Peter Grimm / 16.02.2018 / 18:15 / 25 / Seite ausdrucken

Beleidigen und nicht beleidigen mit K-Wörtern

Welch eine Aufregung nach dem politischen Aschermittwoch. Es gab doch da tatsächlich Verbalinjurien. Dies hätte in früheren Tagen als normaler Tagesordnungspunkt bei solcherlei Veranstaltungen gegolten. Aber in diesem Jahr hat es offenbar nur bei der AfD unflätige Worte gegeben und die waren so schlimm, dass sich der Bundespräsident und der Bundesjustizminister dazu äußern mussten.

Der AfD-Landesvorsitzende von Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, ist nun schon länger bekannt dafür, dass er bei dem Versuch des eigenständigen Satzbaus am Ende gern mehr oder weniger berechtigte Empörung erntet. Aber verschieben sich wegen der Anti-AfD-Reflexe der etablierten deutschen Meinungsbildner in diesem Fall nicht gerade gründlich die Maßstäbe?

„Kameltreiber“ und „Kümmelhändler“ hat der AfD-Frontmann zu den bekanntermaßen besonders beleidigungsempfindlichen türkischen Mitbürgern gesagt. Das ist natürlich nicht nett und alles andere als kultiviert. Doch folgt man der Berichterstattung, so muss das mindestens so schlimm gewesen sein, wie die öffentliche Verwendung des bösen N-Worts, mit dem einst unsere Vorfahren farbige Mitmenschen bezeichneten.

Wegen der K-Wörter muss nun wahrscheinlich die Justiz tätig werden, denn u.a. Gökay Sofuoglu von der Türkischen Gemeinde kündigte rechtliche Schritte an.

"Köterrasse" ist besser

Vielleicht, um ein wenig bei den Maßstäben zu bleiben, sollte man sich fast genau ein Jahr zurückerinnern. Da fiel auch ein böses K-Wort, allerdings nicht auf einer bierseligen Veranstaltung zu deren Markenkern nun einmal deftiges verbales Holzen gehört. Das ehemalige Vorstandsmitglied des Türkischen Elternbunds Hamburg, Malik Karabulut, war empört, weil der Deutsche Bundestag den Völkermord an den Armeniern endlich als solchen anerkannt hatte. Für den stolzen Türken so beleidigend, dass er die Deutschen öffentlich zur „Köterrasse“ erklärte. „Möge Gott ihren Lebensraum zerstören“, fluchte er.

War das eine Beleidigung oder Volksverhetzung? Äußerte der Bundespräsident seine Besorgnis? Oder der Bundesjustizminister? Nein, natürlich nicht. Deutsche sind nun einmal nicht so beleidigungssensibel wie türkische Mitbürger oder andere muslimische Volksgruppen, in denen vor allem die Männer schnell ihre Ehre verletzt sehen.

Die autochthone Bevölkerung hat das auszuhalten, ja sie ist gar nicht beleidigungsfähig, wie im letzten Jahr die Staatsanwaltschaft feststellte. Damals wurde berichtet:

Die Hamburger Staatsanwaltschaft sieht jedoch weder in einzelnen noch in sämtlichen Aussagen nicht den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt, teilte eine Sprecherin am Dienstag mit. Die Begründung: „Es muss sich um eine Gruppe handeln, die sich durch irgendein festes äußeres oder inneres Unterscheidungsmerkmal als äußerlich erkennbare Einheit heraushebt.“ Für die Bezeichnung „Deutsche“ treffe das nicht zu, da diese sich nicht „als unterscheidbarer Teil der Gesamtheit der Bevölkerung abgrenzen lässt“. Und weiter: „Bei allen Personen mit deutscher Staatsbürgerschaft handelt es sich um die Bevölkerungsmehrheit und daher nicht um einen Teil der Bevölkerung“. Weil es sich also nicht „um einen verhältnismäßig kleinen, hinsichtlich der Individualität seiner Mitglieder fassbaren Kreis von Menschen handelt“, könne das Kollektiv der Deutschen nicht beleidigt werden, heißt es in den Ausführungen der Staatsanwaltschaft, die der „Welt“ vorliegen. Somit bleibt die Aussage straffrei und ist weiter erlaubt.

Ob das jetzt beim „Kameltreiber“ auch so sein wird?

Der Beitrag erschien auch hier auf sichtplatz.de

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Leserpost

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Mike Loewe / 16.02.2018

“... handelt es sich um die Bevölkerungsmehrheit und daher nicht um einen Teil der Bevölkerung”—Das ist ja abenteuerlich, da hat wohl jemand in Grundschul-Mathematik nicht aufgepasst.

Viola Heyer / 16.02.2018

Die mediale Empörung geht wegen der “kameltreibenden Kümmelhändler” ins Hysterische, während die gleichen Kreise Böhmermanns “Ziegenficker” als mutig, humorvoll und Kampf für Meinungsfreiheit glorifizierten. Gerade jetzt wird zurecht die Freilassung Yücels gefeiert, aber seine hässlichen Worte “Sarrazin ist eine lispelnde, stotternde, zuckende Menschenkarikatur!” und “man nur wünschen kann, der nächste Schlaganfall möge sein Werk gründlicher verrichten.“ haben kein kritisches Medienecho verursacht. Orwell lag richtig: „Alle sind gleich, aber manche sind gleicher.“

Gabriele Kremmel / 16.02.2018

Lieber Herr Grimm, das ist jetzt gemutmaßt von mir, aber ich glaube nicht, dass es beim Kameltreiber so ist wie bei der Köterrasse. Da muss man schon differenzieren und mit gekonntem Blick den diffizilen Unterschied heraus arbeiten. Die Zielgruppe der Beleidigung “Köterrasse” bildet ja dem Urteil nach eine Mehrheit ohne festes Äußeres, z.B. die Deutschen. Die anderen Ks hingegen zielen auf eine Minderheit mit festem Äußeren ab, also auf erkennbare Kümmeltürken und Kameltreiber. Gökay Sofuoglu sieht sich offensichtlich als solcher erkannt, also hat er wohl ein festes Äußeres, das einem der beiden Ks entspricht. Oder habe ich das jetzt falsch verstanden? Wir werden ja sehen. Im Fasching hat es ja auch bereits eine staatsanwaltliche Ermittlung gegeben wegen einer Wanne voller Gestalten, in denen sich ebenfalls gleich ein Teil der mimosenhaften Minderheit wiedererkannt hat.

Frank Stricker / 16.02.2018

Der Begriff “Kümmelhändler” ist also justiziabel, interessant, aber wenn der Herr Justizminister seinen Parteikollegen Sarrazin einen “Idioten” nennt,  dann ist das wohl nur ein verbaler Klaps auf die Schulter oder wie ??

Thomas Baader / 16.02.2018

“Bei allen Personen mit deutscher Staatsbürgerschaft handelt es sich um die Bevölkerungsmehrheit und daher nicht um einen Teil der Bevölkerung.” Tatsächlich ein Satz, der allen Regeln der Logik und der Mathematik widerspricht. Die Mehrheit einer Menge ist immer Teil einer Menge. Oder anders ausgedrückt: 80% eine Menge sind eben nicht 100% einer Menge.

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