Endlich mal ein Artikel, der sachlich formuliert wurde!
Man kann über Herrn Höcke denken, was man will, aber mit dem Satz über die Leistungsschau der deutschen Beton-Industrie in Berlin hat er ein Stück deutsche Realität im beginnenden 21 Jahrhundert benannt, nicht mehr und nicht weniger. Die Tatsache, dass die Diskussionen in den verschiedenen Berliner Tageszeitungen während der Planungs- und Bauphase viel kritischer und ungeschminkter waren, zeigt doch, wie sehr der Grad an Realitätsverweigerung in bestimmten, nicht nur linken Kreisen inzwischen zugenommen hat. Warum nur? Sehen die Verantwortlichen ihre Felle davon schwimmen?
Sicher steht es Deutschland frei, “Rechts” wieder zu lernen und auch Frau Merkel kann versuchen, Wählerstimmen aus diesem Spektrum für sich zu gewinnen. Vielleicht geht es aber gar nicht darum. Ein - leider nur sehr kleiner - Teil der Wähler möchte nicht, dass gravierende Entscheidungen nach einem herrschenden Zeitgeist oder quasi aus dem Bauch heraus getroffen werden. Die Struktur unseres Staates und unserer Gesetzgebung mit z.B. einer erforderlichen 2/3 Mehrheit zur Änderung des Grundgesetzes und der Anlage des Parlamentes, der Judikative und des Bundesrates ist so angelegt, dieses möglichst nicht zuzulassen. In verschiedenen Bereichen hat diese Aufteilung der Macht aus meiner Sicht versagt. Heute loben wir Vielfalt und Buntheit, die im Bundestag, kaum vorkommt. Der allseits vorherrschende Gleichklang verhindert, dass durch diskutieren, abwägen und streiten die bestmögliche Entscheidung getroffen werden kann. Die Medien tun ihres dazu und verhindern sowohl mit der Auswahl, als auch mit einer regierungsfreundlichen Interpretation der Entscheidungen, dass der Wähler anständig informiert wird (achgut.com, tichy, etc. sind hiervon ausgenommen). Er wird auch nicht überzeugt, er wird erzogen. Meinungen in rechts und links zu sortieren, ist wenig hilfreich. Besser wäre, Meinungen zu aktzeptieren und gegebenenfalls durch Argumente zu entkräften. Dazu muss zunächst einmal eine Vielfalt und Buntheit der Meinungen zugelassen werden, ohne sie sofort in eine politische Ecke zustellen. Und dann muss darüber geredet werden, argumentiert und ja, auch gestritten. Natürlich. Und wenn dann auch die Medien die Fakten auf den Tisch legen und unterschiedliche Argumente publizieren, kann aus den vielen Puzzelteilen von Meinungen ein Bild entstehen.
Zwar ist Herrn Schuler in weiten Teilen zu folgen, aber mich stört seine reflexhafte Distanzierung von Höckes Rhetorik, die “gar nicht” ginge. Zwar ist auch diese seine Meinung statthaft und hinzunehmen, nur verkennt sie, daß jede Abweichung vom Cordon Sanitaire immer disruptiv ist - und sein muß, damit sie überhaupt Disruption hervorruft. Höcke forderte nicht die Entlastung und Seligsprechung der Nazi-Verbrecher, aber den Bruch damit, daß Deutschland sich darüber zu definieren hat und das nachfolgende, unbeteiligte Generationen weiter in einer Sühne-Schuld stehen. Das kann man unterstützen oder bestreiten - nur wirkt das bloße Bestreiten wie durch Höcke schon ungeheuerlich, wie das Rufen des Kindes, der Kaiser sei ja nackt. Tabus, wie sie es in Deutschland um diese Frage gab, bewirken jedoch keine Denkhygiene, sondern Emotionstaus, die sich dann eruptiv entladen, wenn es an der Zeit ist. In der Medienwelt mit ihren Aufmerksamkeitswettbewerb müssen Tabubrüche vorgenommen werden, damit sie gehört werden. Über die Frage deutscher Kollektivschuld ist schon viel im stillen Kämmerlein debattiert worden, doch erst der Tabubruch schafft, die Masse jenseits elitärer Zirkel damit zu tangieren, Aus dem gleichen Grund lassen Schauspielerinnen auf dem roten Teppich der Filmfestspiele scheinbar völlig zufällig immer wieder mal eine nackte Brust herausschauen - nur dann bekommen sie mehr Aufmerksamkeit als die anderen. Politisch korrekt verurteilen wir das, um im stillen Kämmerlein umso begehrlicher die Nacktbilder anzuklicken. Dieses Schema betrifft in Deutschland alles was “rechts” ist. Fragen danach, was ein Deutscher ist (und vor allem nicht ist), ob wir den Staat zugunsten der EU auflösen sollen oder nicht, aber auch die Frage, ob es besser ist, sich selbstzuverwirklichen und Einwanderer statt Kindern als Altersversorgung anzusehen oder wieder mehr Kinder zu bekommen und dafür auf Einwanderung zu verzichten - und damit das Lebensbild junger Menschen wieder komplett umzudrehen. Eine gewisse, also “linke” Diskurshoheit hat eine bestimmte Deutungen seit 50 Jahren vorgegeben. Wem die Disruption eines Björn Höckes mißfällt, der nehme eine eigene vor. Aber er wird auch zusehen müssen, in der Kakophonie der Medienwelt damit durchzudringen.
