Peter Grimm / 26.03.2017 / 12:30 / 5 / Seite ausdrucken

Aufforderung zur Denunziation von Gewerkschaftsführung abgesagt?

„Mitglieder wegen ihrer politischen Haltung auszuschnüffeln, entspricht dabei nicht dem Selbstverständnis von ver.di und kann und wird für die Organisation niemals handlungsleitend sein“, erklärte der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, am letzten Märzwochenende. Mit dem „dabei“ meint Bsirske den Kampf gegen AfD-Mitglieder und vermeintliche AfD-Sympathisanten. Damit wir ihn nicht falsch interpretieren, lesen wir am besten weiter in der offiziellen Pressemitteilung der ver.di-Führung zu der Aussage des Vorsitzenden, dass Gesinnungsschnüffelei für ihn nicht „handlungsleitend“ sei, was ja nach dem Wortsinn nicht ausschließt, sie dennoch, wenn nötig, zu praktizieren:

Er reagierte damit auf eine sogenannte „Handlungshilfe“ zum Umgang mit Rechtspopulisten, die aus dem ver.di-Landesbezirk Niedersachsen über soziale Medien verbreitet worden war. Eine solche Methode werde in ver.di nicht toleriert.

ver.di erfasse keine Parteimitgliedschaft von Mitgliedern. In den Fällen, in denen sich ver.di-Mitglieder aktiv und offen für die AfD oder andere rechtspopulistische Parteien und Organisationen engagierten, setze ver.di  auf die inhaltliche Auseinandersetzung.

In der „Handlungshilfe“ wurde zusammengefasst, wie die Gewerkschaftsmitglieder „Rechtspopulisten“ in den eigenen Reihen und in der Belegschaft erkennen können und wie gegen sie vorzugehen sei. Dabei geht es in dem Papier nicht nur um AfD-Parteimitglieder oder Menschen, die in einer „anderen rechtspopulistischen oder rassistischen Organisation“ zahlende Mitglieder sind. Es geht um abweichende Gesinnung. Und die Merkmale, an denen man laut „Handlungshilfe“ „Rechtspopulisten“ erkennen kann, enthalten auch Punkte wie „Provokationen gegenüber Linken, Liberalen, Migranten/innen“.

"Ausschluss von gewerkschaftlicher Kommunikation"

Sehr interessant ist aber vor allem, was mit ermittelten Rechtspopulisten geschehen soll.

Unter dem Punkt Was können wir tun? Was ist angemessen? heißt es zuerst:

Die Person/en beobachten: betreiben sie Werbung, diskutieren sie mit den Kollegen/innen über ihre Positionen?

Und was tut man mit denen, die über ihre Meinung offen diskutieren wollen?

Isolierung der Person/en im Betrieb, Ausschluss von gewerkschaftlicher Kommunikation.

Oder:

Outing in betrieblicher/außerbetrieblicher Öffentlichkeit: rechtspopulistisches Engagement der Person bekannt machen und ächten.

Man kann auch auf Unterstützer setzen, denn niemand möchte in den Verdacht geraten, sich mit einem „Rechtspopulisten“ zu solidarisieren. Empfohlen wird:

Ansprache des Arbeitgebers: viele Arbeitgeber wollen keine betrieblichen Konflikte wg. Rechtspopulistischen Engagement und sind bereit zu helfen Vorgehen gegen bestimmte Personen auf Basis gesetzlicher Regelungen: Betriebsverfassungsgesetz, Arbeitsrecht.

Konkret heißt das für die „Rechtspopulisten“:

— keine Aufstellung auf gewerkschaftlichen Listen

— Funktionsverbot

— keine Beteiligung an VL-Arbeit, Betriebsgruppenarbeit

— Ausschlussverfahren.

Ausschlussverfahren müssen die Verfasser und Verbreiter der „Handlungshilfe“ sicher nicht fürchten. Der Vorsitzende Bsirske hat sich zwar distanziert, die Anweisung zur Denunziation ist aus dem Netz verschwunden, doch der Geist, der sie überhaupt möglich gemacht hat, ist im Apparat dennoch weiter lebendig. Zumal Bsirskes Absage an die Gesinnungsschnüffelei letztlich auch der „Handlungsanweisung“ entnommen sein könnte. Dort heißt es nämlich, extra in roter Schrift gesetzt:

Achtung: Aufpassen, dass Rechtspopulisten nicht als Opfer oder Märtyrer wahrgenommen werden!

Der Beitrag erschien zuerst auf Peter Grimms Blog Sichtplatz hier

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Leserpost

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Rudolf Dietze / 26.03.2017

Die Handlungshilfe ist identisch mit meinen Erlebnissen in der DDR Schule im Jahre 1967. Bei einem offenem Forum der oberen Klassen wurde ich als nicht FDJ ler von Direktor Worms vor allen Schülern als derjenige, der nicht zum DDR-Staat steht, bloß gestellt. Es wiederholt sich alles, wenn es um die Macht geht. Freiheit des Denkens hin und her. Es geht um die Macht! Da werden alle Andersdenkenden denunziert, von der Arbeit freigestellt und unterdrückt. Dies wird auch bei manchen Journalisten sichtbar. Die wollen halt auch nicht draußen vor der Tür stehen, also werden sie mit den Wölfen heulen. Was dann im Hintergrund gegen mich unternommen wurde entzieht sich meiner Kenntnis. Ich wurde garantiert beobachtet. Die FDJ ist bis heute die Tür für höchste Staatsämter!

Dietrich Herrmann / 26.03.2017

Gewerkschaft ==> Spitzelschaft, tolle Metamorphose.  Und soooo demokratisch. Und vor allem Volksparteien-konform.

Rudi Knoth / 26.03.2017

Dumm gelaufen kann man da nur sagen. Allerdings ist dieses Dokument nach der Bekanntgabe von dem Server entfernt worden. Es ist diesen Leuten die Peinlichkeit ihres Vorhabens wohl schon bewusst gewesen. Es gibt dann auch die interessante Frage, was man tut, wenn der Cheff selbst in der AfD ist. Denn ein besseres “Standing” hat in einem Betrieb kein Mitarbeiter. Und wie soll man wissen, welche Seiten der Mitarbeiter im Internet aufruft. Ausser der Mitarbeiter ist so unvorsichtig und ruft mit dem Firmen-PC diese Seiten auf. Mal sehen ob dieser Landesverband einen ordentlichen Rüffel bekommt.

Steffen Lindner / 26.03.2017

Als nach dem Wendeherbst 1989 die zunehmende Verstrickung vieler DDR-Bürger in die Machenschaften der Stasi-z.B.als inoffizielle Mitarbeiter-publik wurde , so war aus westdeutscher Sicht oft zu hören, dass man sich doch nie und nimmer für so etwas hergegeben hätte, da man Demokratie und Menschenrechte sozusagen mit der Muttermilch aufgesogen hätte…! Nun, da sich im Land eine linke Gesinnungsdiktatur etabliert hat, kommen auch die Denunzianten im Westen aus ihren Löchern…

Wilfried Cremer / 26.03.2017

Gülen-Sympathisanten aufzuspüren funktioniert wahrscheinlich nach der gleichen Methode. Möglicherweise sind die Ver.di-Tipps Wort für Wort geklaut.

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