Auf dem Pariser Platz am Brandenburger Tor in Berlin haben sich in den vergangenen Jahren, wenn es irgendwo einen größeren islamistischen Anschlag gab, regelmäßig Menschen versammelt und still der Opfer gedacht. Das ging so bis zum Frühling dieses Jahres. Bis dahin wurde das Tor zum gegebenen Anlass in den Landesfarben des angegriffenen Landes angestrahlt, und die islamistischen Mörder sorgten durch die Häufigkeit ihrer Angriffe dafür, dass das Anstrahlen des Berliner Wahrzeichens für manche Bewohner und Besucher Berlins mehr und mehr zu einem beliebten Event wurde. Noch viel unangenehmer war es den politischen Verantwortungsträgern allerdings, dass die Häufigkeit des Gedenk-Lichtspiels immer deutlicher erahnen ließ, welche Dimension der Terror im Namen Allahs und seines Propheten inzwischen angenommen hat.
Die deutsche Politik versucht auch nach den vielen islamistischen Anschlägen der letzten Jahre konsequent, sich die vom Grundgedanken eigener Überlegenheit und einem daraus resultierenden Herrschaftsanspruch geprägte Islam-Ideologie, wie sie auch in den von Politikern hofierten Islam-Verbänden vertreten wird, schön zu reden. Die politischen Verantwortungsträger glauben, sie könnten sich mit Zugeständnissen und dem Zurückweichen gegenüber aggressiven Forderungen der Islamverbände inneren Frieden erkaufen. Da wirkte das regelmäßige Gedenken am Berliner Wahrzeichen natürlich störend.
Im Frühjahr 2017 war es damit auch vorbei. Nach einem Anschlag in St. Petersburg im April verweigerte der Senat von Berlin das Anstrahlen des Tores, und wer vielleicht glaubte, dies sollte nur ein Affront gegen den bösen Putin sein, wurde im Juni eines Besseren belehrt: Nach dem islamistischen Anschlag im finnischen Turku, einige Wochen später, gab es ebenfalls kein illuminiertes Gedenken mehr. Der Berliner Senat hielt es nicht mehr für angemessen.
Ein Platz der Hetze statt Platz des Gedenkens?
Dort, am Pariser Platz, wo am Jahresanfang noch Berliner Bürger der Opfer islamistischer Anschläge gedacht hatten, versammelten sich am vergangenen Freitag zumeist arabische und türkische Demonstranten. „Allahu Akbar“-Rufe erfüllten den Platz ebenso, wie antisemitische Sprechchöre. Ein Tuch mit einem Davidstern wurde verbrannt und neben Palästina-Flaggen und türkischen Bannern wehte einträchtig die Fahne der Hamas. Um die Räumungsanordnung der Polizei scherte sich dieser Mob nicht, obwohl sie fürsorglich mehrfach auch in Arabisch vorgetragen wurde. Und geräumt hat die Polizei den Platz mitten in Berlin, einen Steinwurf vom Reichstag entfernt, dann auch nicht, sondern ließ die Meute weiter gewähren.
Ist es übertrieben, wenn einem angesichts dieser Bilder kalte Schauer über den Rücken laufen? Eigentlich liegt die Zeit nicht so weit zurück, da hätte eine solche Demonstration des Judenhasses an dieser prominenten Stelle der ehemaligen Reichshauptstadt eine Welle von empörten Reaktionen in Politik und Medien nach sich gezogen. Man hätte sich nicht retten können vor der Sprechblasenflut, wie wichtig es sei, den Anfängen zu wehren. Doch heutzutage wird der Judenhass in Deutschland selektiert. Kommt er von eingeborenen Rechtsextremen, so kann man sich auf die verdiente Empörung noch halbwegs verlassen. Kommt er von links, ist sie immerhin noch möglich, doch wenn er von muslimischen Migranten kommt, ist inzwischen allgemeines Be- und Verschweigen die Regel.
Die Demonstranten am Pariser Platz können sich von der deutschen Politik ja auch nur bestätigt fühlen. Der Anlass für ihre aktuelle Machtdemonstration in der deutschen Hauptstadt ist die Entscheidung des US-Präsidenten, anzuerkennen, dass Jerusalem die Hauptstadt Israels ist. Jeder Staatsgast der israelischen Regierung kam zum Treffen mit den Amtskollegen nach Jerusalem. Das hat keinen deutschen Politiker gestört. Selbst als Russland Jerusalem als israelische Hauptstadt anerkannte, war das keinem noch so Putin-kritischen Politiker eine kritische Anmerkung wert. Doch die Entscheidung des US-Präsidenten wird von der Bundesregierung, wie auch den meisten Oppositionspolitikern sowie der Mehrheit der deutschen Medien-Kommentatoren, seither scharf kritisiert. Große Gefahren neuer Unruhen wurden beschworen, da doch die Palästinenser in ihren Rechten verletzt würden.
