Dirk Maxeiner / 20.04.2018 / 06:29 / 13 / Seite ausdrucken

Auswärtiges Amt: Der Schimmelreiter erzählt vom Pferd

Die Achse des Guten hat am Mittwoch über dubiose Praktiken des Staatssekretärs im auswärtigen Amt Walter Lindner („Im Auswärtigen Amt brennt das Klavier“) berichtet. Nach einer Prüfung des Bundesrechnungshofes wirft dieser dem Selbstdarsteller und Freizeit-Pianisten Lindner vor, in seiner Zeit als Botschafter in Südafrika einen merkwürdigen „Flügeltausch“ arrangiert zu haben. Gleichsam über Nacht wurde nach Lindners Dienstantritt  für die Botschaft ein neuer Konzertflügel im Wert von über 52.000 Euro angeschafft, obwohl der vorhandene Schimmel-Flügel keinerlei Grund zur Beanstandung gab. Für dessen zufriedenstellende Funktionstüchtigkeit spricht auch, dass Lindner das ausgemusterte noble Musikinstrument sogleich für den Schnäppchenpreis von 3.600 Euro privat erworben hat, was sprachlich als „Aussonderung gegen Höchstgebot“ umschrieben wurde. 

Die Achse des Guten richtete in diesem Zusammenhang folgende Fragen an das Auswärtige Amt: 

Trifft es zu, dass Staatssekretär Walter Lindner in seiner Zeit als Südafrikanischer Botschafter im Jahr 2015 einen Konzertflügel der Botschaft in Pretoria im Rahmen eines Aussonderungsverfahrens privat erworben hat? 

Trifft es zu, dass die dabei waltenden Umstände vom Bundesrechnungshof in ihrer Rechtmäßigkeit angezweifelt wurden? 

Trifft es zu, dass eine Untersuchung hinsichtlich disziplinar- und schadensrechtlicher Aspekte vom Bundesrechnungshof für erforderlich gehalten wurde? 

Wurde eine solche Untersuchung eingeleitet und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Inzwischen liegt die Antwort des Auswärtigen Amtes „unter 2, zitierfähig“ vor: 

„Zurzeit gibt es eine laufende Bundesrechnungshofprüfung der Auslandsvertretungen in Südafrika. Das Auswärtige Amt hat in der letzten Woche seine Stellungnahme zu einer vorläufigen Prüfungsmitteilung übersandt. In dieser Stellungnahme wurden noch offenen Fragen beantwortet, Vorwürfe entkräftet sowie die Rechtmäßigkeit des tatsächlichen Verwaltungsvorgangs der Beschaffung eines neuen und der Veräußerung des bisherigen Flügels in der Residenz in Pretoria dargestellt. Erst am Ende des kontradiktorischen Verfahrens wird die Prüfung durch eine abschließende Prüfungsmitteilung abgeschlossen. Bis zum Abschluss der Prüfung durch den Bundesrechnungshof, nimmt das Auswärtige Amt zu spezifischen Inhalten der Prüfung, wie üblich in laufenden Verfahren, keine Stellung.“

Diese Antwort lässt sich in einfacher Sprache so zusammenfassen: Der Bundesrechnungshof erhebt tatsächlich die im Beitrag „Im Auswärtigen Amt brennt das Klavier“ geschilderten Vorwürfe. Staatssekretär Walter Lindner bezeichnet den obskuren Erwerb offenbar als „rechtmäßig“, was auch immer er darunter versteht.

Abstreiten, Zeit gewinnen, Nebelkerzen werfen

Wir befinden uns damit in der üblichen zweiten Phase solcher Affären: Abstreiten, Zeit gewinnen, Nebelkerzen werfen. In der Umgebung des Auswärtigen Amtes heißt es inzwischen, „Flügelgate" sei nur die „Spitze des Eisberges“. Der vorliegende Bericht des Bundesrechnungshofes umfasst immerhin 42 Seiten, und darin geht es nicht nur um Musikalisches, sondern auch um so interessante Dinge wie „Kauf eines Grundstückes", „Unzulängliche Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen", „Nutzung/Unterhaltskosten der Residenz in Kapstadt." Da kann schon mal was aus dem Ruder laufen, so wie hier.

