Rainer Bonhorst / 12.04.2016 / 12:30 / 1 / Seite ausdrucken

Böhmermann – Die Prozess-Vorschau

Noch hat sich die Bundesregierung nicht entschieden, ob sie den Schmähsatiriker Böhmermann unter Anklage stellen lässt. Hier aber schon einmal eine Vorschau auf den möglichen Prozess.

Richter: Angeklagter erheben Sie sich.

Angeklagter: Wenn es der Wahrheitsfindung dient.

Richter: Sie sind angeklagt, ein ausländisches Organ …

Verteidiger: Mit Verlaub euer Ehren, exakt welches Organ ist denn beleidigt worden?

Richter: Es geht nicht um ein spezielles Organ sondern um den Gesamtorganismus Erdogan …

Verteidiger: Dann ist dies also keine Organklage?

Richter: Seien Sie nicht albern, Herr Verteidiger. Es geht darum, ob ein ausländisches Staatsoberhaupt …

Verteidiger: Majestätsbeleidigung also …

Richter: Sie wissen doch genau, dass die Majestätsbeleidigung aus dem 19. Jahrhundert längst abgeschafft ist. Heute dürfen nicht nur Majestäten sondern alle x-beliebigen Staats- und Regierungschefs beleidigt sein.

Verteidiger: Aber der Paragraf selber ist geblieben, seit Leipzig Einundleibzig.

Richter: Richtig. Nur dass er eben demokratisch verschärft worden ist, was die Anzahl der möglichen Beleidigten betrifft.

Verteidiger: Danke, Herr Richter. Angesichts des weiten Feldes der möglichen Beleidigten bekennt sich mein Mandant schuldig ...

Richter: Wunderbar, das verkürzt diese Verfahren erheblich …

Verteidiger: … bekennt sich schuldig, in seinem Schäh-Lied das Wort Ziege benutzt zu haben.

Richter: Also nur ein Teilschuldbekenntnis?

Verteidiger: Richtig. Allerdings hat mein Mandant nicht den Begriff „ausgemolkene Ziege“ benutzt.

Richter: Schade. Das hätte das Verfahren verkürzt. Die Strafbarkeit der „ausgemolkenen Ziege“ ist dank eines Präzedenzfalls bereits gesichert.

Verteidiger: Was man von einer nicht gemolkenen Ziege nicht sagen kann.

Richter: So ist es. Selbst die „alte Ziege“ ist umgangssprachlich allgemein üblich und darum nicht strafbewehrt. Was in diesem Fall aber nichts zur Sache tut.

Verteidiger: Warum nicht?

Richter: Wir haben zu entscheiden, wie die Ziege strafrechtlich zu bewerten ist, wenn sie mit einem ausländischen Staatsoberhaupt in Verbindung gebracht wird.

Verteidiger: Die Ziege ist ein Gottesgeschöpf und darum nicht von Hause aus strafbar.

Richter: Es kommt darauf an, in welche Beziehung die Ziege zum Beleidigten gesetzt wird.

Verteidiger: Ist es womöglich die Geschlechtszugehörigkeit der Ziege? Wäre ein Ziegenbock weniger beleidigend?

Richter: Hierzu sollten wir die Haltung des Nebenklägers einholen. Herr Erdogan, Sie sind der Sohn des Beleidigten und sein Rechtsbeistand. Was meinen Sie …

Erdogans Sohn: Was hacken Sie denn ständig auf der Ziege herum. Sie ist ja nur kleiner Teil der Gesamtbeleidigung, mit der der Angeklagte meine beleidigte Leberwu ..., Verzeihung: meinen beleidigten Vater und Staatspräsidenten beleidigt hat. Es geht um die Gesamtheit der Beleidigungen nicht nur um eine Beleidigungsteilmenge. Es geht um die gesamte Schmähkritik.

Verteidiger: Wenn es um den gesamten Schmäh geht, beantrage ich, dass sich dieses Gericht für nicht zuständig erklärt.

Richter: Inwiefern?

Verteidiger: Mein Mandant beantragt Extraterritorialität.

Richter: Nun aber mal langsam …

Verteidiger: Mein Mandant hat nämlich gar nicht auf reichsdeutsch geschmäht sondern auf wienerisch.

Richter: Jetzt reden Sie doch keinen Schmäh.

Verteidiger: Sehen Sie Herr Richter, auch Sie benutzen den Schmäh auf Wienerische Art, ohne sich damit strafbar zu machen.

Richter: Jo mei …

Verteidiger: Ich beantrage, meinen Mandanten vor ein Wiener Schmähgericht zu stellen.

Richter: Antrag abgelehnt. Mir langt's jetzt. Ich habe genug gehört und komme zur Urteilsfindung. Angeklagter, erheben Sie sich.

Angeklagter: Wenn es der Urteilsfindung dient.

Richter: Ich verurteile Sie hiermit zu 14 Tagen verschärften Urlaub in der Türkei.

Der Angeklagte bricht schluchzend zusammen. Sein Verteidiger protestiert. Erdogans Sohn reibt sich die Hände.

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Peter Zentner / 12.04.2016

Lieber Herr Bonhorst, wunderschöne Glosse, danke! Aber Ihr erster Satz hängt in den Wolken: “Noch hat sich die Bundesregierung nicht entschieden, ob sie den Schmähsatiriker Böhmermann unter Anklage stellen lässt.” Denn wer wen, wofür und weswegen unter Anklage stellt, entscheidet nicht die Bundesregierung; das entscheiden ausschließlich Staatsanwälte und Richter, deren Unabhängigkeit grundgesetzlich verankert ist. (Zumindest solange die Gewaltentrennung zwischen Legislative und Exekutive noch gilt — was in den Bunkern der EU-Zampanos als hinderlich für das homogen verwaschene Großimperium empfunden wird.) Nicht anders ist auch mit Herrn Erdoğans Strafanzeige gegen Herrn Böhmermann, den verunglückten Möchtegern-Satiriker, zu verfahren. Herzliche Grüße!

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