Thomas Rietzschel / 25.09.2016 / 14:41 / Foto: Edward Simpson / 6 / Seite ausdrucken

Auf der Schleimspur der Willkommenskultur

Würden wir unsere Pappenheimer nicht kennen, müssten wir uns ernsthaft Sorgen um die Zukunft der deutschen Wirtschaft machen. Denn immerhin war es Ingo Kramer, seines Zeichens Präsident der Deutschen Arbeitgeberverbände e. V., von dem die Passauer Neue Presse vorgestern erfuhr, was dann umgehend auf allen Kanälen verbreitet wurde. "Wenn", offenbarte der Boss der Bosse, "wenn nachhaltig der Eindruck entsteht, dass der Fremdenhass stärker ist als die Willkommenskultur, wird das ein großes Problem. Das könnte unter anderem dazu führen, dass das Image deutscher Produkte leidet und die Investitionsbereitschaft zurückgeht".

Weiß der Mann mehr, als wir uns vorstellen können? Gibt es erste Anzeichen, dass Amerikaner, Chinesen, Russen nicht länger Mercedes und BMW fahren wollen, weil hierzulande Zweifel an der staatlich verordneten "Willkommenskultur" wachsen? Wollen die Saudis keine deutschen Waffen mehr ordern, weil der islamische Dress Code in deutschen Städten und Bädern bei den Einheimischen auf Befremden und Ablehnung stößt? Müssen wir befürchten, dass die Scheichs die Lust daran verlieren, Teilhaber unserer florierenden Autoindustrie zu werden, dass bei den Chinesen das Interesse erlahmt, Flughäfen aufzukaufen, mit denen die Deutschen nichts anzufangen wissen?

Kaufleute sind keine Betschwestern

Unsinn, blanker Unsinn, natürlich. Deutsche Maschinen und Autos, gleich welcher Marke, erfreuen sich internationaler Nachfrage, weil sie besser sind als vieles, was anderswo gefertigt wird, nicht weil die Deutschen eine Kanzlerin haben, die der Welt mit ihrer "Willkommenskultur" etwas vormachen wollte. Kaufleute sind keine Betschwestern. Sie handeln; und wenn sie einander dabei nicht gar zu sehr übers Ohr hauen, ist schon viel gewonnen.

Sicher wäre es zu begrüßen, würden moralische Erwägung bei der wirtschaftlichen Globalisierung eine größere Rolle spielen. Allein, wer möchte daran noch glauben? Ingo Kramer? Du lieber Himmel! Als Unternehmer macht er doch selbst Geschäfte mit Firmen, die nicht gerade da angesiedelt sind, wo die Wahrung die Menschenrechte über alles geht. Da verhält er sich wie der Großteil seiner Vereinsmitglieder, wenn sie sich beispielsweise in China engagieren, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass dort Jahr für Jahr mehr Todesurteile als irgendwo sonst vollstreckt werden.

Die Geschäfte laufen auch so wie geschmiert. Damit sie in Zukunft noch besser laufen, hat der Präsident der Deutschen Arbeitgeberverbände jetzt abermals versucht, sich bei der Bundesregierung lieb Kind zu machen. In der erkennbaren Hoffnung, dass es ihr doch noch gelingen möge, durchzupeitschen, was die Bürger nicht wollen - CETA und vielleicht sogar TTIP irgendwie unter Dach und Fach zu bringen, ist er mit einem Kniefall vor der "Willkommenskultur" auf die Schleimspur von Merkel und Gabriel gekrochen.

Eine Hand wäscht die andere

Allerdings würden wir den Herrschaften zu viel Ehre erweisen, wollten wir nun gleich von einer unheiligen Allianz zwischen Politik und Wirtschaft sprechen. Um ein solches Bündnis offen einzugehen, fehlt beiden Seiten der Mut, vermutlich sogar der Verstand. Da wie dort sind Falschmünzer am Werk. In der Staubwolke, die sie moralisierend aufwirbeln, glauben sie unerkannt miteinander dealen zu können. Eine Hand wäscht die andere bei dieser Kumpanei.

Gefahr ist im Verzug, wenn auch nicht die, die der Boss der Bosse heraufbeschwören wollte. Denn noch immer resultiert "das Image deutscher Produkte" aus dem, was wir mit unserem Wissen, mit Fleiß und fachlicher Fähigkeit zustande bringen, nicht aus der "Willkommenskultur" oder dem Fremdenhass, von dem man draußen in der Welt noch gar nicht so viel mitbekommen haben dürfte, wie das manchem daheim in den politischen Kram passen würde. Um die deutsche Innenpolitik scheren sie sich am Horn von Afrika oder in den USA so wenig wie im aufstrebenden Indien, solange wir nur zuverlässig zu liefern vermögen, pünktlich und in der Qualität, der sich das Ansehen "deutscher Produkte" verdankt. 

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H.-J. Elmlinger / 26.09.2016

Meine Rede . . . . .  (wenn ich das so sagen bzw. mich Ihrer Meinung einfach so anschließen darf). Als ich die Presseerklärung sah und hörte, habe ich mich auch nach den Beweggründen des Herrn Kramers gefragt. Und wo hier wohl der faktische Zusammenhang zwischen Fremdenhass / Willkommenskultur und der Aussenwirkung der deutschen Wirtschaft besteht bzw. bestehen könnte. “Kaufleute sind keine Betschwestern” . . . . .  so ist es. Was letzendlich (immer) zählt ist, wen wundert es, nur die Qualität und Verfügbarkeit. Die Weltanschauung oder gar nationale Interessen des einzelnen Arbeitnehmers, der an der Herstellung eines Produktes mitwirkte, läßt den Käufer kalt. Oder hat schon mal jemand seine Kaufentscheidung davon abhängig gemacht, welche soziale Einstellung der betreffende Arbeitnehmer eines Billiglohnlandes hat, genau dessen Produkt er erwerben will? Wie sollte so eine Differenzierung überhaupt zustande gebracht werden, etwa mit Zertifikaten?? Und für Deutschland . . . . ab welchem %-ualem Anteil von Willkommenskultur-AN sollte denn, nach Herrn Kramer, ein Produkt als politisch verkehrsfähig gelten (dürfen)? Herr Rietzschel, sie haben gekonnt dargelegt, was für ein Windei die These von Herrn Kramer ist. Es zu lesen hat mir sehr gut getan, vielen Dank dafür.

