Gastautor / 01.10.2015 / 18:30 / 2 / Seite ausdrucken

Amnesty: Täuschung der Öffentlichkeit?

Von Susanne Baumstark

Grenzenlose Dreistigkeit oder eiliger Schreibfehler? Amnesty International veröffentlicht Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) abweichend vom Urtext und transportiert auf diese Weise eine Falschinformation großflächig, auf poppig gelbem Hintergrund, in die Öffentlichkeit; in Form von riesigen Plakaten auf verschiedenen Bahnhöfen.

Der Text auf dem Plakat im Wortlaut: „Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Jeder Mensch hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu erhalten. Amnesty International“.

Tatsächlich ist die Formulierung „Asyl zu suchen und zu erhalten“ lediglich ein Vorschlag der UN-Menschenrechtskommission in der AEMR-Entwurfsfassung gewesen. Der daraus abzuleitende individuelle Rechtsanspruch auf Gewährung von Asyl konnte sich aber international gerade nicht durchsetzen. Durchgesetzt – und in bisherigen Schriften von Amnesty auch korrekt übernommen – hat sich der Wortlaut: „Asyl zu suchen und zu genießen“. Völkerrechtlich herrschte immer weitgehender Konsens, dass es gemäß AEMR keine Pflicht, sondern ein Recht des Staates ist, Asyl zu gewähren. Klar formuliert wurde dies auch in einem Referat, das Amnesty hier auf seinen Internetseiten einstellte: „Da die weitergehende Formulierung des Art. 12 des Entwurfs im Endtext nicht übernommen worden ist, ist eine weitergehende Interpretation von Art. 14 AEMR in dem Sinne, dass ein Asylrecht garantiert werde, nicht statthaft.“

Vor dreißig Jahren, als es noch überwiegend indoktrinationsfreie Literatur zum Thema gab, konnte man sich darüber informieren, warum ein völkerrechtlich verankertes Individualrecht auf Asyl als wesentlich zu weitgehend kritisiert wurde. Zum Beispiel im „Recht auf Asyl“ des Rechtswissenschaftlers Helmut Quaritsch, 1985: Die Weigerung, ein Asylrecht „absolut“ bei jeder politischen Verfolgung zu gewähren, soll dem „Zufluchtstaat die Kompetenz erhalten, eigene Wertvorstellungen mit dem Begriff der Verfolgung zu verbinden oder bei Flüchtlingen zwischen Freund und Feind unterscheiden zu können“. Die politische Führung sei dadurch fähig, auf „wechselnde Lagen zu reagieren“.
Interessant auch Quaritschs Aussage bereits 1985: „Im Blickfeld von Rechtsprechung und Schrifttum in der Bundesrepublik erscheint so gut wie ausschließlich der humanitäre Aspekt des Asyls; der Verlust der politischen Handlungsfähigkeit wird gar nicht mehr wahrgenommen, der durch die Gewährung des subjektiven Grundrechts auf Asyl eintritt. Die möglichen Beeinträchtigungen der zwischenstaatlichen Beziehungen bis hin zu inneren Unruhen im Zufluchtstaat selbst werden ignoriert oder mit dem formalistischen Argument der juristischen Unzulässigkeit völkerrechtlicher Sanktionen beantwortet.

Der deutsche Wunsch nach weltweiter Verabsolutierung eigener Rechtsvorstellungen scheint von jeher ungebrochen zu sein: 1977 beantragte die Bundesregierung unter Helmut Schmidt bei der UNO-Konferenz in Genf erneut die Schaffung eines Individualanspruchs auf Asyl. Ergebnis der Abstimmung: Vier Ja-Stimmen (vorbehaltlose Zustimmung nur vom Vatikan), 21 Enthaltungen, 53 Nein-Stimmen.

Die Respektlosigkeit gegenüber dem menschenrechtlichen Völkerrecht wird indessen weiter forciert. Das falsche Zitat des Artikels 14 AEMR findet sich zum Beispiel auch im Flyer „freundeskreis asyl göppingen“ sowie in diversen Unterrichtsmaterialien.  Der vollständige Wortlaut des Artikels 14 AEMR - Recht auf Asyl:

(1) Jeder Mensch hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.

(2) Dieses Recht kann nicht in Anspruch genommen werden im Falle einer Strafverfolgung, die tatsächlich auf Grund von Verbrechen nichtpolitischer Art oder auf Grund von Handlungen erfolgt, die gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen verstoßen.

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Leserpost

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Gerhard Keller / 01.10.2015

Das Gravierende beim Bezug des linksalternativen Betroffenheitsmilieus auf den Menschenrechtsartikel 14 ist seine grottenfalsche Auslegung. Denn er beinhaltet ja das Recht gegenüber dem Herkunftsland, im Ausland Asyl zu beantragen und bei Erfolg auszuwandern. Wie wichtig dieses Recht ist, könnte ja die Nachfolgepartei der SED in einer Sternstunde des Bundestags mal erklären. Großzügigkeit und Gastfreundschaft gegenüber Flüchtlingen bewegen sich auf einem Fundament, das eine osteuropäische Philosophin während der Asyldebatte Anfang der 1990er Jahre so formulierte: “Auswanderung ist ein Menschenrecht. Einwanderung nicht.”

Ralf Pöhling / 01.10.2015

Das ist kein Schreibfehler. Es IST grenzenlose Dreistigkeit. Die Asylindustrie ist genau das, was sie immer versuchte zu verheimlichen: Eine hochgradig profitorientierte Industrie mit sehr viel Einfluss und Eigeninteresse in der Weltpolitik. Neu ist, dass sämtliche Dämme zu brechen scheinen, die Tarnkappe langsam zerbröselt und die Gier offen durchschlägt. Man sollte genau hinschauen, wer an dem Flüchtlingsdrama gerade am meisten verdient. Damit hat man den Urheber direkt am Kragen.

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