Susanne Baumstark / 13.06.2018 / 15:00 / Foto: U.S. N.A.R.A / 9 / Seite ausdrucken

Altparteienabgabe wird durchgepeitscht

Das „Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze“ zur Anhebung der absoluten Obergrenze für die staatliche Parteienfinanzierung von 165 Millionen Euro ab 2019 auf 190 Millionen Euro soll an diesem Freitag im Bundestag durchgepeitscht werden. Los geht es am Freitag um 9 Uhr mit einem „Antrag auf Erweiterung der Tagesordnung“. Die vollständige Bundestags-Ankündigung dazu:

„Der Bundestag wird zu Beginn der Plenarsitzung am Freitag, 15. Juni 2018, voraussichtlich darüber abstimmen, ob die zweite und dritte Beratung des Gesetzentwurfs von CDU/CSU und SPD zur Änderung des Parteiengesetzes und weiterer Gesetze (19/2509) unmittelbar im Anschluss stattfinden soll. Die Aufsetzung dieses Tagesordnungspunktes ist bislang zwischen den Fraktionen nicht beantragt. CDU/CSU und SPD wollen die Aufsetzung im Plenum beantragen. Eine Aussprache dazu wird es voraussichtlich nicht geben. Bereits vor der ersten Lesung des Gesetzentwurfs am Freitag, 8. Juni, hatten sich die Koalitionsfraktionen nach einer 20-minütigen Geschäftsordnungsdebatte mit ihrem Antrag durchgesetzt, die erste Lesung auf die Tagesordnung zu setzen. Mit dem Gesetzentwurf soll die staatliche Parteienfinanzierung ausgeweitet werden. Setzen sich die Koalitionsfraktionen erneut durch, so wird der Gesetzentwurf direkt im Anschluss 45 Minuten lang abschließend beraten. Über die Vorlage soll namentlich abgestimmt werden.“

Vorgestern gab es eine Anhörung zum Thema im Ausschuss für Inneres und Heimat. Zwei Professoren (Michael Brenner und Bernd Grzeszick) sprachen sich klar für den Gesetzentwurf aus: Bei „einschneidenden Veränderungen der bestehenden Verhältnisse“ sei das nämlich verfassungsrechtlich unbedenklich, und diese einschneidenden Veränderungen seien gegeben, weil den Parteien unter anderem wegen Entkräftigung von Fake News (!) höhere Kosten entstünden. Wie gleich deutlich wird, ist es einigermaßen zynisch, wenn Brenner dazu ausführt: Die Aufrechterhaltung der freien demokratischen Grundordnung sollte dem Staat 190 Millionen Euro im Jahr „wert sein“. 

Während die Staatsrechtlerin Sophia Schönberger meinte, die tatsächliche Veränderung der Verhältnisse werde „mitnichten klar dargelegt“, erläuterte die Sachverständige Heike Merten: Eine Erhöhung der Parteienfinanzierung über den Preisindex hinaus sei eine „Wertungsfrage“ in den Händen des Gesetzgebers. Mertens‘ demokratischer anmutender Vorschlag: auf das Votum objektiver Sachverständiger zu hören, „was aber nicht getan werde“. Die Objektivität der Sachverständigen ließe sich allerdings ebenfalls hinterfragen.

Aus der Opposition kommt – bisher wirkungsloser – Protest gegen das Gesetz und den Vorgang. Der Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim nennt es „ein Gesetz zur Steigerung der Politikverdrossenheit“: „Sowohl SPD als auch CDU hätten gegenüber den früheren Bundestagswahlen verloren. Offenbar soll diese Finanzspritze nun für beide ein Ausgleich sein... Die Höhe der staatlichen Parteienfinanzierung steige ohnehin von Jahr zu Jahr, weil sie an die Geldentwertung angepasst werde.“ Laut Bundesverfassungsgericht sei öffentliche Kontrolle unerlässlich, wenn sich Parteien staatliche Finanzmittel eigenmächtig erhöhen. „Diese Kontrolle wolle man durch das Schnellverfahren im Vorfeld der Fußball-WM schwächen. Von Arnim sieht darin ‚eine Zumutung für die Bürgerinnen und Bürger‘.“

Die Sitzung im Plenum am Freitag werde unter anderem auf Phoenix live übertragen.

