Dirk Maxeiner / 06.11.2016 / 06:29 / Foto: Tim Maxeiner / 12 / Seite ausdrucken

Airbnb: Gesinnungs-Schnüffelei im Bettenverleih

Ich werde nicht gerne ungefragt geduzt. Angefangen hat damit IKEA. Der Bettenvermittler Airbnb hat es sich da offenbar abgeschaut. Das ganze soll locker, bunt und unkommerziell rüberkommen. Motto: Was sind wir doch für eine tadellose, hundert Prozent tolerante, bunte und weltoffene Community! Meine persönliche Lebenserfahrung hat leider ergeben, dass es in solchen DU-Läden häufig besonders intrigant und hinterhältig zugeht. Riecht immer leicht nach Sekte. Als Arbeitnehmer würde ich in jedem Fall irgendeinen Spießerladen vorziehen, da muss man arbeiten und nicht heucheln.

Und damit komme ich nun zu AirbnB. Wer dort ein Zimmer vermieten will (was ich nicht will) oder ein Zimmer mieten will, der kann das nämlich nicht einfach buchen, bezahlen und fertig ist. Nein. Zuerst einmal muss er ein "Community-Bekennntnis"  ablegen. Nun ist der moderne Mensch ja gewöhnt, im Internet ständig irgendwelche Allgemeinen Geschäftsbedingungen ungelesen abzuhaken. Aber ein Bekenntnis? Ist das nicht eher was für die örtliche Sektion der Wiedertäufer?

„Du erklärst dich bereit, jeden – unabhängig von Rasse, Religion, Herkunft, Volkszugehörigkeit, einer Behinderung, Geschlecht, Geschlechtsidentität, sexueller Orientierung oder Alter – respektvoll, vorurteilsfrei und unvoreingenommen zu behandeln,“ heißt es da. Schön und gut. Aber ich weiß selbst, wie ich mich zu benehmen habe, dafür brauche ich keine Nachhilfe vom Bettenhandel.  Davon ganz abgesehen: Gibt es dafür in Deutschland nicht längst ein Anti-Diskriminierungsgesetz?

Verlangt Mercedes demnächst von mir, dass ich vor dem Kauf einer S-Klasse ein Bekenntnis zum Klimaschutz abgebe und feierlich gelobe, niemals über 130 zu fahren? Verlangt meine Bank demnächst von mir, dass ich bestimmte Parteien meide, wenn ich ein Girokonto eröffnen will? Stellt jetzt jeder seine eigenen Gesetze auf? Dem einen seine Scharia, dem anderen sein Community-Bekenntnis? Fröhliches Diskriminieren nach Gutdünken rundum?

Zeitgeistige Gesinnungsschnüffelei als Promotion und Corporate Identity

Wo wir gerade dabei sind, lieber Gemeindevorstand von Airbnb: Ihr vermietet doch auch Schlafgelegenheiten in Saudi Arabien und anderen lupenrein demokratischen Staaten. Wie haltet ihr es da eigentlich mit eurem Community-Bekenntnis? Wie macht ihr das bloß in Ländern, wo Frauen im Haus und Homosexuelle im Knast eingesperrt werden? Müsst Ihr eure Geschäftstätigkeit dort nicht umgehend einstellen, wenn Ihr euer eigenes Community-Bekenntnis auch nur halbwegs ernst nehmt?  Oder ist das Bekenntnis etwa nur für politische Schönwetter-Regionen gedacht, wo Ihr euch ein bisschen weltoffen, bunt und unglaublich tolerant gerieren wollt?  Ein bisschen zeitgeistige Gesinnungsschnüffelei als Promotion und Corporate Identity?

Achja, was passiert eigentlich , wenn ich dem Bekenntnis nicht zustimme? „Wenn du dem Bekenntnis nicht zustimmst, kannst du nicht als Gastgeber auf Airbnb fungieren oder über Airbnb verreisen. Du hast dann die Möglichkeit, deinen Account zu löschen.“ Dacht ich mir es doch. Genau meine Erfahrung mit Leuten, die einen ungefragt duzen. Welch wunderbar subtile Unterstellung in euren dürren Zeilen liegt: Wer euren Gesinnungskodex aus welchen Gründen auch immer nicht unterschreiben will, wird aus der Gemeinschaft der Wohlmeinenden ausgeschlossen.

Ich bin mir übrigens gar nicht sicher, ob das mit dem deutschen Anti-Diskriminierungsgesetz in Einklang zu bringen ist. Darin steht nämlich, dass niemand aufgrund seiner Weltanschauung diskriminiert werden darf. Und meine Weltanschauung sagt mir unmittelbar, dass ich mir keine semi-religiösen Bekenntnisse irgendwelcher Art aufs Auge drücken lasse, um am allgemeinen Geschäftsverkehr teilzunehmen.

