Bei mir möchte ich Elefant sein

Von Christoph Lövenich.

Ein Elefant im Porzellanladen – Tierquälerei? Nicht in den 1980er-Jahren, als die ARD-Sendung „Verstehen Sie Spaß?“ einen Dickhäuter in einem Ladenlokal den einen oder anderen Scherbenhaufen anrichten ließ. Unter einem Youtube-Video dieses Beitrags lassen Kommentare erahnen, dass man heutzutage weniger Spaß versteht als zu Kurt Felix‘ Zeiten. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass man das heute noch machen würde“, mutmaßt ein User. „Allein schon wegen dem Shitstorm. Vermutlich würde ein Zoo so ein Tier für einen Dreh auch nicht mehr hergeben. Damals war eben vieles noch anders.“ (1)

Richtig erkannt. Nicht nur, dass diese Unterhaltungssendung Empörung hervorrufen kann, wenn sie sich in den Augen mancher politisch unkorrekt geriert (wie bei einem „Blackfacing“ im vergangenen Jahr), sondern vor allem im Hinblick auf die Tierfrage. So gut wie jede Art der Tiernutzung stößt mittlerweile in Teilen der Gesellschaft auf Kritik. Das Tier auf dem Teller, das Tier in der Manege, das Tier im Labor sowieso, sogar das Tier im Fernsehen hat seine Unschuld verloren und wird zum Gegenstand der Auseinandersetzung.

Tiernutzung dient vielen menschlichen Zwecken, so etwa der Ernährung (Milch, Eier, Fleisch …), der Bekleidungsproduktion (Pelz, Leder), der Grundlagen- und Anwendungsforschung (Medikamente, Kosmetika), der Unterhaltung (Pferderennen, Stierkämpfe, Zirkusse …) oder der Bildung (z.B. Zoos). Therapietiere, Wach-, Spür- und Blindenhunde verrichten wertvolle Tätigkeiten. Auch Lastesel, Transportelefanten und Kutschpferde (2) sind noch nicht ausgestorben. Von Haustieren als Lebensbegleitern ganz zu schweigen.

Tierrechts- und Tierschutzvereine – hierzulande der Deutsche Tierschutzbund, der Peta-Ableger und diverse andere Organisationen – stellen den Menschen als moralischen Mittelpunkt und Maßstab der Politik in Frage. Sie stufen ihn auf die Ebene des Tieres zurück, auf das Niveau von Ratte und Schmeißfliege, auf Augenhöhe mit treuen Hündchen und süßen Kälbchen, mindestens aber mit Menschenaffen. Indem Tiere vermenschlicht werden – Stichwort: „Bambi-Syndrom“ (3) und Disneyfizierung – geht die spezifische Würde des vernunftbegabten Menschen verloren. Der Wert des großen Weltgestalters Mensch wird biologistisch auf genetische Verwandtschaft reduziert. Wer Menschen das Recht zur Tötung von Tieren abspricht, fleischfressende Tiere (und Pflanzen) aber akzeptiert, degradiert den Menschen zum Untertier.

Gegen den menschengemachten Fortschritt

Dies zeigt sich beispielsweise bei Tierversuchen, die ganz oben auf der Abschussliste des Tieraktivismus stehen. Zumeist dienen sie der Entwicklung von Medikamenten. Ohne vorhergehende Tests an Tieren wäre es zu riskant, sie am Menschen zu erproben. Die Beherrschung unzähliger Krankheiten verdanken wir diesem Vorgehen. „Die Konsequenz eines […] Totalverbots wäre entweder der Verzicht auf medizinischen Fortschritt oder der Ersatz von Tier- durch Menschenversuche“, wendet denn auch Heinz Brandstetter, Leiter des Tierhauses des Max-Planck-Instituts für Biochemie, ein. Kein hypothetisches Szenario, denn den einschlägigen Lobbyorganisationen ist bereits gelungen, ein EU-weites Verbot für Kosmetika durchzusetzen, die an Tieren erprobt wurden. Es gilt seit 2013. Der Dermatologe Axel Schnuch sieht darin „ein Humanexperiment im großen Stil“, bei dem die Krebs- oder Allergiezahlen durch mangelhaft geprüfte Produkte steigen“ könnten. Menschen- statt Tierversuche, das erinnert an die Pioniere der deutschen Tierschutzgesetzgebung, die Nazis.

