Dem neu ins Deutsche übersetzten Buch des Historikers David Motadel (“Für Prophet und Führer: Die islamische Welt und das Dritte Reich”) ist zu entnehmen, dass der führende Kopf hinter der Rekrutierung von insgesamt ca. 600.000 Moslems für Hitlers Armeen Claus von Stauffenberg war. Diese galten als besonders effektive und brutale Kämpfer und wurden z.B. bei der extrem grausamen Niederschlagung des Warschauer Aufstandes 1944 eingesetzt. Stauffenberg wird ja in der Regel nur wegen seines Attentates auf Hitler glorifiziert, das er erst verübte, als keine Hoffnung mehr auf einen Sieg bestand. Bis haarscharf davor schreckte er offenbar vor nichts zurück, um seinem Chef zu dienen, der auch den “Mohammedismus” so verehrte, dass dieser ihn “noch für den Himmel begeistern könnte”. Auch wenn es wieder die Legende eines strahlenden Helden trübt, sehr lesenswert, vielleicht am Ende auch zum Verständnis heutiger Entwicklungen.
“Die Großen sind mitnichten deshalb groß geworden, weil sie so lieb und nett und sympathisch waren, sondern weil sie Großes geleistet haben.” Manche bestimmt aber manche auch auf Kosten anderer. Der Grat zwischen Genie und Wahnsinn ist ein recht schmaler. Allerdings gibt es heute die Neigung einen Menschen, wenn er auf einem Gebiet etwas besonderes geleistet hat, sofort als Genie zu bezeichnen. Genies gibt es nur weinige, ganz wenige. Mozart und Leonardo da Vinci waren Genies. Heute fällt mir niemand ein auch wenn mancher Künstler oder Wissenschaftler Großartiges geleistet hat.
Sie erwähnen Einstein lediglich als Zeitzeugen. Dabei hätte er doch perfekt als Beispiel für Charakterschwäche in ihren Text gepasst. In den USA setzte er sich vehement für die Wiedereinführung der Todesstrafe ein. Viel schwerer wiegt es aber, dass er seinem psychisch kranken Sohn einen frühen Tod wünschte.
Menschen bleiben trotz ihrer Genialität (nur) Menschen und Werke trotz ihre Einzigartigkeit (nur) Werke eines Menschen. Deshalb sollte sich niemand selbst erhöhen und man sollte niemanden erhöhen, nicht moralisch und nicht als Mensch. Auch dann, wenn seine charakterlichen Qualitäten Voraussetzung für seine geniale Leistung waren. Doch auch dieser Mensch hat seine Schwächen, sonst wäre er nicht Mensch. Lernen wir ihn besser kennen, idealisieren wir ihn nicht mehr. Lieben können wir ihn trotzdem, aber nur eben nur samt seiner Schwächen und Irrtümer.
Ich hatte zeitlebens mit sogenannten kreativen Menschen zu tun. Zwei Dinge sind mir aufgefallen: je frustrierend banaler (und weniger gelebt) das eigene Leben war (oft auch durch Krankheiten grundiert), umso phantasiereicher sind ihre Werke. Niemand muss man intensiver loben als kreativ erfolgreiche Menschen, sie sind in dieser Hinsicht geradezu infantil und loben sich in beängstigender Weise selbst, egozentrische Narzissten, deren Größenwahn oft in Ideologien zu Hause ist. Schiller brachte diesen Spannungsbogen auf den arbeitenden Kern: hoher Sinn liegt oft im kind’schen Spiel.
Ich arbeite seit über 40 Jahren in einer Kommunalverwaltung. An den Gesetzen merkt man, dass die Gesetzeschreiber wenig oder keine Ahnung von der Praxis haben. Das nur so am Rande.
Sehr aufschlussreich zu diesem Thema ist auch das Buch von Wolf Schneider: “Die Sieger: Wodurch Genies, Phantasten und Verbrecher berühmt geworden sind”.
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