Die Angst sitzt ihnen im Nacken – kein Wunder, wenn sich "moderate Muslime" weltweit kaum durchsetzen können. Überall werden sie von ihren gestrengen Glaubensgeschwistern eingeschüchtert, bedroht, manchmal auch ermordet. Diese geben vor, was Islam zu sein und anerkannt zu werden hat. In Deutschland werden die "Moderaten" von der offiziellen Politik daher fast immer ignoriert. Eingeladen und eingebunden (etwa in interreligiöse Dialoge oder sog. Staatsverträge) werden allein die Orthodoxen und taktisch flexiblen Fundamentalisten.
Doch selbst in Saudia-Arabien, dem Mutterland des sunnitischen Steinzeit-Islam, können die Steine noch weich werden. Ahmed Qassim al-Ghamdi, ein harter Hund der strengen und allgegenwärtigen "Religionspolizei" des Landes und ihr oberster Chef in der Mekka-Region, begann zunehmend an seinem Tun zu zweifeln. Vieles, was sich als islamisch ausgab, beruhte, so fand al-Ghamdi heraus, gar nicht auf Koran und Sunna, sondern auf uralten vorislamischen Stammessitten.
Eines Tages nahm er seine Frau mit in ein TV-Studio und ging mit ihr auf Sendung – ein Affront, denn sie saß unverschleiert und sogar leicht geschminkt neben ihm. Danach änderte sich das Leben des provokanten Tugendwächters von Grund auf. Der Jäger wurde zum Gejagten. Anlass für einen Reporter der "New York Times", hinter die oftmals bizarren Kulissen der Saudi-Monarchie zu schauen, wo schon Katzenfotos oder Pokemon-Apps ein religiöses Problem darstellen und die Polizei anklopft, wenn ein älterer Mann von seinen Töchtern besucht wird. Ahmed Qassim al-Ghamdi mag noch ein Einzelfall sein. Aber für viele ist er ein Hoffnungsschimmer.
A Saudi Morals Enforcer Called for a More Liberal Islam. Then the Death Threats Began. Siehe hier.