Ich betätige mich mal als Hellseher. Die Diskussion mit Frau Maischberger wird folgendermaßen verlaufen. Die Mehrheit der Teilnehmer wird dem Film kritisch gegenüber stehen; meine Kristallkugel lässt mich im Stich bei der Frage, ob einer der Autoren am Gespräch beteiligt wird. Alle Teilnehmer werden sich entschieden gegen den Antisemitismus aussprechen. Sodann werden dem Film drei Hauptvorwürfe gemacht werden: a) er habe handwerkliche Fehler, b) er leugne das Leiden der Pälestinenser, c) er verharmlose den rechten Antisemitismus. Punkt a) wird eine nicht unerhebliche Zeit einnehmen. Die zugehörige Diskussion wird einigermaßen sachlich sein, aber ergebnislos bleiben. Mindestens ein Gesprächspartner wird die Punkte b) und c) moralisch stark aufladen, so dass dazu eine sachliche Diskussion kaum möglich sein wird: wildes Aneinandervorbeireden. Das eigentliche Thema des Films, nämlich der faktische Antisemitismus unter Linksgesinnten, wird kaum angesprochen werden. Am Ende wird sich der Zuschauer fragen, warum er sich das angetan hat.
Meine Rede, sehr verehrter Herr Broder, meine Rede. Genau das(!) schwante mir schon nach dem lesen Ihres Beitrags vom 17.06.2017 auf Achgut.com. So schrieb ich -zugegebenermaßen etwas neunmalklug- “...Und warten Sie es ab, beim Talk bei Sandra Maischberger wird sich die Anzahl der Kritiker zu den Befürwortern der Dokumentation mutmaßlich bei einem Verhältnis von 4:1 oder bestenfalls von 5:2 bewegen. Die Diskussion darf nicht ergebnisoffen sein, sondern sie hat offensichtlich eine klare Agenda, da sie vorallem die Entscheidung von ARTE und dem WDR offensiv verteidigen soll. Das gibt ARD-Programmdirektor Volker Herres ganz unverfroren zu, denn wie anders könnte man seinen Satz: “...Die Mängel(!) der Dokumentation werden im Verlauf des Abends(“Maischberger”) deshalb thematisiert(!) und kommentiert(!)” ansonsten auch interpretieren? [.....] Man muss daher befürchten, dass in der Runde von Frau Maischberger nicht das Problem des modernen Antisemitismus thematisiert wird, sondern dass vielmehr die Macher des Films in die Pfanne gehauen werden sollen, damit Tom Buhrow, Volker Herres und Co. ihre Hände in Unschuld waschen können. Ich schätze mal, dass in den oberen Etagen des ÖRR nicht wenige in führenden Positionen Angst um ihre exklusiv genutzten Büros mit Milchglaswänden haben. Also wird jetzt aktionistisch und hektisch agiert, um die größten Wogen zu glätten, damit die Kalamität nicht noch weitere Kreise bis schlimmstenfalls hinein in die Landes- oder/und Bundespolitik zieht.” Die ganze Angelegenheit hat sich mittlerweile zu einem echten Politikum entwickelt. Erst das kolosale Versagen des WDR im Fall der massenhaften sexuellen Übergriffe am Kölner Bahnhof zu Silvester 2015 und nun der durchaus begründete Antisemitismusvorwurf gegenüber dem Sender wegen der Radikalzensur einer Israel freundlichen Dokumentation. Zudem -und das ist meiner persönlichen Meinung nach ziemlich bedeutend- wurde die Schutzpatron_In des Rotfunks am Wallrafplatz vor ein paar Wochen in die Opposition geschickt. Welche Angst hat man wohl jetzt nicht nur in der Teppichetage des WDR, dass der neue Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) diese für ihn einmalige Gelegenheit freudig nutzt, um den Mief von 50 Jahren aus den Fluren und Büros des Funkhauses durch kräftiges Durchlüften zu vertreiben?
Das trifft genau ins Schwarze: “Betreuter Antisemitismus”. Die in den Staatsmedien versammelte Linke erkennt in dieser doch recht harmlosen und ausgewogenen Dokumentation (Danke, BILD!) allen Ernstes einen Angriff auf eines ihrer Hoheitsgebiete, nämlich die Definitionsmacht darüber, wer nun als Antisemit zu gelten hat und wer nicht. Was war passiert? Die täppischen Rundfunk-Strippenzieher waren beim Briefing wohl nicht ganz bei der Sache, und die Autoren folgten eben der naheliegenderen Spur des Judenhasses, die heute hauptsächlich nicht in die deutsche Provinz oder polnische katholische Kirchen sondern in den Nahen Osten und auf evangelische Kirchentage führt. Wenn man diesen Medienskandal zusammen mit der bizarren Posse um den verstorbenen Rolf Peter Sieferle betrachtet, erkennt man leicht die ganze Niedertracht aber auch die zunehmende Hilflosigkeit einer Linken, der es immer mehr an Urteilskraft fehlt.
Und in 5 oder zehn Jahren oder schon vorher wird man sich im Land der bunten Alternativlosen dafür rechtfertigen müssen, weshalb man kein Antisemit ist. Vielleicht schafft Genosse Maas dazu vor seiner Entlassung noch das Journalistenhandwerksdurchsetzungsgesetz.
Der Film verdeutlicht, das der Nazi eben nicht mehr länger das Monopol in Sachen Antisemitismus innehat. Vielmehr gibt er zum Besten, dass der Antisemitismus im linken Spektrum angekommen ist. Das darf im Staatsfernsehen natürlich so nicht stehen gelassen werden, weil nicht wahr sein kann was nicht wahr sein darf.
Lieber geschätzter Herr Broder, dann rufen Sie doch mal Frau Maischberger an ob diese eventuell Verwendung für einen “kritischen Juden” hätten! Sie in der Runde, das wäre dann endlich Grund, wieder mal das Gemaische zu gucken! (Man wird ja noch träumen dürfen!)
Sehr geehrter Herr Broder, ich verstehe Ihre Empörung. Dazu kann ich aber nur sagen, willkommen im Club. Was in den letzten 18 Monaten in Deutschland abläuft, ist schlicht und einfach empörend. Diese Empörung bricht sich meinem Empfinden nach in der Bevölkerung aber nur noch Bahn, wenn es um eigene Herzensanliegen geht. Und da “liegt die Kuh im Eis” - wir haben so viele Empörungsfelder, dass man langsam müde wird. Es scheint, als müßte man in alle Windrichtungen gegen diese aufoktruierte Gängelei kämpfen und ist doch völlig machtlos.
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