Es ist die Schuld der Konservativen, besser: aller Nichtlinken, daß der Begriff „rechts“ in Deutschland heute unwidersprochen als Synonym für „rechtsradikal“ oder „rechtspopulistisch“ steht. Wie in so vielen anderen Fällen hat die Linke einen Begriff okkupiert und nach ihrem Gusto umgedeutet. Und nichtlinks denkende Politiker haben es in defätistischer Manier zugelassen. Wie die Heuschrecken zucken sie zusammen, wenn geifernde Linke eine beliebige nicht in ihr eigenes verqueres Welbild passende Position als „rechts“ diffamieren. Was heißen soll: Du bist ein Nazi und damit Ende der Diskussion. Wie stolz hingegen Linke sich als solche bezeichnen. Obwohl gerade deren performance meist mager ist und sie fast immer auf der Verliererseite der Geschichte stehen. Es ist allerhöchste Zeit, sich den Begriff „rechts“ wieder zurückzuholen und mit eigenem, d.h. konservativen, (rechts)liberalen Gedankengut wiederzubesetzen. Gleiches gilt übrigens für „neoliberal“. Auch hier haben es Linke, in Deutschland zuvorderst Lafontaine, verstanden, den Begriff seiner ursprünglichen Bedeutung (Rückbesinnung auf Marktkräfte) zu entkleiden und zur Kampfparole gegen den bösen Kapitalismus zu pervertieren. Selbst von der FDP fällt mir kein Politiker ein, der den Begriff und das dahinterstehende Konzept einmal offensiv verteidigt hätte. Kapitulation vor linker Sprachvergewaltigung allenthalben.
Eine gelungene Betrachtung, Herr Schuler. Es widert mich immer wieder an, dass Leute wie Gauland, Frau Weidel und auch Frau von Storch, die genau das fordern oder präferieren, was Sie aufgeführt haben, als Schmuddelkinder hingestellt werden, während diejenigen, die diese Leute in Nazimanier verfolgen, ungeschoren bleiben. Es ist genau diese diffuse Abgrenzung zwischen “gutem” Rechts und “schlechtem” Rechts, die die AfD immer in Misskredit bringt. Nachdem man Deutschland die Selbstzerfleischung mittels Abtrennung seiner rechten Seite eingbläut hat, dreht es sich nur noch im Kreise links. Das ganze politische Spektrum ist nach links gerückt. Alles Gute kommt von links, während alles Böse von rechts ausgeht. Es ist schon erstaunlich, wie der Bürger doch gemerkt hat, dass hier was schief läuft, obwohl die gesamten Mainstream-Medien die AfD niedermachten - oder gerade deswegen. Wenn Millionen Wähler, sogar unter von oben verordneter Ächtung, die AfD wählen, gärt es im Volk. Wenn gute Ansätze der AfD auch im Bundestag niedergemacht werden, wird die AfD bei den nächsten Landtagswahlen massive Stimmenzugewinne haben. Und auch dann, wenn die Koalitionsverhandlungen ein Ergebnis bringen sollten, das den Bürger erzürnt. Es kann doch nicht sein, dass die Grünen auf einer Regierungsbeteiligung beharren, weil es Wählerwille sei und sie deshalb mit Maximalforderungen in die Koalitionsverhandlungen gehen wollen. Wo bleibt der Wille der AfD-Wähler, die eine Partei mit deutlich höherer Stimmenzahl gewählt haben?
Sehr viel begreifbarer als links/rechts finde ich progressiv/konservativ. Merkwürdig, dass diese Attribute kaum in Gebrauch sind.
Danke für diesen Text, Herr Schuler! Er unterstreicht noch einmal klar und deutlich, auf was die Achse immer wieder hinweist. Ich möchte noch etwas hinzufügen: Toleranz bedeutet nicht, dass ich die Meinung des anderen nicht mit Gegenargumenten angreifen darf, sie bedeutet nur, dass der andere wie man selbst auch ohne Angst um Leib und Leben und vor Restriktionen seine Meinung sagen darf. Ich habe den Eindruck (auch in meinem Freundeskreis), dass der Begriff “Toleranz” von vielen falsch verstanden wird als ein Freifahrtschein für jede noch so abwegige Meinung, als ob sie unter einer Art Welpenschutz steht und der keinesfalls widersprochen werden darf. Denn dann wäre man ja intolerant. Solange eine Weltanschauung oder auch nur eine Meinung eine Auswirkung auf die Gesellschaft haben, MÜSSEN sie sich der Diskussion stellen! Das gilt auch für die Religionen, die sich nur allzu gern in ihr vermeintlich unangreifbares Glaubensgärtlein zurückziehen und von dort beleidigt schmollen, wenn ihnen klare, vernunftgesteuerte Gegenargumente um den Kopf wehen.
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