Foto: Tim Maxeiner

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Leserpost

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W.Ludwig / 06.11.2016

Das Schreiben, welches Airbnb erst kürzlich an alle seine registrierten Mitglieder heraus geschickt hat, hätte als eine Empfehlung heraus gegeben werden können, als einen Leitfaden, wie sich die Macher der Zimmer- und Apartmentvermietungswebsite von Privatpersonen an Privatpersonen den Vermietungsbetrieb im Idealfall vorstellen. Dieses Schreiben als “Bekenntnis” zu formulieren und jedem das Papier unter die Nase zu halten, in der Konsequenz mit den Worten dazu: unterschreib´ das, oder Du bist raus. Das ist Erpressung; Gesinnungserpressung. Es zeichnet sich immer mehr ab, wenn man die Entwicklung der heutigen “Gesinnungwächter” mittels Artikel in der Presse liest, dass sich die selbsternannten “wahren” liberalen und offenen Personen und Gruppierungen, als diejenigen outen, die in Wahrheit keine Abweichende Meinung oder Ansicht neben ihrer gelten lassen und dafür auch nicht davor zurück schrecken, die moralische Daumenschraube auszupacken und anzuweden. Der Inhalt des sogenannten “Bekenntnis” von Airbnb mag gut gemeint sein, aber die User dieser Website dazu zu zwingen, dieses unterschreiben zu müssen, oder die Website nicht mehr nutzen zu können ist ein weiterer Beweis dieser befremdlichen und irritierenden Art und Weise, denen sich heutzutage bedient wird, um Personen auf die gewünschte Spur zu bringen.

Burkhard Pahnke / 06.11.2016

Der Artikel trifft genau ins Schwarze. Das Unverschämte an dem eingeforderten Community-Bekenntnis liegt in der Unterstellung, dass die Nutzer Nachhilfe in Elementarem benötigen. Ich werde zurückschreiben und von den Airbnb-Managern das Bekenntnis einfordern, dass sie nur bei Grün über die Ampel gehen und keinen Müll auf die Straße werfen. Wenn sie ablehnen, kündige ich meinen Account.

Karla Kuhn / 06.11.2016

Ganz wunderbar recherchiert Herr Maxeiner, herrlich.  Ich mag es übrigens auch nicht, wenn ich sofort mit Du angesprochen werde. Das ist im anglo-amerikanischem Raum ganz normal aber noch lebe ich in Deutschland. Verlangt Airbnb von der Person, die ein Zimmer, Wohnung oder Haus vermieten möchte, eine Vermietergenehmigung (falls selbst nur Mieter) ? Würde mich mal interessieren. Ich bin erst kürzlich umgezogen und bei der Anmeldung der neuen Adresse mußte ich eine Vermieterbestätigung vorlegen. Zum Glück hatte die Vermieterin bereits eine Bestätigung ausgefüllt. Sonst hätte ich mich gar nicht anmelden können. Hoch lebe die Bürokratie.

Christopher Sprung / 06.11.2016

Mal eben folgendes Mail an Airbnb geschrieben: “Guten Tag, Sie haben mich aufgefordert, Ihr Community-Bekenntnis zu akzeptieren. Ich akzeptiere dies nur, wenn Sie gleichzeitig Ihre Geschäftstätigkeit in Ländern einstellen, die Ihrem Community-Bekenntnis nicht entsprechen. Zum Beispiel diskriminieren Länder wie Saudi-Arabien etc. Homosexuelle.  In vielen Ländern werden religiöse Minderheiten diskriminiert.  Aktuell werden in der Türkei Hunderttausende Menschen wegen ihrer politischen oder weltanschaulichen Ansicht extrem diskriminiert. Sollten Sie Ihre Geschäftstätigkeit in solchen Ländern nicht einstellen, ist Ihr Community-Bekenntnis offensichtlich nur ein übler PR-Gag mit extrem schalem Beigeschmack. Mit freundlichen Grüssen Christopher Sprung, Rechtsanwalt”

Arnauld de Turdupil / 06.11.2016

Vielen Dank für diesen Text. Das übergriffige “Geduze” nervt ungemein und dass hinter dem genossenkumpeligen 68er-Speech eine (beliebige?) zweite Agenda lauert, erstaunt wenig. Neben Ikea (und vielen nordischen Firmen) brilliert auch die teuerste Firma der Welt mit dem zunahetretenden und respektlosen “Du”, nämlich die deutschsprachigen Ableger des amerikanischen Unternehmens Apple. Dass der Nachfolger von Steve Jobs zum “alternativen Lager” gehört, ist bekannt. Leider ist er auch langweilig, keine Spur innovativ und ziemlich abgehoben, wie alle angeblichen Weltverbesserer.

Udo Kemmerling / 06.11.2016

Ist es nicht en vogue zeitgeistige Gesinnungsschnüffelei zu betreiben?!? Oder verstehe ich da was falsch, wenn ich der Meinung bin, dass zahlreiche Personen aus Politik und REGIERUNG genau dies gesellschaftsfähig machen? Gibt es nicht in der Zwischenzeit neue geflügelte Worte für dieses kranke Hobby, etwa “mit zweierlei Maas messen”?

Joachim Roux / 06.11.2016

Habe mich deswegen letzte Woche von diesen Religions- und Moralwächtern getrennt.

M. Haumann / 06.11.2016

Mich irritiert derzeit auch der penetrante Verkaufsversuch der schönen neuen Welt mit den Katalogen und Werbeprospekten, die vor Weihnachten verstärkt ins Haus flattern. Irgendwann nach dem Sommer gab es einen auffallenden Bruch und ein erheblicher Teil der Models sah nicht mehr wie bisher europäischstämmig aus - und das vorwiegend bei grossen renommierten Firmen und Produkten, die für die Mehrzahl der derzeitigen Einwanderer kaum interessant sein dürften. Was bewirkt das beim Konsumenten? Bei uns aufgrund des sehr unangenehmen Eindrucks der Zwangsfütterung, dass die Werbung unbesehen der Produkte in den Müll geht. Ich kaufe keine Weltanschauungen, nicht einmal, wenn man sie mir als vermeintlich kostenlosen Beifang auf den Teller zu legen versucht.

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