Deren Reichstierschutzgesetz von 1933 erfreute sich damals großer Beachtung in der internationalen Tierschutzszene. Wie in anderen Bereichen (man denke an Tabakbekämpfung oder Ernährungspropaganda) setzte das Dritte Reich auch hier erstmals die Agenda der Lebensreformbewegung in Deutschland in die Tat um. Diese ideologische Tendenz aus dem 19. Jahrhundert richtete sich gegen die industrielle Moderne und den menschengemachten Fortschritt, verherrlichte reine Natürlichkeit und Abstinenz. Ähnlichkeiten mit den ökologischen und neulinken Strömungen der vergangenen Jahrzehnte liegen auf der Hand. Vegetarismus spielte seinerzeit schon eine Rolle, im Hinblick auf Tiernutzung aber stand der Kampf gegen die vivisezierende Forschung im Mittelpunkt. Bei damaligen Zeitgenossen wie dem Komponisten Richard Wagner verband er sich mit Antisemitismus. „Der Tierversuch galt als das Werk jüdischer Wissenschaftler und verkörperte die angeblichen Bestrebungen, den germanischen Menschen von der ihm eigenen Naturverbundenheit zu lösen und an deren Stelle eine mechanistische, die Natur ausbeutende Wissenschaft zu etablieren.“ (4) Die Nazis schränkten Tierversuche gesetzlich ein und drohten bei Verstößen mit dem KZ, wo sie Menschenversuche durchführten.

In die Tradition der Lebensreformer passen auch Veggie Days oder der Vorschlag, tierische Nahrungsmittel mit höherem Mehrwertsteuersatz zu versehen. Denn beim Moralisieren belässt man es nie, sondern schreit nach einschränkenden Maßnahmen seitens der Obrigkeit. Davon bleibt kein Bereich verschont, nicht einmal das Karnevalsbrauchtum. Kaum war diese Session eine Diskussion um den Stress von Pferden in Fastnachtsumzügen angezettelt, schon rumste es. Am vergangenen Rosenmontag hat sich in Bonn ein Unfall mit mehreren Pferden aus dem Karnevalszug ereignet, die beim Zugende durchgegangen sind und dabei mehrere Personen leicht verletzt sowie Sachschaden angerichtet haben. In Köln fiel ein Pferd um. Vorher war nie was passiert, sondern ausgerechnet erst, nachdem Tierrechtler in verschiedenen Städten dagegen zu Felde gezogen waren. Zufall? In Bonn waren die Tiere von Aktivisten einer Gruppe namens rheinvegan begleitet und gefilmt worden und den Vorfall hat womöglich ein Mensch – durch Schlagen eines der Pferde – ausgelöst. Die Kriminalpolizei ermittelt. (5)

Tiernutzung ermöglicht Tieren oft ein deutlich längeres Leben

Den Ausrutscher des Kölner Pferdes kommentiert die rheinische Reiterhofbesitzer Andrea Schnitzler so: „Und wenn ein Mensch hinfällt, gehen viele einfach vorbei.“ Sie vermag außerdem abzuschätzen, was im Falle eines karnevalistischen Pferdeverbots geschähe: „Von den 500 Pferden in Köln hängen dann 450 im Kühlhaus“. Damit wäre rheinvegan offenkundig nicht gedient. Mit breiter politischer Unterstützung können solche Initiativen vorläufig nicht rechnen: Im Wahlkampf beeilte sich selbst der tierschutzpolitische Sprecher der Grünen im Landtag, von Verbotsforderungen Abstand zu nehmen – man will nicht immer als Bevormundungspartei erkannt werden. Das Thema wird allerdings auf der Agenda bleiben, zumal sich offenbar die Auffassung, dass die Pferde während der Umzüge nicht sediert werden dürfen, durchgesetzt hat, obwohl sie nur auf eine anzweifelbare rechtliche Interpretation einer Tierschutzorganisation zurückgeht.

