Erinnert sich noch jemand an die großen Versprechungen im Jahre 2014/15, dass der französische „Pannen-Reaktor“ Fessenheim demnächst vom Netz geht? Es ist sehr still darum geworden. Fessenheim hat Freiburg nicht verwüstet und produziert weiter munter billigen Strom, bei Flaute auch gerne mal für Deutschland.
Der Franzose bezahlt immer noch 16 Cent pro Kilowattstunde (kWh), der Belgier 21 Cent/kWh und der Deutsche schon 29 Cent/kWh. Da ist doch bei den Nachbarn noch Luft nach oben, schließlich sollten die anderen Europäer den deutschen Vorreitern ja freudig folgen. Aber da jetzt Freund und Retter Macron in Frankreich am Ruder ist, schießt sich die deutsche Politik eben auf AKW-Ziele anderer missliebiger Länder ein. Und die Medien zielen gern mal mit unter die Gürtellinie.
„Günstiger Strom ist in Belgien wichtiger als Sicherheit“ titelt die Welt-Online und präsentiert das dilettantisch bearbeitete Bild eines blutroten KKW Tihange unter dräuenden dunkelgrauen belgischen Atomwolken. Huhh – da glüht im nahen Aachen der deutsche Alu-Hut und man lutscht schon mal vorsorglich an der Jod-Tablette.
Der Hoffnungsbringer der Grünen, sorry, Hoffnungsbringer der CDU und Regierungschef vom Homeland NRW, Armin Laschet, hat sowohl beim belgischen König, als auch beim belgischen Regierungschef und bei den Ministerpräsidenten der flämischen und wallonischen Region vorgesprochen. Mit seiner Brüssel-Reise wollte Regierungschef Armin Laschet (CDU) für eine baldige Abschaltung der „Pannenreaktoren Tihange und Doel“ werben.
Deutschland verwechselt Selbtbespiegelung mit Dialog
Doch Belgien bleibt hart. „Für die Bevölkerung Belgiens seien Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit von Strom aber wichtiger als Fragen der Sicherheit, hieß es am Rande der Gespräche in Brüssel“. So, so, „hieß es am Rande der Gespräche“ ohne nähere Quellenangabe. Sowas nennt man in Deutschland solide journalistische Arbeit.
Diese Belgier wollen einfach ihre Kernkraftwerke nicht abschalten. Und das, obwohl Deutschland sie vor den „unsicheren und pannenanfälligen“ Reaktoren mit diversen Menschenketten eindringlich warnt. Und unnötig ist das als „Bröckel-Reaktor“, auch gerne als „Schrottmeiler“ oder „Pannenkraftwerk“ titulierte Teufelszeug auch noch, da Deutschland den Belgiern ja schon bald mit zwei Stromleitungen elektrische Entwicklungshilfe leisten will.
Aus Deutschland, das bei Dunkelflauten schon mehrmals am Blackout vorbeischlitterte, soll – kein Witz – bald deutscher Qualitätsgrünstrom aus der Eifel die belgischen Autobahnen ausleuchten. „Schon 2020 soll eine 100 Kilometer lange Stromleitung namens Alegro von Oberzier in NRW nach Lixhe in Belgien in Betrieb gehen, fünf Jahre später die Leitung Dahlem – Gramme, Belgien von der deutschen Eifel aus mit Strom versorgen.“
„Wir werden hier noch einen weiteren Dialog brauchen“, sagte der CDU-Politiker und sendet nächste Woche seinen FDP-Wirtschaftsminister Pinkwart von der FDP nach Belgien. Wie wäre es denn, wenn der neben der AKW-Abschaltung zur Abwechslung mal Diesel-Fahrverbote für Brüssel und Antwerpen ins Gespräch bringen würde? „Steter Tropfen höhlt den Belgischen Hasardeur“, der belgische König wird wohl schon mal die weiße Flagge bereit legen.
Ich habe da einen Verdacht: Der Stromfluss einer Leitung geht immer dahin, wo der Strom gerade mehr gebraucht wird. Vielleicht leuchtet ja das KKW-Tihange ab 2020 in Ermanglung von Wind und Sonne ab und zu mal Herrn Laschets Büro aus. Aber da ihm auch dann – dank belgischem Atomstrom – kein Licht ausgeht, wird ihm wohl auch kein Licht aufgehen. Und die hellste Kerze auf der Torte ist er sowieso nicht.