Christoph Spielberger / 15.10.2012 / 23:00 / 0 / Seite ausdrucken

Benghazigate: die Taliban im State Department

Im Rahmen einer Anhörung vor dem US- Kongress bezeugte Andrew Wood, Beamter des State Department und Leiter eines Sicherheitsteams in Libyen, letzte Woche bezüglich der Sicherheitsvorkehrungen für die Botschaft in Benghazi: „Wir waren sehr frustriert, dass unsere Anfragen (nach mehr Sicherheit) entweder ignoriert oder nicht erfüllt wurden.“ Eric Nordstrom, Sicherheitsoffizier des State Departments in Libyen, wurde deutlicher: „Alle Mitarbeiter waren sich einig, wir wollten mehr Sicherheit. In den Gesprächen mit dem State Department wurde mir ausdrücklich gesagt: „Sie dürfen keine Aufstockung des Sicherheitsteams verlangen.” Ich fand heraus, man sagte mir das, weil damit zu hohe politische Kosten verbunden seien. Es hieß, „Sie fordern hier Sonne, Mond und Sterne.“ Wir haben es trotzdem beantragt. (…) Was an diesen Auftrag (in Libyen) am frustrierendsten ist, nicht die Entbehrungen, nicht der Beschuss, nicht die Bedrohungen. Es ist das Verhandeln und Kämpfen gegen Leute, gegen Programme und Personal (des Ministeriums) die eigentlich mich unterstützen sollten. Für mich sind die Taliban im Inneren des Gebäudes.“ Gemeint war das State Department.

Seitdem Wood und Nordstrom vor dem Kongress verhört wurden, ist nun auch der Öffentlichkeit bekannt, was von Anfang an klar war: vor der Botschaft gab es keinen spontanen Protest wegen des Mohammed-Filmes, es war eine geplante Attacke von Al- Qaeda, angekündigt mit Termin und Ort.

Siehe: http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/nebel_und_kerzen_im_weissen_haus

Das Weiße Haus und das State Department wussten davon drei Tage zuvor und waren bereits 90 Minuten nach dem Angriff voll im Bilde. Dort beschloss man dann aber alles zu tun, um ebendies nicht bekannt werden zu lassen. Die Regierung entschloss sich, das Volk und die Presse einen Monat lang systematisch zu belügen, allen voran der Präsident, der Vizepräsident, die Außenministerin. Immer wieder betonte man, Benghazi sei ein spontaner Protest gewesen, wegen des Mohammed-Filmes. So sagte es zu Anfang der hochelastische Pressesprecher Jay Carney, so betonte es die Botschafterin der USA bei der UNO, Susan Rice, auf allen Fernsehkanälen.

Und noch als das Manöver mit dem Mohammed-Film längst widerlegt war, stellte sich Victoria Nuland, eine Sprecherin des State Departments vor die Presse und fabulierte von der immer noch nicht vollständig ausgeschlossnen Möglichkeit der Proteste aufgrund des Mohammed-Filmes, denn solange die Untersuchungen noch nicht vollständig abgeschlossen seien, wäre die Ursache mit dem Mohammed-Film noch nicht vollständig ausgeschlossen, und erklärte ihre kognitive Hartnäckigkeit mit den Worten: „Ich werde dafür bezahlt, dümmer zu sein als der Rest der Regierung.“ Anders ausgedrückt: sie wurde dafür bezahlt, die Lügen der Regierung aufrechtzuerhalten.

Es war also eine politische Abwägung. Man versuchte, auf Zeit zu spielen, die Ermittlungen bis nach dem Wahltag zu verschleppen. Beamte des State Department und des FBI, z.B., warteten geduldig 17 Tage, bis ihnen die Visa für die Einreise nach Libyen erteilt wurden. Und man hoffte auf das gut erprobte Wohlwollen der Medien, das Ereignis herunterzuspielen. Dies funktionierte zum Teil recht gut, die New York Times, z.B., beerdigte die Anhörung im Kongress auf Seite 10 ihrer Printausgabe,  und betitelte sie als Politzirkus.

Doch die Mehrheit der Medien ist nun anderer Meinung – denn es geht um die nationale Sicherheit. Mit dem Satz von den ‚Taliban im eigenen Haus’ pflanzte Nordstrom den rosa Elefanten in die Medienöffentlichkeit, sodass nun auch linke Leitmedien, wie die Washington Post, inzwischen von Benghazigate sprechen. Gerade trat die Mutter einer der getöteten Botschaftsbeamten in CNN auf und fragte, warum man ihr immer noch nicht sagen könne, wie und woran ihr Sohn starb. „Obama hat es mir bei der Trauerfeier persönlich versprochen. Man sagte mir, es würde noch ermittelt. Doch was man mir erzählt, sind nichts als Lügen.“

Siehe:
http://www.weeklystandard.com/blogs/mother-slain-state-dept-official-tired-being-lied-and-stonewalled-obama-administration_654163.html

Die Leiche ihres Sohnes ist längst beerdigt, doch eine Todesursache fehlt. Wurde eine Obduktion gemacht?