Kenner des Außenamtes können sich nur noch wundern, auch über einen Vorgang, der in Berlin und nicht in Südafrika stattfand. Dort muss der rechtschaffene Beamte oder Mitarbeiter normalerweise schon für die Beschaffung neuen Bürobedarfs mit einer wochen- oder gar monatelangen Genehmigungsprozedur rechnen. Die Tatsache, dass der überflüssige Kauf eines über 52.000 Euro teuren Konzertflügels innerhalb von 24 Stunden genehmigt wurde, spricht deshalb für außerordentlich gute Beziehungen von Walter Lindner zur mächtigen „Zentralabteilung“ in Berlin. 

Und diese guten Beziehungen gibt es tatsächlich. Wolfgang Dold, der Leiter der „Zentralabteilung“, drückte mit Walter Lindner die Schulbank auf der Diplomatenschule. Die beiden Klassenkameraden gelten als gut geöltes Gespann, das in gegenseitiger Zuneigung eine beeindruckende Bilder- beziehungsweise Parteibuchkarriere gemacht hat. „Die glauben sich alles erlauben zu können – und bisher war das auch so“, kommentiert ein Kenner der Verhältnisse.

Ob der Bundesrechnungshof sich von der genannten „Rechtmäßigkeit“ des Vorgehens der AA-Seilschaft überzeugen lässt, bleibt abzuwarten. Auf den Korruptionsbeauftragten des Auswärtigen Amtes sollte man dabei allerdings nicht vertrauen. In der Rolle des AA-Korruptionsbekämpfers brilliert nämlich seit letztem Jahr Walter Lindner. Im vergangenen Dezember ließ er es sich nicht nehmen, alle Mitarbeiter anlässlich des „Welt-Korruptionstages“ (9. Dezember) auf die „wachsende Bedeutung von Korruptionsprävention“ und „Sensibilisierungsveranstaltungen“ aufmerksam zu machen, man solle „mit gutem Beispiel voran gehen“, etwa „in Ländern mit ausgeprägter Geschenkkultur“ (das Verhalten von Lindner lässt diese Empfehlung in einem völlig neuen Licht erscheinen).

Besonders gut ist ihm in seinem Mahnschreiben an die AA-Mitarbeiter aber die folgende Passage gelungen:

„Nicht alles, was rechtlich zulässig ist, ist auch ethisch vertretbar. Bedenken Sie deshalb im Arbeitsalltag bitte auch stets, wie ein Vorgang nach außen wirken kann. In Zweifelsfragen sollten Sie sich bitte an den Beauftragten für Korruptionsprävention wenden.“

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Tom Hess / 20.04.2018

Ich verstehe sowieso nicht, wie es möglich ist, dass Mitarbeiter so kaufen können. Die Bundesrepublik hat verschiedene Verwertungsgesellschaften wie die Vebeg, der Zoll, die Bahn (hat extra ein Unternehmen gegründet), Finanzämter. Alle haben Ausschreibungen. Und ich weiß, dass hier (ich lebe in Südostasien) Botschaften auch Anzeigen schalten und ihren Bestand an Fahrzeugen und anderer Güter für Ausschreibungen mit Höchstgebot anbieten.

Alexander Brandenburg / 20.04.2018

Der Fisch stinkt zuerst am Kopf! Angela Merkel macht es ja jedem Beamten vor, wie ernst man gesetzliche Bestimmungen nehmen muss und wie dehnbar, ja bis zum Gegenteil interpretierbar solche Gesetze und Bestimmungen sind. Die Prüfer wissen genau, wie geprüft werden muss, damit am Ende alles rechtens ist. Das Schwert des Gesetzes ist nicht nur stumpf, sondern bleibt mittlerweile gleich im Futteral. Die Derangierung der Selbstkontrolle und Moral bis hin zur bewussten Selbstbereicherung ist weit fortgeschritten und entspricht dem Verfall bisher geltender Normen und Standards. Welche Auswüchse der Polit-Elite hat es da schon gegeben: Füllhalter, 365 Tage im Diensteinsatz, Abrechnung von Flugmeilen, Limousinen für alle, Doppelmandate etc. Was soll denn da schon ein Flügel bedeuten, wenn nur Mister Clever Klavier spielen kann?