Wovor die tatsächlichen und die eingebildeten deutschen Staatslenker eigentlich Angst haben mussten und auch hatten, waren die flugs mobilisierten Massen, die – islamistischen Organisationen folgend – den Anlass zu eigenen Machtdemonstrationen nutzten. Und die in organsierter Wut aufmarschierte Menschenmenge versammelte sich nicht allein in Gaza oder Ramallah, sondern auch in deutschen Großstädten. Gäbe es am Pariser Platz in Berlin nicht die repräsentative Innenstadtbebauung und den leuchtenden Weihnachtsbaum, hätten sich viele Palästinenser wie daheim fühlen können. Bei all den anfeuernden Reden auf Arabisch, in denen der Anspruch auf ganz Jerusalem und ganz Palästina erhoben wurde – unnötig zu erwähnen, dass da kein Platz für das „zionistische Gebilde“ namens Israel mehr ist – nebst ausgiebigen Allahu-Akbar-Rufen, brennendem Davidstern und wehenden Hamas-Flaggen, fehlten eigentlich nur die Schüsse aus den Kalaschnikows der Kämpfer, um sich vollends zu Hause fühlen zu können.
Die selektive Sorge um die Rechte der Palästinenser
Für all jene, die gegenüber einem radikalen und gewalttätigen Islam immer noch ihr Heil im Appeasement suchen, hat die Trump-Entscheidung einen unbequemen Nebeneffekt: Sie schafft Klarheit. Wenn Islamisten auf deutschen Straßen ihrem Judenhass freien Lauf lassen können, ohne dass jemand vielleicht den Anfängen wehren möchte oder wenigstens klarstellt, dass Antisemiten in Deutschland nicht willkommen sind, dann ist das eine klare Aussage.
Natürlich gab es solche Szenen auch manches Jahr schon bei den Märschen zum Al-Quds-Tag, doch die sorgten immerhin noch für Diskussionen. Jetzt scheint alles legitimiert zu sein, weil man doch für jeden Protest gegen die unverantwortliche Trump-Entscheidung allenthalben großes Verständnis aufbringt. Die Bundesregierung, wie auch die EU, waren schließlich auch weltpolitisch nun vor allem um die verletzten Rechte der Palästinenser besorgt. Die Sorge gilt allerdings vorzugsweise dem Machtanspruch der Funktionäre. Die verletzten Rechte der Palästinenser, die als politische Häftlinge in den Autonomiegebieten sitzen oder die von der Hamas gefoltert und zuweilen hingerichtet werden, interessieren diese Besorgten bekanntlich nicht so sehr.
Schade, dass es keinen verantwortlichen Politiker gab, der so klar und nüchtern reagierte wie der Politveteran Hellmut Königshaus (FDP). Der langjährige Wehrbeauftragte des Bundestages wurde auch nur gefragt, weil er seit zwei Jahren Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) ist. Und Königshaus formuliert das, was eigentlich Regierungsvertretern gut als Klarstellung angestanden hätte:
„Die Tatsache, dass die US-Botschaft bisher in Tel Aviv war, hatte etwas mit der Nichtanerkennung von gewachsenen Realitäten zu tun. West-Jerusalem ist seit vielen Jahren die Hauptstadt Israels. Auch deutsche Präsidenten und Kanzler haben dort vor dem Parlament gesprochen und wussten sicher, wo sie sind. Deswegen ist die Aufregung für mich so nicht zu verstehen.“
„Man kann Politik nicht immer an Gewaltdrohungen orientieren“
Diese besonnenen Sätze stammen aus einem Interview der Mittelbadischen Presse. Statt mit vielen Worten den allgemeinen Empörungsnebel zu verdichten, setzt er auf nüchterne Aufklärung:
„Es gab einen UN-Teilungsplan. Gegen den haben bisher nur die arabischen Staaten und die Palästinenser verstoßen. Die heutige Situation ist Folge der von arabischen Staaten angezettelten Kriege gegen Israel. Irgendwann muss dieser Teufelskreis auch mal durchbrochen werden. […]
Natürlich verbessert der Schritt jetzt nicht die Aussichten für aktuelle Friedensbemühungen. Aber langfristig müssen Araber und Palästinenser ohnehin akzeptieren, dass Jerusalem Israels Hauptstadt ist. […]
Man kann die Politik nicht immer daran orientieren, dass mit Gewalt gedroht wird und diese Drohung dann erfolgreich ist. Das sollten auch die Verantwortlichen in Palästina und den arabischen Ländern begreifen, die die Stimmung immer wieder aufheizen und die Konfrontation erst schaffen.“
So kann man staatsmännisch zurückhaltend reagieren und gleichzeitig eine klare Position beziehen. Aber Königshaus ist quasi Politiker im Ruhestand. Die aktiven Kollegen bestärken die arabischen und palästinensischen Führer eher noch in ihrer Empörungspolitik. So befeuern sie im Lande zusätzlich die antisemitischen, islamistischen Machtdemonstrationen, die wir nun in deutschen Großstädten erleben dürfen.