Der Versuch von Obama, die Sache zu vertuschen, entwickelt sich gerade zu seinem politischen Fiasko. Es ist der erste tote Botschafter seit 33 Jahren, seit Teheran und Jimmy Carter. Es ist die größte Vertuschungsaktion einer US- Regierung seit Watergate, nur dort gab es keine Toten.

Was also ließ Obama, Biden und Clinton sich für eine, an sich riskante Vertuschung entscheiden? Das Eingeständnis einer Al-Qaeda-Attacke hätte die Slogans der Obama’schen Außenpolitik für jeden sichtbar ad absurdum geführt: dass durch Obama eine neue Ära mit der Muslimischen Welt begonnen habe, die zu mehr Frieden und Sicherheit geführt habe; dass „die Flutwelle des Krieges schwinde.“ Dass, wie Obama behauptete, das post- Gaddhafi-Libyen sei sicherer, als das Libyen mit Gaddhafi. Weil er zuvor den Sturz Gaddhafis aktiv mit Waffengewalt und Waffenlieferungen an die ‚Rebellen’ unterstützte. Letzte Woche sagte er im Fernsehen: „Al Qaeda ist auf der Flucht.“ Noch kurz vor dem Angriff in Benghazi wurde auf dem Parteitag der Demokraten der Slogan „Osama bin Laden ist tot, General Motors lebt“ gefeiert.

Mit dieser Haltung hatte man alle Anfragen der Botschaft in Libyen nach mehr Sicherheit über Monate hinweg abgelehnt oder ignoriert. Auch die Befürchtungen von Botschafter Stevens selbst wurden heruntergespielt. In seinem am Tatort gefundenen Tagebuch beschrieb er Woche für Woche seine wachsenden Sorgen um seine Sicherheit in Benghazi, aufgrund des wachsenden Islamismus.

Die Realität in den islamischen Staaten will sich mit den Slogans des Obama-Wahlkampfes nicht decken: Al Qaeda im Irak ist, kurz nach dem Abzug der USA, schon am wiederauferstehen; in Afghanistan mehren sich die Morde an US Truppen durch offiziell alliiert geltende, afghanische Truppen; im Jemen wurde gerade der Sicherheitschef der US-Botschaft erschossen; in vielen muslimischen Ländern rufen die Demonstranten weiterhin und unverdrossen: „Obama, Obama, wir sind alle Osama.“

Was Benghazi besonders delikat macht, sind die Details der dortigen Sicherheitspolitik: Obamas Slogan von der „Führung von hinten“ (leading from behind), seiner Ideologie des neuen, nicht mehr hegemonial auftretetenden Amerika, hieß für Libyen ein ‚low profile’ der USA, ein nichtmilitärisches, quasi pazifistisches Erscheinungsbild seiner Repräsentanten. Deswegen wurde die Botschaft, anders als etwa in Finnland oder Frankreich, nicht von US-Marines bewacht. Das State Department, mit einem jährlichen Budget von 50 Milliarden Dollar, veranschlagte für die Sicherheit des Botschafters, in einer der gewalttätigsten Regionen der Welt, 387.000 $ / Jahr, so viel kostet ein im Ausland stationierter Soldat. Man beauftragte die englische Sicherheitsfirma Blue Mountain, die bisher keine Aufträge dieser Art vollführte.

Siehe:
http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/africaandindianocean/libya/9607958/British-firm-secured-Benghazi-consulate-contract-with-little-experience.html

Blue Mountain konnte für den Etat nur fünf Libyer anstellen. Man bewaffnete sie mit Handschellen, Tasern und Knüppeln. Als die Attacke begann, war ein Wachmann, der 29 Jahre alte Abdulaziz Majbari, bei Botschafter Stevens, ein weiterer draußen auf dem Gelände.