Eva-Maria von Hauff / 20.04.2018

Beim Genuss des Videoclips sträubt sich mir der Rotstift. Der Herr Botschafter schafft es, in dieser kurzen Sequenz zu demostrieren, dass gehorkeltes Englisch ihn anscheinend ausreichend qualifiziert. Nicht einmal seinen eigenen Titel “German ambassador to South Africa” kennt er richtig. Die anderen Klopper kann der geneigte Zuschauer selbst herausfinden.

Pavel Mensik / 20.04.2018

Diese abgehobene Kaste der im diplomatischen Dienst Beschaeftigten lebt in ihrer eigenen realitaetsfremden Welt und wenn die steuerzahlenden Buerger wuessten, wie dort mit dem vom Finanzamt kompromisslos eingetriebenen Geldern umgegangen wird, gaebe es entweder eine Revolution oder fassungsloses Staunen. Die Leute bleiben unter sich…stramme Parteisoldaten helfen im Stil der Vetternwirtschaft untereinander beim Postenschachern und diese heile und ueppig ausgestatte Welt bekommen nur Guenstlinge oder Verwandte zu sehen. Aber so ist es nun einmal und so wird es auch bleiben…Ich sehe keine Moeglichkeit dieses Systém zu aendern oder ab zu schaffen…Ergo bleibt alles beim Alten!

Werner Arning / 20.04.2018

Was der Bürger nie vergessen darf, ist die Tatsache, dass der Staat nur ein Verwalter SEINES, des Bürgers Geldes ist. Der Bürger zahlt mehr oder weniger freiwillig in eine gemeinsame Kasse ein. Dieses Geld wird von Angestellten des Staates ausgegeben. Dieses soll im Sinne und im Interesse des Bürgers geschehen. Alles andere wäre Zweckentfremdung. Der Bürger muss das Geschehen deshalb überwachen, aufmerksam sein. Er ist der Souverän. Der Staat dient dem Bürger. Die regierenden Politiker sind des Bürgers Angestellte. Sie sind dem Bürger Rechenschaft schuldig. Und wenn ein Politiker mit Geldern unsachgemäß umgeht, muss er dieses erklären. So ist es in der Theorie. Aber nichtsdestotrotz gilt diese Theorie. Ob es sich um Milliarden handelt oder um einige Zehntausend, der Bürger sollte, im eigenen Interesse und berechtigterweise sofort auf Fehlentwicklungen hinweisen und ihre Beendigung bis Wiedergutmachung verlangen. Auf Fehlentwicklungen hinzuweisen, gehört zu den Aufgaben des Journalismus. Ein Lob für die Achse.

Archi W. Bechlenberg / 20.04.2018

“Ein Klavier, ein Klavier!” will man mit Loriot ausrufen, aber das Besagte war, so weit ich mich erinnere, rechtmäßig erworben.

Uta Buhr / 20.04.2018

Na, dann ist ja alles klar! Wer von den niederen Beamten einen neuen Kugelschreiber oder gar ein Radiergummi benötigt, braucht hierfür die Genehmigung von oben und muss zuvor mindestens ein Formular ausfüllen. In kleinen Dingen ist man in dieser Bananenrepublik eben ganz korrekt. Da denkt man doch in jeder Minute an das Geld des Steuerzahlers, das von den “hart arbeitenden Menschen in diesem Land” aufgebracht werden muss. Aber bei Beträgen von 50.000 Euro und mehr für die elementaren Bedürfnisse eines hohen Beamten verbietet es sich ganz von selbst, so pingelig zu sein. Gönnen wir dem Schimmelreiter doch sein bescheidenes Plaisir, das er zur Ausübung seiner ach so aufreibenden Tätigkeit nun mal braucht. Ironie aus. Die Chuzpe dieses “Herrn” ist kaum noch zu überbieten. Und so einer spielt sich zu allem Überfluss als Korruptionsbekämpfer auf. Aber Lindner wird sicherlich unbeschadet aus dieser Affäre hervorgehen. Oder erwartet irgend jemand etwas anderes? Quod licet Jovi, non licet bovi! Die ollen Römer wussten schon vor über 2000 Jahren, wie der Hase läuft.

Svenja Gerwing / 20.04.2018

Das kann man denn wohl als den Sozen-Ethos im Jahre 2018 bezeichnen!

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