Wyatt Earp / 26.09.2016

wenn die flüchtigen Fachkräfte sich erst mal in den Firmen breit gemacht haben, wirds aber in Zukunft an der Qualität hapern. Dann können sich die Firmen bei der Willkommenskultur bedanken. Die Qualität wird dann so sein wie bei meinem nagelneuen chinesischen Toaster von Tchibo der beim ersten elektischen Kontakt in Flammen und Rauch aufging. Gut dass ich direkt daneben stand sonst wäre die Küche zusammen mit dem Toaster abgefackelt

Yunnus Bülent / 26.09.2016

2015 unterstützten Vertreter der Deutschen Wirtschaft die Bundeskanzlerin bei ihrer folgenreichen, humanitären Entscheidung, Flüchtlinge nach Deutschland einreisen zu lassen, mit der Aussage dass diese Migranten als Arbeitskräfte dringend gebraucht würden. Tatsächlich wurden seither rund 50-60 Flüchtlinge eingestellt. Damit kann die letztjährige Aussage als eine Notlüge für die Kanzlerin verstanden werden und ist in der Lebensrealität definitiv gescheitert. Nun muss der Focus der Öffentlichkeit emotionalisiert und umgelenkt werden. Willkommenskultur und Fremdenhass sind hierbei zwei vieldeutige Metaphern. Erneut soll den Bürgern mit dieser moralischen Erpressung eine Verpflichtung zur unbedingten Akzeptanz und Integration illegaler Migration abgerungen werden, ansonsten führe ein Makel der Ausländerfeindlichkeit zu Nachteilen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Tatsache ist, dass ein Fremdenhass gegen Inländer, in Form der bekannten Ereignisse von Ansbach, Köln, Würzburg, etc. und die Ablehnungskukltur für europäische Werte, wie die Geschlechtergleichberechtigung und Religionsfreiheit, in Form der Silvesterübergriffe und Christenverfolgung in Flüchtlingsunterkünften, eine ganz andere Deutung der Begriffe Fremdenhass und Willkommenskultur aufzeigen. Mittlerweile gibt es Reisewarnungen gegen Deutschland aufgrund dieser Ereignisse und nicht etwa wegen PEGIDA oder der AfD, die selbst Migranten in ihren Reihen wissen. Es bedarf also einer dringenden Korrektur der Politik und nicht der Rhetorik.

Stefan Pauly / 26.09.2016

Der Grund, warum dieser Arbeitgeberfunktionär Masseneinwanderung propagiert, kann in wenigen Sätzen zusammengefasst werden: Die Arbeitgeber haben ein Interesse an einem Überangebot an billigen Arbeitskräften und einer massiven Schwächung der Gewerkschaften, und deshalb wollen sie, genau wie die Politiker, unser Land mit Millionen und Abermillionen unqualifizierten und unzivilisierten kräftigen jungen Männern überschwemmen. Damit einher geht eine beispiellose Kulturzerstörung, denn diese Einwanderer sind mit unserer Kultur, die nicht weniger als die liberale Moderne mit all ihren Errungenschaften hervor gebracht hat, völlig inkompatibel. Arbeitgeber mögen Kultur nicht: “Kultur” bedeutet nämlich unter anderem die vielen Strukturen, die den Einzelnen in solidarische Verpflichtungen seiner Gesellschaft gegenüber einbindet: Ehe, Familie, Nation, Volk, Religion usw. Das sind Strukturen, denen gegeüber sich der Einzelne zur Solidarität verpflichtet fühlt und die seinem Leben einen Sinn geben. Natürlich schränken ihn diese Strukturen in seiner Flexibilität, also seiner Verfügbarkeit für die Mächtigen und Reichen, wozu die Arbeitgeber gehören, ein. Mit dieser Masseneinwanderung, der Propagierung von Abtreibung, Verunglimpfung des eigenen Volkes, der Propagierung eines hemmungslosen Hedonismus und mit der Bekämpfung aller Gegner Kritiker dieser Politik werden diese Solidarstrukturen zerstört. Übrig bleibt eine völlig atomisierte Gesellschaft, auf der dann das totalitäre System des Globalismus errichtet werden kann.

Werner Geiselhart / 26.09.2016

Was hab ich vor kurzem gelesen: Die deutschen DAX-Unternehmen haben in den letzten 12 Monaten immerhin 60 Flüchtlinge eingestellt. Das sind genau 0,004% der eingewanderten Facharbeiter. Da bin ich doch froh, dass die deutsche Industrie mit so gutem Beispiel vorangeht. Weiter so, Herr Kramer!

W. Kirchhoff / 26.09.2016

Es könnte auch umgekehrt laufen. Zum Beispiel könnten die Visegrád-Staaten gerade aufgrund Merkels Willkommenskultur sich von deutschen Produkten abwenden und nach Alternativprodukten in anderen Ländern umschauen. Ebenso die eventuell demnächst von Trump regierten Vereinigten Staaten von Amerika. Was wird Ingo Kramer dann sagen?

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