Günter Ederer / 02.02.2013 / 18:45 / 0 / Seite ausdrucken

Alte britische Demokratie gegen neue Brüsseler Bürokratie

Da will der britische Premier David Cameron tatsächlich das Volk fragen, ob es in der Europäischen Union bleiben will, so wie sie sich heute präsentiert. Unglaublich: Das Volk fragen. Der Inselbrite hat von der Funktionsweise der Demokratie à la Brüssel offensichtlich nichts begriffen. Was würde wohl aus Europa werden, wenn jetzt alle Staaten darüber abstimmten, ob sie zum Beispiel den Euro behalten wollen, oder ob sie ihre Staatsangehörigkeit für die der Vereinigten Staaten von Europa eintauschen sollen?

Nein, wir dürfen ja unsere nationalen Parlamente wählen und die entsenden dann Kommissare nach Brüssel. Für gut 20 000 Euro Monatsgehalt pro Kommissar erarbeiten die dann Bestimmungen und Gesetzesvorlagen, für die das europäische Parlament mal zuständig ist und mal nicht. Nach der Ratifizierung der Vorlagen werden diese für alle Mitgliedstaaten erlassen, die sich mal daran halten und mal nicht.

So funktioniert Europa, Mister Cameron, und nicht durch so überholte Vorstellungen von einer Demokratie, in der das Volk direkt darüber abstimmen kann, was es will. Diese altmodische Idee von Demokratie pflegen die Briten schon seit Jahrhunderten. Auf dem Kontinent dagegen ist die Obrigkeitshörigkeit noch weiter verbreitet.

Der Brite Cameron will wieder mehr selbst entscheiden und nicht die Direktiven der Brüsseler Bürokratie umsetzen. Er glaubt daran, dass er besser weiß, was für sein Land gut ist, als zum Beispiel der rumänische Kommissar, der für die Landwirtschaft zuständig ist. Betrachten wir doch einmal die Vergangenheit und werfen zugleich einen Blick in die nahe Zukunft, was die Weisheit aus Brüssel so alles schafft.

Da gab es die Verordnung über die Krümmung der Gurken. Ein bahnbrechender Fortschritt für die Normung von Verpackungskisten, an dem auch die Engländer teilhaben durften. Die Glühbirnen wurden verboten und durch giftige quecksilberhaltige Lampen ersetzt. Jetzt dürfen alle EU-Europäer gemeinsam rätseln, was wohl der umweltfreundliche Aspekt ist. Der soll etwas mit der Energie zu tun haben: Aber die Energie kommt in Polen aus Steinkohle, in Deutschland aus Braunkohle, Wind und Sonne, in Frankreich aus Atomkraftwerken und Großbritannien produziert von allem etwas. Frage: Woher weiß jetzt die Quecksilberlampe, ob sie sauberen oder dreckigen Strom verbrennt?

Brüssel brütet gerade eine neue Sensation aus, die zeigt, was eine unkontrollierte Bürokratie so alles vermag: Der wassersparende Duschkopf soll Pflicht werden. In Südeuropa herrscht regelmäßig Wassernotstand, weil die Mittelmeerstaaten es nicht schaffen, ihren Wasserverbrauch mit den Wasserreserven in Einklang zu bringen. Jetzt greift Brüssel ein. Also müssen die Nordeuropäer sparen – aus Solidarität oder so. Für Deutschland hat das zur Folge, dass die Wasserwerke noch öfter die Leitungen und Kanäle spülen müssen, weil der Wasserverbrauch auch ohne EU-Gesetz schon um 20 Prozent zurückgegangen ist. In Berlin allein müssen deshalb pro Monat eine halbe Million Liter Trinkwasser nur zum Spülen verschwendet werden. Kommt der Duschkopf, wird das noch mehr – und auch das bezahlt dann der Verbraucher: Für weniger Wasser höhere Gebühren. Brüssel sei Dank.

Ist die endlose Liste Brüsseler Torheiten nicht ein Grund, das Ansinnen des britischen Premiers aufzunehmen und mit ihm darauf hinzuwirken, dass der undurchsichtige Dschungel der Entstehung von Gesetzen und deren Übergriffe auf alle Staaten gestoppt wird?

Bin ich ein Antieuropäer, wenn ich für die Weiterentwicklung des Handels und die Freizügigkeit in Europa bin, aber gegen europäische Zwangsvorgaben für Arbeitszeiten, Frauenquoten und Agrarsubventionen? Statt Angst vor einer Volksabstimmung zu haben, muss sich Europa so entwickeln und präsentieren, dass es von seinen Bewohnern getragen und gewollt wird –  nur dann wird es sich erfolgreich weiterentwickeln. Eine Institution, die Angst vor dem Volk haben muss, hat keine Zukunft.

Zuerst erschienen in der FULDAER ZEITUNG

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