Dieser Beitrag erscheint auch auf Susanne Baumstarks Blog Luftwurzel.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Karla Kuhn / 13.06.2018

WELCHE Fake News ??  Reichen da die 25 Millionen ??  Mit Geld, was man nicht selber verdienen muß, was der “KLEINE MANN”  oft mit harter Arbeit verdient, ist gut wuchern.  Der Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim nennt es „ein Gesetz zur Steigerung der Politikverdrossenheit“: „Sowohl SPD als auch CDU hätten gegenüber den früheren Bundestagswahlen verloren. Offenbar soll diese Finanzspritze nun für beide ein Ausgleich sein… Die Höhe der staatlichen Parteienfinanzierung steige ohnehin von Jahr zu Jahr, weil sie an die Geldentwertung angepasst werde.“  STEIGERUNG DER POLITIKVERDROSSENHEIT” (HERRLICH) Herr von Arnim ist ein sehr kluger Mann, ich höre ihn gerne reden, er hat nämlich WIRKLICH etwas zu sagen !!  Übrigens, die Skala zur Steigerung der Politikverdrossenheit ist,wie so viele Skalen, nach oben offen.

Wolf-Dietrich Staebe / 13.06.2018

Herr von Arnim ist ein äußerst kluger Kopf, der die Zusammenhänge erkennt und benennt.

Frank Korne / 13.06.2018

Fake-News?Meinen sie den Menschengemachten Klimawandel?Jaja 97% der Wissenschaftler blablabla…haben sie schon mal die Liste dieser Wissenschaftler gesehen?Fragen sie mal nach…

Rüdiger Kuth / 13.06.2018

“...weil den Parteien unter anderem wegen Entkräftigung von Fake News (!) höhere Kosten entstünden.” Oha, und wie sieht das im Detail aus? Wie oder was wird denn mit dem Geld “entkräftet”? Werden 8-sprachige Broschüren gedruckt, oder im Fernsehen Werbeminuten gebucht?

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Susanne Baumstark / 11.07.2020 / 16:00 / 6

Die Maskerade der Tagesschau

Zur Rede der Bundeskanzlerin im EU-Parlament am 8. Juli anlässlich des Beginns der deutschen EU-Ratspräsidentschaft hat die Tagesschau wieder einen derart schmierigen Hofbericht abgeliefert, dass die hinterlassene Schleimspur sogar…/ mehr

Susanne Baumstark / 29.06.2020 / 06:00 / 82

„Helfer sind tabu”? Die gemanagte Missachtung

Das war schon ein ungewohnt gepfefferter Kommentar von Thomas Berbner in den Tagesthemen am 22. Juni: „Schon vor Stuttgart haben mir Beamte immer wieder berichtet, bei jungen Einwanderern verbreitet…/ mehr

Susanne Baumstark / 25.06.2020 / 10:00 / 14

Yanis Varoufakis und die „Progressive Internationale“

Weitgehend unbemerkt hat sich die post-kapitalistische „Progressive Internationale“ (P.I.) gegründet. „Wir organisieren, mobilisieren und vereinen progressive Kräfte aus der ganzen Welt“, tönt es dort. Themen…/ mehr

Susanne Baumstark / 15.06.2020 / 14:45 / 10

Die Krise als Studium

In akademischen Netzwerken wird der englischsprachige Master-Studiengang „International Organisations and Crisis Management“ beworben. Er startet im Wintersemester 2020/21 in Jena „Das passende Studium zur Corona-Krise“, meint…/ mehr

Susanne Baumstark / 30.05.2020 / 12:00 / 14

Corona-Arbeitsplatzvernichtung: Von Not und Zynismus

Aus psychologischer Sicht nehmen die Folgen des Lockdowns inzwischen dramatische Ausmaße an. Wie aus einer Anhörung des Tourismusauschusses im Bundestag am Mittwoch hervorgeht, habe man „bereits Suizide…/ mehr

Susanne Baumstark / 23.05.2020 / 10:30 / 14

Mein Briefwechsel mit der Antidiskriminierungsstelle

Meine E-Mail an die Anti-Diskriminierungsstelle: Sehr geehrter Herr Franke,  ich bin seit längerem einigermaßen entsetzt über die regelrechte Stigmatisierungswut, die insbesondere von den etablierten Medien…/ mehr

Susanne Baumstark / 18.05.2020 / 11:30 / 9

Fortschreitend obskur: Die Finanzierung der Parteienstiftungen

Endlich mal eine gute Idee: Der Kandidat für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, will wegen der Corona-Krise die Ausgaben des Staates überdenken. "Wir sollten nach der…/ mehr

Susanne Baumstark / 06.05.2020 / 11:00 / 12

Corona-App höchst problematisch

Das „Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung“ hat eine Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) für die geplante Corona-App veröffentlicht. „Wir haben es angesichts der geplanten Corona-Tracing-Systeme mit…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com