Wolfgang Röhl / 04.06.2008 / 14:43 / 0 / Seite ausdrucken

Arschretter und Lifestyle-Kritiker. Eine Lesefrucht

Wohl nur in Deutschland kann es vorkommen, dass ein Buchautor auf der zweiten Umschlagseite so eingeführt wird: „Carl Hiaasen, Reporter und Starkolumnist des Miami Herald, ist einer der schärfsten Kritiker des amerikanischen Lifestyles“. Also, die Leute vom Goldmann-Verlag, wo einige von Hiaasens Büchern erschienen sind, schreiben nicht etwa: Carl H. hat eine tolle Schreibe, seine Plots sind ausgetüftelt wie das Leben, bei den Sexszenen geht einem das Messer in der Tasche auf oder so etwas. Nein, zuvörderst erwähnen sie, dass er den „amerikanischen Lifestyle“ kritisiert. Und zwar schärfstens!...

Was ich gut verstehen kann, denn schon unser Führer mochte den Yankeestil nicht besonders und gab deshalb auch diesem Neger nicht die Hand, anno ´36, Sie wissen schon. Ich persönlich, als Nachkriegskind, musste mir so einiges anhören wegen meiner Affinität zur Negermusik, und sei es nur der von Elvis, welcher doch gar kein Neger war, aber wie ein Wilder sang und total enthemmt auf der Bühne rumhampelte. Wie Neger eben so sind. Auch wegen meiner Liebe zu original Negerhosen, ´tschuldigung, Cowboyhosen der Marke Levis wurde ich gelegentlich von Erwachsenen gemobbt. Wenn die gewusst hätten, dass das auch noch eine Judenfirma ist! Jedenfalls, wenn man auf die antiamerikanische Kacke haute, konnte man bei uns noch nie was falsch machen.

Ganz klar ist mir das mit dem amerikanischen Lifestyle aber nicht geworden. Welchen eigentlichen? Den von Downtown L.A., wo sich Rapper gegenseitig die Uzis zeigen? Oder den von Seattle, wo die Starbucks-Bosse mit dem Hybrid-Lexus zu ihren Privatjets fahren? Oder die Christopher-Street-Day-Parade in New York? Ich bin ja nicht so oft in den USA, aber sogar ich kenne einen ganzen Strauß amerikanischer Lebensstile. Manche gefallen mir besser, manche schlechter. Um was also geht es in Hiaasens Buch „Der Reinfall“? Kleiner Auszug:

„Während Red Hammernut Chaz Perrones Geschichte lauschte, dachte er an die zahlreichen Segnungen, die ihm zuteil geworden waren, aber auch an die Mühen. Ein landwirtschaftlicher Großbetrieb wie der seine war ein Unternehmen, das einen forderte, wenn es dermaßen auf ungehemmte Umweltverschmutzung und systematische Ausbeutung ausländischer Arbeitskräfte baute. Für Red war es keine Kleinigkeit, sich das FBI vom Halse zu halten und gleichzeitig beim Steuerzahler lukrative Subventionen und lachhaft billige Kredite abzugreifen. Er dachte an die Hunderttausende von Dollar, die er als Wahlkampfspenden…“

Alles klar dann, dachte ich. John Grisham (The Pelican Brief) für Arme, von einem, der schon auf dem Autorenfoto derart angeberisch aus der Wäsche guckt, das einem graut. Und der auf seiner Homepage stolz vermeldet, er habe irgendwann in den 80ern in einer Zeitungskolumne „ungefähr jeden in Süd-Florida angepisst, eingeschlossen meine Bosse“. Ein Teufelskerl! Trotzdem habe ich das Buch in Teilen gelesen; hauptsächlich deshalb, weil ich einige Zeit im Flugzeug hockte und die Batterie meines i-Pod erschöpft war. Dass ich das Buch nicht zu Ende gelesen habe, verdankt es der Marotte vieler schlechter amerikanischer Schreiber, mit grotesken, an den Haaren herbei gezogenen Vergleichen satirisch punkten zu wollen. Sowie dem andauernden enervierenden Gebrauch des Begriffs Scheiße in allen Zusammenstellungen (im Original: Fuck) und den üblichen vermeintlich saftigen Sätzen wie: Schaffen Sie sofort Ihren schlaffen Arsch hierher! – Sie abartiger, perverser Dreckskerl! – Ist das Ihr beschissener Ernst? –Verpissen wir uns verdammt noch mal, ehe uns die dämlichen Scheißer das Hirn aus der Birne blasen! – Danke, dass Sie mir den Arsch gerettet haben!

Wer so schreibt, wie kaum ein Ami spricht (schon gar kein weiblicher), der landet dann zu Recht bei Goldmann. Finde ich, einer der schärfsten Kritiker eines gewissen amerikanischen Schreibstyles.

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