Günter Ederer / 08.12.2012 / 18:02 / 0 / Seite ausdrucken

Beliebigkeit ist kein Erfolgsrezept

”Fulda gegen 13“ – als ich vor einer Woche in München die „Süddeutsche Zeitung“ aufschlug, fiel mir diese Überschrift sofort auf. Der Tenor des Artikels: Die rückständigen Fuldaer machen Front gegen die 13 fortschrittlichen CDU-Abgeordneten, die die steuerliche Gleichstellung für gleichgeschlechtliche Paare fordern. Vorher hatte ich schon im „Spiegel“ in einem Interview gelesen, dass der erzkonservative Kreisverband Fulda gegen eine modernere CDU kämpft.

Das war wieder einmal ein Moment, an dem ich stolz auf meine Heimatstadt Fulda war. Denn: Dem sich schnell ändernden Zeitgeist sind die Fuldaer noch nie nachgelaufen. 1933 nicht, als sie noch mit absoluter Mehrheit das Zentrum wählten, während sich Deutschland den Nazis ergab, und auch heute nicht, in einer Epoche des Relativismus und Pragmatismus. In Hannover stritt eine christliche Partei darüber, was eine Familie ist. Das ist Zeitgeist pur. Aber gewiss nicht zukunftsträchtig. Erst vor einigen Wochen habe ich über die wirre Debatte geschrieben, die CDU müsse moderner werden, um in den Großstädten wieder junge Wähler anzusprechen. Aber was ist modern?

Einer der Befürworter der steuerlichen Gleichstellung von homosexuellen Paaren ist der Stuttgarter Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete der CDU, Dr. Stefan Kaufmann, ein bekennender Schwuler. Er outet sich bei den Christopher Street Days, kümmert sich um die Szenetreffs, gibt sich also sehr „modern“. Die Oberbürgermeisterwahl hat die CDU in Stuttgart bekanntlich krachend verloren – vor allem in den „bürgerlichen“ Stadtteilen. Also wie modern soll die Stuttgarter CDU noch werden?

Auch im sehr bürgerlichen Karlsruhe hat die CDU die OB-Wahl verloren – sogar schon im ersten Wahlgang. Ihr Kandidat Ingo Wellenreuther, auch Bundestagsabgeordneter, war so unbeliebt, dass Teile der CDU – darunter auch der scheidende und hochgeschätzte OB Heinz Fenrich – es ablehnten, ihn zu unterstützen. Statt einer Modernität nachzulaufen, die der CDU vor allem von Presseorganen und Politikwissenschaftlern empfohlen wird, die nie CDU wählen werden, sollte sie lieber darüber nachdenken, ob das Personal, dass sich gerade innerparteilich durchsetzt, für die Bevölkerung noch glaubwürdig ist.

Die Debatte über Rechte und Pflichten gleichgeschlechtlicher Paare eignet sich sicher nicht, Wähler für die Union zu generieren. Dafür bieten sich viele Parteien an. Aber es zeugt von gefährlichem Pragmatismus, wenn in der Union der Unterschied zwischen einer Familie und einer Partnerschaft verschwimmt. Das ist auch Ausdruck der Konturlosigkeit in der Familienpolitik.

Bezeichnend für die fehlgeleitete Debatte ist auch, dass nur über die Wahlniederlagen in den Städten diskutiert wird. Am gleichen Sonntag, an dem die CDU-Stadt Karlsruhe an die SPD verloren ging, wählte auch der Vulkaneifelkreis einen neuen Landrat. Die Region ist so katholisch und war früher so „schwarz“ wie der Kreis Fulda. Aber: Schon im ersten Wahlgang siegte der unabhängige Kandidat, der von SPD, den Freien Wählern und den Grünen unterstützt wurde, mit über 61 Prozent. Der CDU-Mann verlor kläglich. Dabei war die Eifel traditionelles CDU-Land. Aber die konservativen Wähler blieben zu Hause. Die Wahlbeteiligung schrumpfte auf 36 Prozent. Dieses Debakel in Rheinland-Pfalz wird noch nicht einmal diskutiert.

Auf dem Parteitag wurde die rheinland-pfälzische Landesvorsitzende der CDU, Julia Klöckner, mit über 90 Prozent zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt. Sie wird als neuer Star umjubelt. Wenn es um politische Standortbestimmungen geht, ist sie überall und nirgends. Die Wähler in der Eifel hat sie nicht überzeugt, die haben ganz offensichtlich eine andere Wahrnehmung der Union, als die Partei von sich selbst.
Ist die Fuldaer CDU also rückständig oder eher weitblickend? Lassen wir Fakten sprechen. In Stadt und Land schafft die CDU noch über 50 Prozent. Die Arbeitslosenquote ist die niedrigste in Hessen. Die Verschuldung ebenso. Sie ist also erfolgreich. Ludwig Erhard wäre stolz auf sie.

Kolumne aus der Fuldaer Zeitung vom 8.12.2012

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