Erich Wiedemann / 20.11.2016 / 17:34 / Foto: Alex Proimos / 4 / Seite ausdrucken

Benehmt euch! Donald Trump hat ein gutes Gedächtnis

Ob der kommende Präsident der Vereinigten Staaten und der deutsche Altpräsident Heinrich Lübke etwas gemeinsam haben, wird sich zeigen, wenn Donald Trump zu seinem Antrittsbesuch nach Berlin kommt. Lübke hatte 1966 bei der Ankunft auf dem Flughafen Lome seine rechte Hand von einem mitreisenden Arzt bandagieren lassen, damit er Togos Regierungschef, Gnassingbe Eyadema, nicht die Hand geben musste. Eyadema hatte angeblich Silvanys Olympia, den ersten Staatspräsidenten von Togo und einen Freund Lübkes, ermorden lassen.

Es ist nur eine düstere Vision. Aber ausgeschlossen ist es nicht, dass diesmal der designierte US-Präsident, Donald Trump, protokollresistent, wie er ist, dem neuen Bundespräsidenten, Frank-Walter Steinmeier, den Handschlag verweigert. Vielleicht kommt er auch gar nicht nach Berlin und fährt lieber auf eine Portion Saumagen nach Kallstadt in der Pfalz, von wo seine Vorfahren vor 130 Jahren in die Neue Welt auswanderten.

So schlecht, wie er sich von ihnen behandelt fühlt, könnte man Trump verstehen, wenn er eine Begegnung mit den Granden der Großen Koalition nicht auf dem Zettel hätte. Steinmeier, sonst ein salbadernder Anpasser, hatte Trump einen "Hassprediger" genannt und ihm nach dessen Sieg den Glückwunsch verweigert. Kabinettskollege Sigmar Gabriel schimpfte den Wahlgewinner gar den „Vorreiter einer neuen reaktionären und chauvinistischen Internationale“. Dabei hat der deutsche Wirtschaftsminister viele gute Gründe, mit dem Weißen Haus im Gesprächsmodus zu verbleiben.

Die USA sind der weltweit wichtigste Abnehmer deutscher Waren. Die Ausfuhr nach Amerika bindet weit über eine Million direkte und vielleicht noch einmal so viele indirekte Arbeitsplätze. Wenn der Abschotter Trump die handelspolitischen Maximen, die er im Wahlkampf verkündete, konsequent umsetzt, dann brennt bei der deutschen Exportwirtschaft die Hütte.

Die gute Hillary und der böse Donald 

Die Schmäh-Kritik der zwei SPD-Notabeln steht im Einklang mit dem verbalen Unflat, den die deutschen Medien monatelang über Trump ausschütteten. Vor allem für führende Qualitätsblätter wie die SZ und die ZEIT war Hillary die Gute und Donald der Böse. Sie sprachen ihm Anstand und Moral komplett ab. Dass er  ein Benehmen hat wie die Kohlekumpel aus den Appalachen, steht außer Frage. Aber an Anstand und Moral war ihm seine Konkurrentin, Hillary Clinton, nicht überlegen.

Für den SPIEGEL war Trump ein „schriller Motzke“ und ein „Trickbetrüger“, Und: „Er lügt und hetzt“, er "saut vor sich hin“, er „fuchtelt, brüllt und spuckt“. Man könne „diesen Kerl kaum aushalten“. Und bei Georg Diez von SPIEGEL Online krümmten sich beim Schreiben die Finger, wenn er daran dachte, dass der Typ gewinnen könnte.

Ja, Redneck Donald liefert reichlich Gründe, ihn in die Pfanne zu hauen. Die Zehn-Zitate-Sammlung freilich, mit der der SPIEGEL insinuierte, dass er einen Atomkrieg im Schilde führen könnte, war kein solcher Grund. Trumps vergewisserte standardmäßig sein Publikum: „I will be the last one to press that button.“ Und wer von den zwei Präsidentschaftsbewerbern der konfliktfreudigere war, ist noch nicht entschieden.

Außerdem, wenn er ständig darüber klagte, dass der amerikanische Wahlkampf so schmutzig war, durfte der SPIEGEL dann das Foto einer nackten Trump-Plastik (auf der unten was fehlte) verbreiten und darüber schreiben: "Der Kaiser hat keine Eier"?

Heribert Prantl, Chefkommentator der „Süddeutschen“, giftete in einem Essay über den „Trumpschen Populismus, der nun weltweit giftig strahlt“. The Donald als Naturkatastrophe also. Der Spiegel trieb die Verunglimpfung mit einem Titelbild auf die Spitze, auf dem ein feuerumwaberter Trump-Schädel auf die Erde zurast. Dazu die Zeile "Das Ende der Welt" und darunter viel kleiner: "Wie wir sie kennen." Es war der Tiefpunkt des deutschen Nachrichtenmagazin-Journalismus. So machen die Nachfolger von Rudolf Augstein das „Sturmgeschütz der Demokratie“ zur Gulaschkanone. 