Majbari und seine Kollegen sind, neben ihrer Wachdienstbeschäftigung, auch Mitglieder der ‚Märtyrer Brigaden des 17. Februar.’ Dies ist der libysche Zweig der Muslimbruderschaft. Die Brigade ist eine islamistische Kampfgruppe,sie ist seit dem libyschen Bürgerkrieg aktiv und war dort verantwortlich für mehrere Massaker. Die ‚Märtyrer Brigaden des 17. Februar’ sind eine Abspaltung der aggressivsten aller libyschen islamistischen Kampfgruppen, ‚Ansar al Sharia’. Diese hat gerade einige Moscheen der Sufis im Land zerstört. Und aus deren Reihen rekrutierten sich viele der Angreifer vom 11. September in Benghazi. Die Wachleute waren also früher die Kumpels der Angreifer.

Wer war für die Auswahl der Bewacher verantwortlich? Es liegt nahe, dass das Team Obama auch hier, wie schon in Ägypten, Syrien, Türkei und Tunesien, mit den Muslimbrüdern paktierte. Ein abgehörtes Telefongespräch zwischen dem Chef der Brigaden und einem libyschen Politiker deutet darauf, dass es das State Department selbst war, das die Märtyrer Brigade an Blue Mountain empfahl. Als Zweig der Muslimbrüder trugen sie das Gütesiegel der Obama-Regierung. Denn weil sie sich ‚dem politischen Prozess angeschlossen hatten’, galten sie als ‚moderat.’ In Benghazi, der Hochburg von Al Qaeda in Libyen, erscheint dies besonders naiv. In Libyen, einem (noch) pro-westlichsten Land, mit einer säkularen Regierungsmehrheit, muss man die Entscheidung für die Muslimbrüder schon ideologisch nennen. Und selbst wenn das State Department die Märtyrer Brigade nicht selbst ausgesucht hatte, so duldete sie seit Mai die Bewachung ihrer Botschaft durch eben sie.

Naivität, Inkompetenz oder Blindheit durch die eigene Ideologie, die Auswahl der möglichen Erklärungen ist unschön. Schlagzeilen, wie: „State Department engagierte Al-Qaeda- Ableger zur Bewachung der Botschaft“, oder: „Bewacher der Botschaft in Benghazi waren Splittergruppe der Angreifer“ wollten Obama und Co. nicht riskieren. Daher griffen sie zur Vertuschung.

Den neuesten Versuch startete Vizepräsident Biden, in der Fernsehdebatte mit Paul Ryan: „Wir wussten nichts von den Anfragen nach mehr Sicherheit“, und überhaupt sei das State Department verantwortlich für diese Kommunikationslücke. Nachdem am Tag zuvor die zwei o.g. Sicherheitsbeamten unter Eid das genaue Gegenteil aussagten, wurde es für Obamas Pressesprecher Carney höchste Zeit, Bidens Aussage etwas zu relativieren. Mit „wir“ hätte er nur sich und Obama gemeint. Alle wussten es, nur die beiden nicht. Noch skurriler ist die andere Behauptung Bidens: dass er wochenlang behauptet habe, der Angriff in Benghazi sei ein spontaner Protest wegen dem Mohammed-Film gewesen, „das genau haben uns die Leute in den Geheimdiensten gesagt.“ Die Geheimdienste haben aber spätestens 90 Minuten nach der Attacke diese als Terrorangriff gemeldet, das Weiße Haus wusste es aktenkundig um 6 Uhr morgens. Nur der peinliche Vizepräsident und sein Chef wollen wieder nichts erfahren haben, und wieder waren die Anderen schuld.

Im State Department brodelt es. Es wird erwartet, dass irgendjemand aus den Geheimdiensten der Presse demnächst einen Gegenbeweis zuspielt. Bill Clinton, von dem bekannt ist, dass er Obama tief verachtet, hat bereits ein Team von Anwälten zusammengestellt, um eine Gegendarstellung zu den Aussagen Bidens zu produzieren. Sie dient der Wahrung der Chancen seiner Frau für die Präsidentschaftskandidatur 2016. Die Sache soll nicht ein Schandfleck für Hillary bleiben. Heute ließ sie ein, üblicherweise geheimes, Hintergrund- Briefing veröffentlichen, in dem sie der Version des Weißen Hauses zu Benghazi widerspricht. Diese wäre nie die ihres Hauses gewesen.

Jedenfalls wird Herr Obama in der nächsten Debatte am Dienstagabend sehr unter Druck stehen. Er wird seinem Kontrahenten Romney sicherlich eine unwürdige Politisierung von tragischen Ereignissen vorwerfen. Egal, ob auch er unwissend spielen, oder seine Politik verteidigen wird: die Öffentlichkeit hat nun genug Informationen, um eine direkte Linie von seiner Außenpolitik zu den Ereignissen in Benghazi zu ziehen.

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