: Es handelte sich um einen Antrag auf Kindergeld, der – wie viele andere Formulare – den Hinweis enthielt, dass alle stark umrandeten Felder nur von der Behörde auszufüllen seien. Soweit, so gut. Aber auch das Feld, in dem der Bürger durch rechtsverbindliche Unterschrift bestätigen sollte, dass er den Antrag nach bestem Wissen und Gewissen ausgefüllt habe, war mit einem dicken Rahmen versehen (Dieter Lau/Ulrich Fried, Die Herrschaft der Bürokratie, S. 39 f.).
Murphy’s Law: Der Mensch, das Schicksal und der Hang zum Desaster
Parkinson‘s Law wird durch ein anderes Gesetz ergänzt, das besonders in großen Organisationen seinen festen Platz hat, nämlich „Murphy’s Law“. Der Entdecker dieses Gesetzes, Edward A. (Aloysius) Murphy Jr. (1918-1990), ein US-amerikanischer Air Force-Ingenieur, der für die Luftwaffe unfallsichere Pilotensitze konstruieren sollte, hat übrigens dafür posthum (2003) den Nobelpreis erhalten – allerdings nur den Ig-Nobelpreis (von englisch ignoble: unwürdig, schmachvoll, schändlich), gelegentlich als „Anti-Nobelpreis“ bezeichnet. Es handelt sich dabei um eine satirische Auszeichnung, die von der Harvard-Universität in Cambridge (USA) für unnütze, unwichtige oder skurrile wissenschaftliche Arbeiten verliehen wird. Die Verleihung fand erstmals 1991 (am MIT) statt.
Die „Dankesrede“ anlässlich der Preisüberreichung darf nicht länger als eine Minute dauern, nach anderer Version nicht mehr als sieben Worte umfassen. Murphys Gesetz besagt, „Wenn etwas schief gehen kann, dann geht es auch (irgendwann mal) schief.“ Das ist allerdings die volkstümliche Formulierung. Richtig lautet das Gesetz: „Wenn es mehr als eine Möglichkeit gibt, eine Sache zu erledigen, und eine der Möglichkeiten endet in einem Desaster, dann findet sich jemand, der diesen Weg einschlägt.“ - “If there's more than one possible outcome of a job or task, and one of those outcomes will result in disaster or an undesirable consequence, then somebody will do it that way."
Das ist – jedenfalls in einer bürokratischen Organisation – mitnichten eine unnütze oder unwichtige Erkenntnis, sondern von fundamentaler Bedeutung. Sie ist so alt wie die Menschheit selbst und damit auch so alt wie die Bürokratie. In einem ägyptischen Gedicht („Der Mann, der seines Lebens müde war“) aus dem Jahre 1990 v. Chr. heißt es bereits: „Das Fehlerhafte durchstreift die Erde und kein Ende ist in Sicht.“ Und von Gaius Iulius Caesar stammt der Satz: „Was es Schlechtes geben kann, wird auch geschehen“ (Quod malum posset futurum) .
In der nächsten Folge morgen lesen Sie: Warumdie Zahl der Beschäftigten sich ständig vermehrt und zwar unabhängig davon, ob die Arbeit zu- oder abnimmt.
Der Verfasser hat 37 Jahre in der öffentlichen Verwaltung in Baden-Württemberg gearbeitet, davon 35 Jahre im Innenministerium in Stuttgart. In den Jahren 1973/74 war er Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Innere Verwaltungsreform“, die frischen Wind in die Amtsstuben bringen sollte.