Vier Prozent finden Trump sympathisch 

Mit ihrer Anti-Trump-Kampagne hat die Journaille den deutschen Interessen keinen guten Dienst erwiesen. Doch die Nation nahm die Botschaft freudig an. 1981, auf dem Höhepunkt der Proteste gegen den Nato-Dopplbeschluß, stimmten noch 57 Prozent der befragten Bundesbürger in einer Umfrage des Allensbach-Instituts der Aussage zu, die USA seien ein starker Verfechter von Demokratie und Menschenrechten. Damals residierte im Weißen Haus Ronald Reagan, der in Deutschland fast ebenso unbeliebt war wie Donald Trump heute.

Anfang dieses Jahres wurde die gleiche Frage nochmal gestellt. Diesmal stimmten nur noch 19 Prozent derselben Frage zu. Und nur vier Prozent fanden Trump sympathisch. Ebenfalls vier Prozent glaubten, daß Deutschland von ihm nichts Gutes zu erwarten habe. Sie könnten Recht behalten.

Umgekehrt liebt offenbar auch Trump die Deutschen nicht. Das deutsch-amerikanische Verhältnis war noch nie so schlecht, nicht einmal unter sozialdemokratischen Kanzlern. Im Wahlkampf kündigte Trump sogar an, dass Deutsche und Franzosen künftig bei der Einreise „extremen Sicherheitsüberprüfungen“ unterworfen würden.

Der Wind des Wandels bläst vor allem durch die Wehretats. Trumps Forderung, dass Deutschland seine Rüstungsausgaben um über die Hälfte von 1,2 auf zwei Prozent (im Vergleich USA: je nach Quelle 3,3 bis 4,35 Prozent) des Bruttoinlandsprodukts anheben solle, steht; und davon wird er nicht abweichen. Das gleiche Postulat erging an die anderen Europäer. Wenn sie nicht parieren, will Trump seine Streitkräfte aus Europa abziehen und seinen Atomschirm zusammenklappen. Dreißig Milliarden Kostensteigerung sind für die Deutschen schmerzlich, aber erträglich. Es ist ungefähr soviel, wie sie dieses und letztes Jahr für die Finanzierung der Willkommenskultur ausgegeben haben.

Gibt es Alternativen? Der Appell von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen an die Europäische Union, sich wehrpolitisch von den Vereinigten Staaten zu emanzipieren, ist infantil. Die EU hat zwar über 1,85 Millionen Soldaten, fast doppelt so viel wie Russland. Aber mit 27 Oberkommandierenden. Russland und die USA verfügen im übrigen über jeweils 7000 atomare Sprengköpfe. Das ist rund 15mal so viel wie die zwei EU-Atommächte Frankreich und Großbritannien zusammen. Aber auch nur, bis der Brexit in Kraft tritt. Danach sind es jeweils 30mal so viele.

Mit mildernden Umständen ist nicht zu rechnen

Auch die deutsche Privatwirtschaft hat Grund zur Sorge. Zu den Firmen, die von Trumps Machtübernahme nichts Gutes zu erwarten haben, gehört der Automobilgigant Volkswagen. Er muss wegen des Abgasskandals mit 15 Milliarden Dollar Strafe rechnen. Es kann auch doppelt so viel werden. Das Problem soll, wie es heisst, auf höchster Ebene geklärt werden. Zwischen Trump und VW-Chef Matthias Müller. Mit mildernden Umständen ist dabei nicht zu rechnen.

Unklar ist die Sachlage für die Deutsche Bank. Das Justizministerium in Washington will von ihr 12,5 Milliarden Euro Strafe und Entschädigung für dubiose Hypothekengeschäfte in den USA. Die Summe ist verhandelbar. Die Bank hat seit langem gute Geschäftsbeziehungen zum Trump-Konzern. Er steht bei ihr zur Zeit mit mindestens 180 Millionen Dollar in der Kreide. Nach Berechnungen des "Wall Street Journal" belief sich das gesamte Kreditvolumen seit 1998 auf zweieinhalb Milliarden Dollar.

Ob ein guter Draht zum Weißen Haus allerdings den Frankfurter Bankern zum Vorteil gerät, ist einstweilen offen. Konzernherr Trump wird sich hüten, ihnen zu weit entgegenzukommen, weil er nicht in den Verdacht geraten will, dass er staatliche und private Interessen miteinander vermischt. In Washington warten viele auf so einen Fehltritt. Deutschbanker John Cryan könnte die Verhandlungen bis über den Tag des Machtwechsels am 20. Januar in die Länge ziehen. Aber es ist nicht mehr sicher, dass dies zu seinem Vorteil wäre. Von der deutschen Politik hat die Deutsche Bank auch nichts Gutes zu erwarten, am wenigsten von dem Sozialdemokraten Gabriel.

