Henryk M. Broder / 22.11.2017 / 14:30 / 17 / Seite ausdrucken

Bedeutende Denkerinnen und Denker des 21. Jahrhunderts – Jürgen Todenhöfer

Besser spät als nie. Jetzt ist auch der ehemalige Burda-Manager und jetzige Herausgeber des Freitag, Jürgen Todenhöfer, aufgewacht und hat ein Statement zu Karl Lagerfeld abgegeben. Das liest sich so:

Lieber Herr Lagerfeld, Ihre TV-Äußerung, man könne nicht erst Millionen Juden töten und dann Millionen ihrer schlimmsten Feinde nach Deutschland holen, ist rassistische Volksverhetzung. Sie stellen muslimische Flüchtlinge auf die gleiche Stufe wie nationalsozialistische Judenmörder. Und diffamieren sie als Antisemiten. Das ist bösartig und ignorant.

Viele Muslime des Mittleren Ostens haben in der Tat ein Problem mit der Politik Israels. Aber nicht mit Juden; sie machen da einen Riesenunterschied. Viele sind mit Juden befreundet. Sogar im Iran! Wer das nicht weiß, hat von der muslimischen Welt keine Ahnung. Und sollte schweigen. Ihr JT

Nicht ohne Grund gilt Todenhöfer als ein großer Kenner und Bewunderer der arabisch-muslimischen Kultur, deren Gastfreundschaft, Güte, Herzlichkeit und Vielfalt zu loben er nie müde wird. Er liegt auch mit seiner Kritik an Lagerfeld vollkommen richtig. Muslimische Flüchtlinge, die aus dem Irak und Syrien nach Deutschland kommen, weil es in der Umgebung von Syrien und dem Irak kein arabisch-muslimisches Land gibt, das sie aufnehmen könnte, als "Antisemiten" zu diffamieren, ist "rassistische Volksverhetzung", "bösartig und ignorant".

Wenn es etwas gibt, das die muslimischen Flüchtlinge nach Deutschland mitbringen, dann ist es die Liebe zu den Juden, die sie mit der Muttermilch aufnehmen. Einstein, Freud und Moshe Dayan sind die "role models" der jungen Muslime, und wenn man sie fragt, was sie später mal werden möchten, dann antworten die meisten: Ein Jude! Die Liebe zu den Juden ist eine der Säulen der arabisch-muslimischen Kultur, ebenso wie die Gleichstellung der Frauen, die Toleranz gegenüber sexuellen Minderheiten und die gute Behandlung der Haustiere.

Der "Mufti von Jerusalem" war der Opa von Woody Allen

Es ist eben nicht wahr, dass es im Islam eine judenfeindliche Tradition gibt. Wer das behauptet, der ist entweder islamophob oder er hat noch nie eine Zeile von Todenhöfer gelesen. Es war nicht der Mufti von Jerusalem, Mohammed Amin al-Husseini, der Hitlers Gastfreundschaft genoss und dessen Abneigung gegen die Juden er teilte, es war der Opa von Woody Allen, der sich als Mohammed Amin al-Husseini verkleidet hatte, um Hitler reinzulegen. Das Pogrom an den Juden von Hebron im Jahre 1929 hat es nie gegeben, und der 14jährige Junge, der vor kurzem an einer Berliner Gemeinschaftsschule, die dem Netzwerk "Schule ohne Rassismus“ angehört, gemobbt wurde, war kein Jude, sondern ein Jugoslawe und schlimmstenfalls Opfer einer Verwechslung. 

Und es stimmt: Die Muslime im Nahen und Mittleren Osten haben kein Problem mit Juden, sondern nur mit der Politik Israels. Jeder Fellache im Nil-Delta, jeder Bauer im Irak und in Syrien, der nicht weiß, wie er seine Familie ernähren soll, wacht jeden Morgen mit dem Gedanken auf: "Diese verdammten Israelis!" und eilt dann sofort zu seinen jüdischen Nachbarn, um mit ihnen eine Tasse heißen, schwarzen und ungesüssten Kaffee zu trinken. Auf die jüdisch-muslimische Freundschaft!

Besonders judenfreundlich sind die Iraner, die ihre jüdischen Nachbarn zu den Paraden mitnehmen, auf denen "Death to Israel!" gerufen wird. Das ist legitime Israel-Kritik und hat mit Judenhass nichts zu tun. Und wenn auf einer Anti-Israel-Demo in Berlin "Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein!" gerufen wird, dann ist das eher Folklore als Antisemitismus.

Lagerfeld arbeitet in einer Branche, die früher von Juden dominiert wurde. Schon deswegen kann er nicht objektiv sein. Todenhöfer kann das. Und deswegen hat er das Richtige getan, als er Lagerfeld zurechtwies. Und gleich nachgelegt:

Was die Äußerungen Lagerfelds so schlimm macht, ist: Es waren keine Muslime, die 6 Millionen Juden ermordet haben, sondern deutsche „Christen“. Muslimische Flüchtlinge mit diesen Massenmördern zu vergleichen, ist an Schamlosigkeit nicht zu überbieten.

