Richard Wagner / 10.01.2012 / 09:38 / 0 / Seite ausdrucken

Aus den Wulff-Lektionen

Jetzt, auch das noch: Darf die Präsidenten- Gattin Bettina Wulff Leihgaben von Luxus-Labels annehmen? Man traut seinen Augen und Ohren nicht, so umfragentauglich war ein Thema schon lange nicht mehr. Alles Kopfzerbrechen, das die Medien in der letzten Zeit aufzubieten hatten, ob nun Finanzkrise oder Euro- Kurs, Anarchie der Märkte oder Interventionspathos, es ging nichts ohne Fachwort und Fachsimpelei.

Mit dem Kredit-Skandal im Haus Wulff kam die Finanzdebatte zu ihrem menschlichen Antlitz. Seither kann der Bürger in der Fußgängerzone wieder arglos mitreden. Er kann seine Meinung in der Sache äußern, ohne sich als Dilettant aufführen zu müssen.

Damit wurden alle Aspekte des Themas plötzlich moralisch beschreibbar und jede Ansicht dazu war ebenso zu begründen. Das aber kann zu allem und nichts führen, spätestens dann,, wenn es heißt: Brauchen wir überhaupt einen Bundespräsidenten?

Das ist nämlich eine ganz und gar überflüssige Frage, sie hat einzig und allein den Vorteil, von jedem beantwortet werden zu können, ohne sich dabei blamieren zu müssen. Wulff ist nicht mehr als Wulff, er ist es nicht mehr, als die Bank eine Bank ist, und der Bürger ein Bürger.

Der Bundespräsident als solcher, und damit auch als dieser verkörpert nicht etwa die Bundesrepublik, er symbolisiert sie vielmehr, wie der Reserveoffizier, der die Parade abnimmt. Es ist, ganz allgemein betrachtet, das republikanische Dilemma schlechthin. Man ist am Endpunkt eines Machtmodus angelangt, der vom Absolutismus über die konstitutionelle Monarchie zum Kopfnoten-Parlamentarismus geführt hat. Der Bundespräsident ist in dieser verfügten Aufstellung der Machthabende der fünften Jahreszeit.

Egal, womit man in der Sache beginnt, sie wird immer an der einen und einzigen Stelle enden, um nicht zu sagen, aus dem Tritt kommen. Es ist der zwangsläufige Versuch des Amtsinhabers Machtlosigkeit in Macht zu verwandeln und jener des Souveräns dieses richtungsweisend zu kommentieren. Die Wulffs sind nicht die Ausnahme, sie sind die Regel. Diese aber beruht auf dem Grundgesetz, und das sollte bekanntlich einen Hindenburg verhindern, nicht einen Wulff. Selten ist eine Geschichtslektion aufschlussreicher gewesen.

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