Muss Deutschland nun mit dem Schlimmsten rechnen? Nein, sagt Rüdiger Lentz, Direktor des Aspen-Instituts und alter Fahrensmann der transatlantischen Beziehungspflege. „Die Prioritäten der USA haben sich nur verschoben.“ Die Amerikaner wollten nicht länger für die Europäer die Kastanien aus dem Feuer holen. „Aber sie werden nicht aus der Nato austreten.“ Das hat Barack Obama am Donnerstag in Berlin auch gesagt. Vielleicht aber auch nur, um seine Gastgeberin Angela Merkl und die Obamaphilen in Deutschland zu erfreuen.

Ein Freund aus der ersten Riege der Sozialdemokratie, berichtet Lentz, habe sich mit führenden Parteifreunden über deren Respektlosigkeiten ausgetauscht und den Genossen eine Mahnung verabreicht: "Benehmt euch. Donald Trump hat ein gutes Gedächtnis.“  

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Leserpost

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Thomas Wunderlich / 21.11.2016

Na, trotzdem wird mir Trump immer sympathischer. Er geht vehement gegen die Verfechter der Neuen Weltordnung vor und will aufräumen bei dem ganzen korrupten Haufen. Bin gespannt wann Soros im Knast landet. Unser GröKaZ-Berater in Sachen Flüchtlingspolitik. In vielen Sachen hat Trump einfach recht. Aber Trump mit Lübke zu vergleichen ist wohl doch etwas unfähr. Ein Vergleich Lübke udn Bush wäre treffender gewesen. Und übrigens, ich habe ein gutes Nachrichtenarchiv gesammelt über Aussagen von Politikern. Wenn er mal Hilfe braucht…..grins.

Tilo Bley / 21.11.2016

Danke. Wie die deutsche “Journaille”, ein besseres Wort fällt mir hierfür leider nicht ein, mit dem designierten US-Präsidenten Trump umgesprungen ist, war unter aller Kanone. Die Abneigung gegen ihn von Seiten der “schreibenden Zunft” war geradezu körperlich greifbar. Dabei beruhte vieles auf rein persönlichen Animositäten, denn wer sich die Zeit genommen hatte, die Rededuelle im Original zu verfolgen, ohne die aus dem Kontext gerissenen Brocken verdauen zu müssen, konnte feststellen, dass er sehr wohl zumindest die meiste Zeit wußte, wovon er redete. Und als er Clinton z. B. vorwarf, maßgeblich mit am syrischen Desaster beteiligt gewesen zu sein und wieviel gute Dollars dabei eingesetzt wurden, lag er goldrichtig. Und auch zuvor schon hatte sich Clinton ja kaum als Obamas Friedensengel gebärdet, als Stichwort mag “Benghazi”-Affäre genügen. (Dagegen war das Email-Desaster fast schon die berühmten “peanuts”.) Seymour Hersh hatte so einiges dazu herausgefunden, und nicht nur er. Ob Trump wirklich der “Kriegerische” sei, als der er tituliert wurde, sei daher dahingestellt. Wir werden es erleben. Sein Credo vom “US-Zentrismus” und sich weniger international einzumischen, spricht jedenfalls nicht dafür, dass er unaufhörlich Händel suchen wird, sondern sich auf Handel konzentrieren, allerdings möglicherweise ohne die von einigen Interessengruppen so hoch gelobten Freihandelsabkommen. Mit Clinton wäre alles einfach nur so weitergegangen wie bisher und, was internationale Konflikte betrifft, wohl eher noch schlimmer geworden. Und das haben die US-Wähler nicht gewollt. Und es stünde deutschen Journalisten gut an, das endlich zu akzeptieren und aus der Schmollecke herauszukommen. Aber klar, wenn man sich zuvor so weit aus dem Fenster gelehnt hat, muß man zusehen, dass man beim Zurückrudern nicht rausfällt.

U. L. Kramer / 21.11.2016

Ja, es ist peinlich, wie unsere Politiker und die Medien über Herrn Trump herziehen. Aber er befindet sich dabei in guter Gesellschaft, mit uns, dem Volk, dem Pack, dem Pöbel, der Mischpoke… ;-) Mit Diplomatie freilich hat das absolut nichts mehr zu tun. Mir erscheint es doch sehr arrogant, daß man nicht nur das eigene Volk verunglimpfen kann, sondern meint, dies sogar mit dem gewählten künftigen Präsidenten der USA tun zu können. Da haben einige Medien wohl Glück, daß Herr Trump nicht so schnell mit einer Anzeige wegen Beleidigung dabei ist wie Herr Erdogan. Ist der § 103 StGB jetzt eigentlich schon abgeschafft worden?

Jochen Brühl / 20.11.2016

Lustig wäre, wenn es über Jahre zu keinem Kontakt in Washington mehr zwischen deutschen Regierungsvertreter*innen und denen der US-amerikanischen Seite käme und die Petry dann ganz inoffiziell ins Weiße Haus zum Stabschef für einen unverbindlichen Gedankenaustausch eingeladen würde, und dabei ganz zufällig auf den Präsidenten trifft, weil der mal eben eine Akte im Nachbarzimmer holt. Das war damals mit Roland Koch und Bush auch schon sehr lustig, während der Kanzler Schröder längst keinen Empfang mehr bekam.

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