Oliver Marc Hartwich, Gastautor / 07.03.2008 / 12:17 / 0 / Seite ausdrucken

Auf dem Weg in die Edel-DDR

“Wir werden spätestens 2013 eine rot-rot-grüne Koalition haben”, prophezeit der “Schraubenkönig” Reinhold Würth, einer der reichsten Deutschen, heute in einem Interview. “Dann kommt das ganze Folterwerkzeug wieder heraus: Die Erbschaftsteuer wird erhöht, die Vermögensteuer und neue Reichensteuern eingeführt. Wir befinden uns auf einem geradlinigen Weg in eine DDR-ähnliche Zeit, in eine Edel-DDR.”

Angesichts der jüngsten Wahlergebnisse, aber vor allem wegen der Abkehr der Parteien von früheren Ansätzen einer Reformpolitik, spricht einiges dafür, dass Herr Würth mit seinem Ausblick Recht behalten könnte. Für Freunde der Marktwirtschaft sind dies in Deutschland wirklich keine angenehmen Zeiten, und der süddeutsche Unternehmer ist auch nicht der Erste, der den Linksruck beklagt.

Aber was folgt aus dieser Klage? Im Grunde gibt es für Unternehmer wie Herrn Würth nur drei Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit besteht darin, trotz der Unzufriedenheit mit dem Standort in Deutschland zu bleiben, auch wenn sie sich durch das gesellschaftliche und politische Umfeld immer stärker eingeengt fühlen. Dazu benötigen sie allerdings auch die Bereitschaft, sich als Kapitalist und Ausbeuter beschimpfen zu lassen. Dass jemand wie Herr Würth in mehr als fünf Jahrzehnten ein Unternehmen mit über 60.000 Arbeitsplätzen geschaffen hat, zählt nämlich nicht. Verwerflich ist allein die Tatsache, dass er es dabei zu persönlichem Wohlstand gebracht hat. Zu den Grundvoraussetzungen eines Unternehmers zählt heute leider auch ein Schuss Masochismus.

Wer als Unternehmer keine Lust hat, sich von Politikern regelmäßig beschimpfen zu lassen und mehr als die Hälfte seines Einkommens ans Finanzamt zu überweisen, der kann auch die Konsequenzen daraus ziehen und seine privaten und geschäftlichen Aktivitäten ins Ausland verlagern. Dort bestehen immerhin noch bessere Aussichten, als Unternehmer oder Manager nicht sofort zum Abschaum gezählt und als “asozial” gebrandmarkt zu werden. Und das angenehmere gesellschaftliche Klima, in dem Leistung anerkannt und nicht geächtet wird, wird zudem mit einer niedrigeren Besteuerung versüßt.

Und die dritte Möglichkeit für Unternehmer? Sie könnten versuchen, etwas an den Verhältnissen zu ändern. Dass jemand wie Reinhold Würth öffentlich ausspricht, was viele seiner Unternehmerkollegen nur denken, ist ein Anfang. Dass sich sonst kaum jemand traut, für Marktwirtschaft, niedrige Steuern und Unternehmertum einzutreten, ist hingegen nur zu verständlich. Wer will denn schon als unersättlicher, unsozialer Kapitalist dastehen, der den Hals nicht voll genug bekommt? Die Kommentare zu Würths Äußerung in den einschlägigen Online-Foren waren vorhersehbar. “Vielleicht sollte er mal ein paar von seinen eigenen Schrauben wieder festziehen (lassen)” war da noch die freundlichste Wortmeldung.

Dass Milliardäre sich beklagen, gilt in Deutschland als unanständig. Sie haben brav ihre Steuern zu zahlen, allen Regulierungen zu entsprechen, mit Gewerkschaften und Betriebsräten vertrauensvoll zusammenzuarbeiten, die Umwelt zu schützen, Arbeitsplätze zu schaffen, für örtliche Sportvereine, Museen und Schulen zu spenden und ansonsten den Mund zu halten. Alles andere wird ihnen als Undank gegenüber der Gesellschaft ausgelegt. Dabei wäre die Frage durchaus berechtigt, wer hier wem mehr verdankt: der Unternehmer der Gesellschaft oder doch nicht eher die Gesellschaft dem Unternehmer?

Es ist ein Jammer, dass sich unter den deutschen Unternehmern und Unternehmensführern viel zu wenig Persönlichkeiten wie Reinhold Würth finden, die noch bereit sind, sich in aller Öffentlichkeit für die Marktwirtschaft zu engagieren, in welcher Form auch immer. Sich in Interviews zu äußern, ist eine Möglichkeit. Eine andere wäre es, den Worten Taten folgen zu lassen und die Aufklärungsarbeit für Freiheit, Unternehmertum und Kapitalismus auch finanziell zu unterstützen.

Vorbilder dafür gibt es zuhauf, nur leider nicht in Deutschland. In England war es etwa der Unternehmer Antony Fisher, der mit dem von ihm gegründeten (und finanzierten) Think Tank “Institute of Economic Affairs” (IEA) die Reformpolitik Margaret Thatchers vorbereitete (siehe auch hier). Thatcher selbst sagte noch während ihrer Amtszeit, dass sie nichts ohne die Vorbereitung des IEA hätte erreichen können.

Auch in Deutschland wird es Zeit, dass der Marktwirtschaft jenseits von Parteipolitik und Industrieverbänden eine Stimme gegeben wird. Sonst dürfte es schwer werden, den von Reinhold Würth vorgezeichneten Weg in die Edel-DDR zu stoppen. Aber wo ist der deutsche Antony Fisher?

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