Ja, wir lassen uns unseren Holocaust nicht nehmen! Schon gar nicht von irgendwelchen Flüchtlingen, die nicht einmal "Mein Kampf" gelesen haben! Und sechs Millionen ist die Benchmark für Antisemitismus. Alles drunter sind Petitessen.

Und Todenhöfer hat die Juden lieb. Vor allem die 6 Millionen, die schon tot sind.

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Leserpost

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Hartfried Ackermann / 23.11.2017

Aus tiefstem Herzen danke für diesen Artikel :)

Wolfgang Richter / 23.11.2017

Sehr geehrter Herr Broder, treffsicher auf den Punkt gebracht, und im Gegensatz zu einigen Ihrer Schriften mal wieder in dem Ihnen eigenen Stil, der Sie von anderen lebhaft unterscheidet. Im übrigen mögen nicht nur Islamgläubige Juden nicht, sondern auch Inder, die sich als zur historisch begündeten und von ihnen bis in Urzeiten zurück verfolgten Volksgruppe der “richtigen” Arier zählen. Dies wurde mir anläßlich einer Reise brühwarm unterbreitet, als einer entsprechenden Reisebekanntschaft klar wurde, daß er es mit einem “Deutschen” zu tun hat. Gegen seine Lobhuddeleien auf “Adolfs” Regentschaft ist jede NPD-Parteitags- rede Kindergeburtstag.

Michael Witzany / 22.11.2017

Lieber Herr Broder, schon seit geraumer Zeit lese ich Ihre Artikel in der ‘Welt’ und ab und an eins Ihrer Bücher. Es ist immer wieder erfrischend Ihre Ausführungen zu lesen. Leider gibt es sehr wenige Journalisten wie Sie, was ich persönlich sehr bedaure. Hätten unsre Bundeskanzlerin und Ihre Umgebung einiges davon verstanden oder wenigstens gelesen, hätten Sie sich wahrscheinlich das Jamaika -Schlamassel nicht antun müssen. Frau Merkel aber schafft das schon. Nun ist es gut so, daß uns Herr Lindner die ‘Grüne Roth’ erspart hat. Schreiben Sie bitte weiter gegen den gutmenschlichen Mainstream, damit ich etwas intellektuelle Freude verspüre. Ihr Fan Michael Witzany P.S. Herr Lagerfeld hat Recht!

Mathias Bieler / 22.11.2017

Sehr geehrter Herr Broder, Herr Todenhöfer weiss sicherlich auch (nicht), dass bei diversen WM-, EM-Qualifikationen in Fussball, Basketball etc. israelischen Sportler lieber in Europa teilnehmen, als von der arabisch- muslimischen Gastfreundschaft erschlagen zu werden. Erinnert sei an den Judoka Arash Miresmaeili, der den Kampf gegen einen israelischen Sportler verweigerte und für diese Entscheidung in seinem Heimatland fürstlich belohnt wurde.Auch die Fussballprofis Ashkan Dejagah und Vahid Hashemian hatten vor vielen Jahren “Gründe” nicht ihre Güte, Herzlichkeit und Vielfalt nach Israel zu tragen.Vielleicht sollte Herr Todenhöfer den drei Männern noch nachträglich die Ohren lang ziehen.

Peter Pertz / 22.11.2017

Sehr sarkastisch und gut geschrieben. Wie ich es liebe Herr Broder. Was “Mein Kampf” betrifft, alle Moslems die ich kenne Lieben das Buch und sehen Hitler als Vorbild. Es ist erschreckend aber anscheinend kenne ich die falschen Moslems und Herr Todenhöfer die wahren.

Peter Midasch / 22.11.2017

Grandios, Herr Broder! Vielen Dank für Ihren wunderschönen Kommentar. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Rüdiger Barasch / 22.11.2017

Sehr geehrter Meister Broder, Mit der Ihnen eigenen Portion an selbstironischer Witzigkeit titulieren Sie sich als “Lobbyjude.”. Ich mag aus diesem Grund die meisten Ihrer Beiträge und nehme auch Ihre Eitelkeiten belustigt nachsichtig zur Kenntnis. Sie erscheinen mir oft als Würze. Die höhnischen Töne, die Sie allerdings heute anschlagen, sind meiner Ansicht nicht durch das von mir geschätzte ” auf die Schippe nehmen” gedeckt. Höhnischkeit ödet! Leichtigkeit geht flöten! Auch Lobbyjuden ohne Anführugsstrichen, die sich wie alle anderen dito tummeln, nerven. Weder Lagerfeld noch Todenhöfer sind mir bisher als Geistesriesen von Belang uffjefallen. Tand de bruit pour une Omelette! Grüzzi aus Berlinowitsch . Ihr Barasch

Evelyn Puhlst / 22.11.2017

Herr Broder, für Ihren spöttischen und beißenden Kommentar zum unsäglichen,  unerträglichen Jürgen Todenhöder möchte ich Sie umarmen.

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