Im „Newsletter des Deutschen Bundestages“, der werktäglich erscheint und über „Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen“ informiert, ging es letzten Mittwoch u.a. um „deutsch-italienische Erinnerungsprojekte“, „Demonstrationen von Russlanddeutschen“ als Reaktion auf eine angebliche Vergewaltigung eines 13jährigen Mädchens durch Migranten und den Bau eines neuen „Sarkophags“ um den havarierten Atom-Reaktor in Tschernobyl als „Voraussetzung für den Rückbau des alten Sarkophags“.
Es waren Antworten der Bundesregierung bzw. einzelner Ministerien auf sogenannte „Kleine Anfragen“ verschiedener Fraktionen, die nicht im Plenum beraten, sondern schriftlich beantwortet werden, meistens kurz und bündig.
Eine Stellungnahme, verfasst vom Auswärtigen Amt, fiel ausführlicher aus als die anderen. Die Fraktion der Linkspartei wollte von der Bundesregierung wissen, was diese von einem „Änderungsentwurf zum israelischen NGO-Transparenzgesetz“ halten würde, mit dem in Israel tätige „Nichtregierungsorganisationen, die mehr als die Hälfte ihres Budgets durch ausländische Fördermittel erhalten“, verpflichtet werden sollten, ihre „Finanzierungsquellen“ offen zu legen. Auf den ersten Blick keine spektakuläre Maßnahme. Jeder israelische Bürger, der Einnahmen aus dem Ausland bezieht, muss diese gegenüber dem Finanzamt deklarieren. Das ist auch in Deutschland nicht anders.
Warum sollten ausgerechnet fremdfinanzierte israelische NGOs von dieser Regel ausgenommen bleiben? Weil aber etliche dieser israelischen NGOs „Partnerorganisationen der deutschen politischen Stiftungen, kirchlicher Träger und des Zivilen Friedensdienstes“ sind, also ihr Geld aus Deutschland bekommen, scheint es sich bei dem „israelischen NGO-Transparenzgesetz“ um eine im weitesten Sinne innerdeutsche Angelegenheit zu handeln. Dementsprechend teilte das Auswärtige Amt der Fraktion der Linkspartei mit, die Bundesregierung betrachte den „Änderungsentwurf“ zum israelischen NGO-Transparenzgesetz „als kritisch“.
Märchenstunde für Blinde und Taube
Aber das war noch nicht alles, was das Auswärtige Amt im Namen der Bundesregierung die Fraktion der Linkspartei wissen ließ, deren Rosa-Luxemburg-Stiftung ebenfalls eine Vertretung in Israel unterhält und die Aktivitäten „regierungskritischer“ Organisationen fördert. „Die derzeitige Gewaltwelle in Israel und Palästina“, so das AA, sei kein „organisierter Aufstand“. Es handele sich „meist um spontane Einzeltaten palästinensischer Jugendlicher“. Die „hauptsächlichen Beweggründe für die Gewalttaten“ seien „politische Perspektivlosigkeit sowie fehlende Entwicklungsaussichten einhergehend mit der Mobilisierung in sozialen Netzwerken“.
Interessant. Wenn also ein palästinensischer Jugendlicher zu einem Küchenmesser greift und damit einen Israeli ersticht, dann geschieht das „spontan“; und wenn es mehrmals die Woche, manchmal sogar täglich passiert, dann sind es lauter „Einzeltaten“. So gesehen könnte man auch die Reaktionen der israelischen Polizei und des Militärs als „spontane Einzeltaten“ klassifizieren, denn die Polizisten und die Soldaten stehen ja nicht morgens mit dem Vorsatz auf, einen Palästinenser umzubringen. Und sie rotten sich auch nicht zu diesem Zweck zusammen.
Das deutsche Auswärtige Amt übernimmt damit die offizielle Position der PLO - und vor allem der Fatah -, die mit den Taten, die sie zum „legitimen Widerstand“ erklärt, nichts zu tun haben will und die „Einzeltäter“ nach ihrem Ableben zu Helden und Märtyrern erklärt. Folgt man dem AA, sind die „Bewegründe für die Gewalttaten“ die gleichen wie in den französischen Banlieues und den deutschen „sozialen Brennpunkten“: Politische Perspektivlosigkeit sowie fehlende Entwicklungsaussichten plus facebook und twitter. Offenbar geben auch im Auswärtigen Amt die Sozialarbeiter den Ton an.
Das Auswärtige Amt Seit an Seit mit der PLO
Natürlich wäre es humaner, wenn die israelischen Sicherheitskräfte nicht eingreifen und die Messerstecher gewähren lassen würden. Weil sie ja die Opfer ihrer Lebensumstände sind, die in die Verantwortung der Israelis fallen. Leider ist die Bereitschaft, sich widerstandslos umbringen zu lassen, in Israel nicht so weit verbreitet, wie das früher in der jüdischen Community in Europa der Fall war. Den Israelis scheint es auch egal zu sein, dass die historische Bestimmung der Juden darin liegt, Opfer zu sein und sich betrauern zu lassen. Eine längere Lebenserwartung ist ihnen offenbar wichtiger als ein weiteres Mahnmal zur Erinnerung an ihre letzten Stunden.
Dahinter steckt aber noch etwas – die uralte Überzeugung, dass die Juden selber schuld sind, was ihnen geschieht. Der Antisemitismus hat sich immer als eine defensive Haltung verstanden, die Antisemiten haben sich immer nur gegen die Juden zur Wehr gesetzt, wenn nötig auch präventiv. Die Nazis glaubten fest daran, dass es die Juden waren, die dem Deutschen Reich den Krieg erklärt hatten. Und dass sie, um Deutschland zu retten, die Juden aus der Welt schaffen mussten.
Noch zur Zeit des Zweiten Golfkrieges, Anfang 1991, nachdem der Irak Kuweit annektiert hatte und irakische Scud-Raketen Ziele in Tel Aviv anflogen, meinte der damalige Sprecher der Grünen, Hans Christian Ströbele, die irakischen Angriffe auf Israel seien "die logische, fast zwingende Konsequenz der israelischen Politik den Palästinensern und den arabischen Staaten gegenüber". Ströbele hat sich später von dieser Auffassung distanziert, aber sie lebt weiter und ist in einem Land besonders populär, in dem der islamische Fanatismus als Reaktion auf die unzureichende Willkommenskultur und die Ausgrenzung der Muslime verstanden wird.
Mal schauen, was morgen im Newsletter des Bundestages stehen wird. Es könnte eine Stellungnahme der Bundesregierung zur „politischen Perspektivlosigkeit sowie fehlenden Entwicklungsaussichten“ in Sachsen sein, einhergehend mit Alkohol und Drogenkonsum.
Das würde dann einiges erklären.