Ansgar Neuhof / 22.01.2017 / 20:00 / Foto: Wikimedia Commons / 9 / Seite ausdrucken

Amtlich definiert: Linke sind Rechte

Von Ansgar Neuhof.

Vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer erhalten künftig in Brandenburg ein Bleiberecht, wenn sie Opfer sogenannter rechtsmotivierter Gewalt werden. Das hat aufgrund einer Beschlußaufforderung des Brandenburger Landtags das Brandenburger Innenministerium unter Führung des Ministers Karl-Heinz Schröter (SPD) Ende Dezember 2016 in einem Erlaß festgelegt, was beispielsweise hier schon kommentiert wurde.

Der Erlaß beschränkt sich ausdrücklich auf Opfer „rechtsmotivierter“ Gewalt, wobei allgemein auf “rechte”, nicht nur auf “rechtsextreme” Gewalt abgestellt wird. Andere Gewaltopfer erhalten kein Bleiberecht. Jetzt weiß allerdings niemand so richtig, was „rechts“ überhaupt ist. Zahllose Begriffsdefinitionen gibt es, Diskussionen noch und nöcher, je nach Sichtweise wird ein- und dasselbe politische System als links oder als rechts eingestuft.

Da schafft der Erlaß aus Brandenburg nun Abhilfe – und das macht ihn über den eigentlichen Inhalt hinaus interessant. Soweit ersichtlich wird darin nämlich erstmals amtlich definiert, was „rechts“ überhaupt ist. Wörtlich heißt es: „Der wesentliche Kerngedanke einer „rechten“ Ideologie ist die Annahme einer Ungleichheit/Ungleichwertigkeit.

Die Erlaßgeber und die Brandenburger Abgeordneten entlarven sich selbst

Ohne hier eine Debatte über die Begriffe Gleichheit und Gleichwertigkeit führen zu wollen, läßt diese Begriffsdefinition aufhorchen. Denn politische Ansichten nach der Gesäßgeographie (hier  oder hier ) einzuordnen - und das in einem amtlichen Erlaß (!), nicht in einem Blog-Kommentar, in dem man sich solcher Vereinfachungen gelegentlich bedienen kann -, zeugt von dürftigem Intellekt. Rechts und Links sind ersichtlich schon ob ihrer Eindimensionalität und begrifflichen Unschärfe ungeeignete Kategorien, um daran staatliches Handeln festzumachen.

Zudem entlarven sich die Erlaßgeber und die Brandenburger Abgeordneten, die den Erlaß initiiert haben, mit dieser Definition selbst als „rechte“ Ideologen, die eine Ungleichheit/Ungleichwertigkeit von Menschen propagieren. Denn der Erlaß behandelt Gewaltopfer nicht gleich. Opfer „rechter“ Gewalt erhalten ein Bleiberecht, Opfer „linker“ oder sonstiger Gewalt jedoch nicht. „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“, so steht es in Artikel 3 des Grundgesetzes. Doch manche sind gleicher – jedenfalls in Brandenburg anno 2017.

Dort gibt es jetzt - amtlich festgeschrieben - Opfer erster und zweiter Klasse, Opfer mit mehr und Opfer mit weniger (Bleibe-)Recht, Opfer, die dem Staat mehr wert sind, und Opfer, die ihm weniger wert sind. Wenn Opfer von “rechter” Gewalt aufgewertet werden, widerspricht dies dem Postulat der Gleichwertigkeit aller Menschen. Gewaltopfer ungleich zu behandeln und sie mit einer unterschiedlichen Wertigkeit zu belegen, ist der Definition des Brandenburger Erlasses gemäß „rechtes“ Gedankengut. Brandenburgs Landtag und Innenministerium: ein Hort „rechter“ Ideologen.

Ansgar Neuhof ist Rechtsanwalt und Steuerberater mit eigener Kanzlei in Berlin

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Leserpost

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Andreas Rochow / 23.01.2017

Dieser Hinweis ist weit mehr als eine juristische Spitzfindigkeit, die zu belächeln wäre. Er weist vielmehr auf die beklagenswerte Unfähigkeit hin, dass wie hier in einem Landesparlament fundamentale Rechtsverstöße möglich sind. Der galoppierende Abschied von Rechtsstaatlichkeit weist Züge eines Ausnahmezustandes auf.

Christian Oede / 23.01.2017

Ein passenderes Foto gibt es zu dieser Überschrift wohl auf der ganzen Welt nicht! Musste herzlich lachen.Danke!

Horst Jungsbluth / 23.01.2017

Rechts ist da, wo der Daumen links ist, so haben wir es als Kinder gelernt und später erfahren, dass diese Begriffe in der StVO eine wichtige Rolle spielen und dass es eine “rechte und eine linke Politik” geben soll, was ich   allerdings als rechtsbewusster Demokrat nie begreifen werde. Plötzlich werden sogar Straftaten in “links oder rechts” mit geradezu grotesken Folgen unterschieden,  Man stelle sich einmal vor, dass ein Asylbewerber nur deshalb Bleiberecht erhält, weil er als Opfer einer “schweren rechten Straftat” eingestuft wird und plötzlich stellt sich heraus, dass er Opfer von “linken Straftätern” geworden ist, die eine “rechte Straftat nur vorgetäuscht haben, um das Bleiberecht zu erreichen.  Das alles mag zwar ein bisschen hoch für die Brandenburger Abgeordneten sein, aber darauf wird es hinauslaufen.

Wolfgang Richter / 22.01.2017

Das wird den brandenburger Verfechtern der eigenen Alternativlosigkeit “sauer aufstoßen”, derart am selbst festgelegten Maßstab vermessen zu werden. Ist noch fraglich, ob sie in der Lage sind, dies von ihrem moralisch hohen Roß her auch zu begreifen.

Bernd Ufen / 22.01.2017

Wie sagte Henryk Broder noch: “Jeden Morgen geht die Sonne auf und scheint auf ein verrückt gewordenes Land”.

Wolfgang Schreck / 22.01.2017

Da es im arg verzerrten Weltbild des Brandenburger Landtages generell keinerlei links zu verordnende Gewalttaten gibt und auch noch nie gegeben hat, braucht diese auch nicht im Gesetz aufgeführt zu werden. Die Welt kann so einfach sein, wenn viel ausblendet wird.

Walter Schwarz / 22.01.2017

Der Wahnsinn schreitet voran. Hätten Beamte vor 20 oder 30 Jahren solche Vorschläge erarbeitet, wären diese wahrscheinlich zum Amtsarzt geschickt worden.

Ernst Siegel / 22.01.2017

Gut erkannt, gut beschrieben, vielen Dank.But don’t worry, be happy - denn in weniger als 9 Monaten wird es definitiv eine Änderung dieser unsäglichen Umstände geben - solange müssen sie noch durchhalten. Es könnte llerdings sein, das die derzeit sehr lauten Angstbeisser schon schneller umschalten, um ihr vermeintlich gut dotiertes und gesichertes Pöstchen noch ein bischen über die Zeit zu retten…

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