Was haben die eben erschienene Biographie Gerhard Schröders und der Abgasskandal des VW-Konzerns gemeinsam? Ganz einfach: Zu beidem gab Angela Merkel ihren Senf dazu. Mit anderen Worten, die Bundeskanzlerin nutzte die Gelegenheiten, sich wichtig zu machen, ohne etwas zu sagen zu haben. Radebrechend wie üblich versuchte sie, in dem einen Fall witzig, im anderen streng zu sein.
Dass aus ihren Worten Schlagzeilen gemacht würden, darauf konnte sie sich verlassen. Schließlich haben die Medien, allen voran ARD und ZDF, gelernt, auf das Wort der Kanzlerin zu hören. Anderes, zum Beispiel die Nachricht über die weitgehende Einstellung des Zugverkehrs nach Österreich und Ungarn, musste da schon mal nach hinten rücken, wenn es nicht ganz unter den Tisch fiel.
Ins Bild rückte die Kanzlerin. Immerhin hatte sie zur Ehre des gefeierten Genossen das rote Jäckchen angelegt. Artig lobte sie das Reformwerk ihres Vorgängers und fand auch sonst, wie die FAZ schrieb, „warme Worte“ für dessen machtbewusste Persönlichkeit. Schröder, das alte Schlitzohr, nahm es gelassen. Er wusste wohl, dass die menschliche Attacke nicht ihm, sondern den Kameras galt, vor denen die Kanzlerin bella figura machte.
The show must go on - immer und überall. Und so ergriff denn die Kanzlerin an anderem Ort auch flugs die Gelegenheit, vor laufenden Kameras Anweisungen zur Aufklärung des VW-Skandals zu erteilen. In dieser „schwierigen Lage“ verlangte sie erstens „volle Transparenz“ und zweitens, „dass möglichst schnell die Fakten auch auf den Tisch kommen“. Wo sie sonst noch hin kommen könnten, sagte sie nicht, versichert dem Volk aber, dass die Regierung, namentlich der Verkehrsminister, die Sache im Griff habe.
Wieder einmal sollten wir glauben, Angela verfüge über eine moralische Autorität, die irgend etwas bewirken könne, oder gar über die Macht, einem Konzern etwas anzuweisen. Nun gehört aber das Unternehmen nicht dem Staat, sondern den Aktionären, unter anderem der Porsche Automobil Holding, der Qatar Holding und auch dem Land Niedersachsen. Allein dessen Regierung könnte Einfluss auf die Aufklärung nehmen, nicht aber der Bund, zumal unterdessen herauskam, dass das Verkehrsministerium nicht ganz uninformiert war über die Methoden der Manipulation der Abgaswerte bei Dieselfahrzeugen.
Allein, so genau wollte es die Kanzlerin ja noch nie mit der vertraglichen oder gesetzlichen Abgrenzung ihres Handlungsspielraums nehmen. Auch bei der Grenzöffnung für die Flüchtlinge hat sie spontan entschieden, wie es ihrem Ansehen dienlich schien. Der Zweck heiligt ihr die Mittel. Und der Zweck ist immer der gleiche: der omnipräsente Staat, in dem die Machthaber über alle weltanschaulichen Differenzen hinweg ein „Grundvertrauen“ verbindet, wie es die Kanzlerin ihrem einstigen Konkurrenten anlässlich der Vorstellung seiner Biographie gestanden hat. Was daraus folgt, ist eine Kumpanei, der wiederum die Scheinheiligkeit auf dem Fuß folgt.
Dabei kann der amtierende Bundeskanzlerin keiner so schnell etwas vormachen. Das Geschäft beherrscht sie, gleich, ob sie in Sachen VW-Skandal mit aufklärerischem Gestus auf den Putz haut oder ob sie die innere Sicherheit Deutschlands mit einer rechtswidrigen Grenzöffnung aufs Spiel setzt, um sich als Hüterin humanitärer Werte feiern zu lassen und schon einmal Pflöcke einzuschlagen für das Podium der nächsten Bundestagswahl.
Das alles ungeachtet der Tatsache, dass sich immer mehr Einwanderer der Registrierung entziehen. Allein gestern sind in NRW 1.707 „Flüchtlinge“ angekommen. Davon waren heute früh um 7.45 noch 520 übrig gebieben. Der Rest ist über Nacht auf eigene Faust abgetaucht. Der Kanzlerin ist das Wurscht.
Der Zweifel am eigenen Tun ficht sie nicht an - nicht, wenn stimmt, was der Journalist Hugo Müller-Vogg aus der Fraktionssitzung der CDU/CSU am gestrigen 23. September 2015 erfahren haben will. Dort soll die Parteivorsitzende sichtlich genervt gesagt haben: „Ist mir doch egal, ob ich schuld am Zustrom der Flüchtlinge bin. Nun sind sie halt da.“
Und nun müssen die sehen, wie sie damit fertig werden, unter Zeltplanen, in Turnhallen oder aufgelassenen Fabrikgebäuden. Sie werden das Deutschland der Angela Merkel schneller kennenlernen, als sie es sich erträumt haben. Für den Deutschkurs könnte die Kanzlerin ihnen dann womöglich die Biographie ihres Vertrauten Gerhard Schröder ans Herz legen.