Henryk M. Broder / 04.08.2017 / 11:18 / Foto: Roman Harak / 12 / Seite ausdrucken

Alternative Lebensweisen in Nordkorea, Indonesien und Saudi-Arabien

Die Öffentlich-Rechtlichen scheinen ein seltsames Faible für totalitäre Systeme und Lebensweisen zu haben, die allem zuwiderlaufen, das eine liberale, die Rechte des Einzelnen schätzende und schützende Gesellschaft ausmacht. Da war vor kurzem eine 90-Minuten Doku im Ersten, die das Leben in Nordkorea in den schönsten Farben präsentierte. Die Filmemacherin, eine in Deutschland lebende Koreanerin, sagte in einem Interview mit SPIEGEL online, sie mache "keine politischen Filme, sondern ethnologische Heimatfilme" und man müsse "die Menschen getrennt vom System betrachten können". Sie gab zu, dass sie "das ganze Material" den nordkoreanischen Zensoren zur Prüfung vorlegen musste. Unklar blieb nur, ob die Filmabnahme in einer ARD-Redaktion oder beim ZK der nordkoreanischen KP stattfand. 

Wenn es darum geht, alternative Lebensmodelle vorzustellen, kann man mit der Gehirnwäsche nicht früh genug beginnen. Im Kinderproramm des ZDF erfahren die Kleinen als erstes, dass die Erdvorräte für dieses Jahr "jetzt schon komplett aufgebraucht" sind. Glücklich das Kind, das genug Gummibärchen gebunkert hat. Minuten später dann die gute Nachricht. In Indonesien haben Mädchen einen Weg gefunden, wie sie das Kopftuch tragen und trotzdem bei einem modischen Trend mitmachen können. Grossartig, geradezu vorbildlich für junge Muslima in Deutschland!

Ein tolles Beispiel für gelungene Integration ist auch die elfjährige Haya, eine altkluge Göre, die uns der SWR als "ein Mädchen in Saudi-Arabien" vorstellt, ein ganz normales, durchschnittliches Mädchen, das in einem Palast lebt und in einem SUV zum Spielen in der Wüste und zum Shoppen in die Altstadt von Jidda gefahren wird. Ihr Opa hatte drei Frauen und 21 Kinder; so hat sie ganz, ganz viele Cousins und Cousinen, mit denen sie spielen kann. Wenn sie selber Oma ist, möchte sie ganz viele Enkel um sich haben. Bis es so weit ist, wird sie, wie jeder Frau in Saudi-Arabien, eine Abbaya tragen, "ein Gewand, das bis zum Boden reicht". "Unsere Religion schreibt das so vor, und es ist auch unsere Kultur", sagt Haya, "auch bei Euch darf man nicht einfach im Badeanzug bei der Arbeit erscheinen". Gut argumentiert, Haya, oder hat schon mal jemand beim SWR eine Frau in einem Badeanzug gesehen? Und so übt die kleine, dicke Haya mit Hilfe ihrer Mutter das Anlegen des Kopftuchs und des Schleiers. "Gut siehst du aus", sagt Mama, "ist es bequem, kannst du gut atmen?"

Uns bleibt ob so viel mütterlicher Fürsorge der Atem weg, aber wir freuen uns schon auf die nächsten Berichte über das gute Leben in Ländern, die bis jetzt von Feminismus und Gender-Studies verschont worden sind.

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Peter Ludewig / 04.08.2017

Wer aus welchem Grund auch immer freiwillig nach Nordkorea reist, wird von einer Schar von Aufpassern begleitet und an jeder Kontaktaufnahme mit koreanischen Normalbürgern gehindert. Insofern dürfte der Dreh einer “kritischen” Doku in diesem Land generell ein Ding der Unmöglichkeit sein. Die Filmemacherin hat m.E. unter den gegebenen Umständen das Beste daraus gemacht. Mir jedenfalls hat sie eine grotesk aufgehübschte Welt gezeigt, die von sanftmütigen, freundlichen Robotern bewohnt wird. Die Künstlichkeit des gesamten Settings war in jeder Minute zu spüren, viel beklemmender kann auch eine Doku über Repression und Hungersnot kaum ausfallen.

Markus Posern / 04.08.2017

Umerziehungsfernsehen durch das Öffentlich-Schlechte Zwangs-TV. Danke Herr Broder! Wie immer ein Genuss.

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