Während Tiernutzung aller Art in diesen Kreisen als Gräuel gilt, erfreut sich der Schaden durch Tiere einer besseren Reputation. Die Wiederansiedlung des Wolfes in Deutschland hat bisher zu nicht unerheblichen Schäden geführt, man denke an gerissene Schafe und deren finanzielle Kompensation aus Steuergeldern. Ehren- und hauptamtliche Wolfsbeauftragte, ein Wolfsberatungszentrum und eine internationale Wolfskonferenz in Wolfsburg (!) genügen nicht, in Hannover hat man sogar einen überflüssigen „Wolfskrankenwagen“ für 10.000 Euro angeschafft, auf Kosten des Steuerzahlers.

Dabei ist der Schädling Wolf im 19. Jahrhundert in Deutschland aus guten, rationalen Gründen ausgerottet worden, was die heutige Bio-Romantik, in nationales und EU-Recht gegossen, zunichte macht. Nicht nur für Nutztiere, auch für den Menschen ist der Wolf so ungefährlich nicht, wie es die rosaroten Schilderungen der Bestienverehrer glauben machen wollen. Letztes Jahr musste ein namentlich bekannter Problemwolf per Ausnahmegenehmigung erlegt werden, nachdem er sich Menschen gefährlich genähert und einen Hund verletzt hatte. Gehört es nicht zu den zivilisatorischen Fortschritten in diesem Teil der Welt, sich angstfrei durch Flora und Fauna bewegen zu können – anders als unsere Ahnen? Aber all das ficht die ‚Tierfreunde‘ nicht an. Schon der Hinweis, dass die Tötung eines Wolfes erforderlich sein kann, hat dem Leiter eines Wolfscenters, also sogar einem engagierten Raubtiernarren, „hasserfüllte“ Reaktionen eingebracht.

Dabei bringt selbst die fundamentalistische Tierrechtsorganisation Peta Tiere um, nämlich eine Vielzahl von nach ihren Angaben unheilbar kranken. Damit gestehen die extremen Aktivisten immerhin implizit ein, dass menschliche Eingriffe ins Tierleben legitim sein können. Dass Tiernutzer wesentlich mehr Tieren ein zumeist deutlich längeres Leben ermöglichen, ignorieren sie aber beharrlich.

Die Verkitschung der freien Wildbahn

Und oft auch ein gutes Leben. Wenn immer mehr Städte versuchen, Wildtierverbote für Zirkusse auszusprechen, da die Tiere dort nicht ‚artgerecht‘ gehalten würden, romantisieren sie die freie Wildbahn. Das Aktionsbündnis „Tiere gehören zum Zirkus“ merkt zutreffend an: „In Wirklichkeit wird das Wohlbefinden frei lebender Tiere nicht selten durch Konkurrenten, Fressfeinde, Hunger, Durst, Krankheiten und viele andere Widrigkeiten eingeschränkt. […] Das Leben der Tiere in der freien Natur kann man in etwa mit dem Leben der Menschen in der Steinzeit vergleichen. Die Tiere im Circus genießen die Annehmlichkeiten eines Lebens in Menschenobhut genau so, wie wir die Errungenschaften der Zivilisation genießen.“ (6)

Gerade diesen Errungenschaften aber – dem Ast, auf dem wir sitzen – wollen Ökologisten und neue Linke mit der Kettensäge zu Leibe rücken, wie wir an der Abwertung von Massenkonsum, Wirtschaftswachstum, Ressourcengebrauch und technischem Fortschritt merken. Wenn ein Tierrechtler sich tierisch darüber aufregt, dass Zirkustiere „zu widernatürlichstem Verhalten genötigt“ würden (7) – ein Vokabular, das zum Beispiel auch religiöse Homosexualitätsgegner benutzen –, passt das ins Bild. Natürliche Beschränkungen sind alles, menschliche Kulturleistungen zählen nichts in deren Denken.

Ohne Tiernutzung wäre die Zivilisation allerdings nicht annähernd so weit, über so etwas überhaupt diskutieren zu können. „Hätten sich unserer Vorfahren für eine überwiegend pflanzliche Lebensweise entschieden, säßen wir immer noch auf den Bäumen“ (8) und der Computer, in dessen Tastatur die vegane Tierrechtlerin ihre Zeigefinger schwingenden Pamphlete einhämmert, wurde mittels Knochenleim aus Schlachtabfällen gebaut. Mensch und Nutztier – eine Erfolgsgeschichte und Voraussetzung für eine noch bessere Zukunft.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Novo. Christoph Lövenich ist Novo-Redakteur und wohnt in Bonn.

Anmerkungen:

1. „Elefant im Porzellanladen“, Verstehen Sie Spaß?, Youtube, Upload 19.08.2011, Kommentar von DerKanal.                                                                                                                                         2. Im touristischen Zentrum Berlins steht deren Einsatz vor einem Verbot, siehe Christoph Stollowsky: „Rot-Rot-Grün will Kutschen aus Innenstadt verbannen“, Der Tagesspiegel online, 12.11.2016.
3. Rainer Brämer: „Das Bambi-Syndrom. Naturverklärung als Naturentfremdung“, natursoziologie.de, 1998, S. 2f.
4. Daniel Jütte: „Die Entstehung und die Auswirkungen des nationalsozialistischen Reichstierschutzgesetzes von 1933“, Berichte des Institutes für Didaktik der Biologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, 2002, S. 174. repositorium.uni-muenster.de.
5. Christoph Lövenich: „Die Wacht am Rhein. Bonner Verbandsporträts (28): Tierschutz“ in: Schnüss 2017/04, S. 10. issuu.com.
6. „Widerlegung der häufigsten Argumente der Circusgegner“, Aktionsbündnis „Tiere gehören zum Circus“ online. tiere-gehoeren-zum-circus.de
7. „10 Jahre Tierschutz im Grundgesetz“, Humanistischer Pressedienst online, 01.08.2012. hpd.de
8. Udo Pollmer et al.: „Don’t go veggie“, Hirzel 2015, S. 210.

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Wilfried Cremer / 26.08.2017

Die Vertierung des Menschen ist der letzte Versuch des Materialismus unter dem Motto Determinismus statt Verantwortung.

Ulla Smielowski / 26.08.2017

Kleiner Hinweis zum Wolfskrankenwagen der Region Hannover… In der HAZ stand ganz offiziell, das nicht nur dieses Gefährt angeschafft worden sei, sondern auch 2 hauptamtliche Stellen eingerichtet worden seien. Das empfand ich dann doch als puren Luxus. In Hannovers Eilenriede wurde systematisch der Wald “ausgedünnt” und den Hannoveranern als Brennholz für den Kamin verkauft. Einige Stellen sind so licht, das man kaum von einem Wald sprechen kann, z.B. Region Kleefeld.  In den tieferen Wald gehen die wenigsten hier. So werden sich einige Hannoveraner sicherlich wundern, wenn sie erfahren der Wald sei abgeholzt. Es wird nicht nachgepflanzt. In der Süddeutschen Zeitung, vor ein paar Jahren, stand darüber ein Artikel… In der hiesigen HAZ habe ich darüber nie etwas gefunden.. Oft habe ich den Eindruck die HAZ bekommt Schweigegeld.

Roland Stolla-Besta / 26.08.2017

Ich wette, auch die militantesten Tierschützer (Petaisten) würden ihre Filzläuse gnadenlos bekämpfen. Na ja, die sind ja auch nicht so herzig wie etwa Robbenbabies.

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