Volker Seitz / 03.12.2017 / 12:17 / 17 / Seite ausdrucken

Afrika: Macron macht Europa ehrlich

Der französische Präsident Emmanuel Macron hielt am 28. November 2017 in Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, in der dortigen Universität eine Grundsatzrede, die ich auch gerne mal von einem deutschen Politiker gehört hätte:

„Es gibt in Afrika viele Familien mit sieben, acht oder neun Kindern pro Frau. Sind Sie sicher, dass dies jedes Mal die Entscheidung der jungen Frauen war? Ich will, dass ein junges Mädchen darüber entscheiden darf, ob sie mit 13 oder 14 Jahren heiratet und Kinder bekommt.“

Bereits im Juli 2017 beim G20-Gipfel in Hamburg sagte Macron, dass die beste Entwicklungshilfe nicht funktionieren könne, wenn afrikanische Frauen weiterhin sieben oder acht Kinder bekämen. Eine Verbesserung der Bildungschancen, insbesondere für Mädchen und Frauen, hätte viele positive Auswirkungen, besonders auf die Wirtschaft und die Gesundheit.

Während Präsident Macron die Probleme gegenüber Afrikanern immer wieder offen anspricht, hüten sich deutsche Politiker (aus falscher politischer Korrektheit oder ideologischen Gründen?), Klartext zu reden. Die Herausforderungen, die das dramatische Bevölkerungswachstum in Afrika mit sich bringt, scheinen bei unseren Entwicklungspolitikern nicht sehr präsent zu sein.

Auch beim Gipfel Afrikanische Union – EU am 29./30. 11. 2017 in Abidjan wurde das Thema Familienplanung von deutscher Seite nicht öffentlich angesprochen, als wenn es keinen Zusammenhang zwischen der Bevölkerungsentwicklung und der Migrationskrise gäbe. Aber die große Migrationswelle kommt erst noch. Die auch in Abidjan nicht angesprochene Frage des Zusammenhangs der Bevölkerungsentwicklung mit der hohen Jugendarbeitslosigkeit wird weiterhin Sprengstoff für den Kontinent bleiben – ungeachtet aller Versuche der Europäer, die Gründe für Wirtschaftsmigration zu beseitigen. (Der Einwanderungsexperte, Autor und Journalist Roy Beck zeigt das in seinem didaktischen Video oben anschaulich).

Schwanger statt Schule

Laut dem Weltbildungsbericht 2017/18 der UNESCO schließen in Subsahara-Afrika nur 59 Prozent der Kinder die Grundschule (6 bis 11 Jahre) ab. Beklagt wird die Qualität des Unterrichts, weil viele Abgänger nicht einmal über eine grundlegende Lesefähigkeit verfügen. Der Bildungssektor ist schlecht organisiert, Lehrer werden oft miserabel ausgebildet und schlecht bezahlt.

Viele Kinder, vor allem Mädchen, brechen ihre Schullaufbahn vorzeitig ab. Die Mädchen müssen auf dem Feld mithelfen oder geben aufgrund von Schwangerschaft auf. Vor allem in den ländlichen Regionen mangelt es an Schulen. Die Ausstattung der Schulgebäude ist schlecht, und an einer kontinuierlichen Stromversorgung hapert es sowieso. Oft findet der Unterricht im Freien statt. Im Sahel sind (laut einer Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung vom 30. 11. 2017) in den Ländern Mali und Mauretanien zwei Drittel der Erwachsenen Analphabeten.
 
Niger hat die weltweit höchste Analphabeten-Rate. Dort können etwa 80 Prozent der Männer und Frauen über 15 Jahre weder lesen noch schreiben. Laut Elke Erlecke, der Leiterin des Regionalprogramms Politischer Dialog Westafrika der Konrad-Adenauer-Stiftung, gibt es „70 Prozent Analphabeten im Parlament im Niger“. Die Bildungssituation im Niger ist sehr beunruhigend; dabei hilft auch nicht, dass der Staat gerade eine Schule „Ecole Dr. Angela Merkel“ benannt hat. Die Bildungsanstrengungen können nicht mit dem schnellen Bevölkerungswachstum Schritt halten.

Wichtig für den langfristigen Erfolg von Alphabetisierungskampagnen ist, dass sie von Maßnahmen zur Verbesserung der reproduktiven Gesundheit und Familienplanung begleitet werden. Neben dem Zugang zu Bildung muss auch deren Qualitätsverbesserung in den Mittelpunkt gerückt werden. Weniger als 40 Prozent der Schüler erreichen die letzte Grundschulklasse. Sie wachsen hinter einer Mauer von Unwissenheit und Armut auf. In vielen ländlichen Regionen ist den Familien immer noch nicht wichtig, ob jemand lesen und schreiben kann. Die Familie sieht ihren wirtschaftlichen Vorteil eher in vielen Kindern, die in der Landwirtschaft helfen können. Eine große Zahl von Kindern zu ernähren, können sich viele Familien inzwischen aber nicht mehr leisten. Je stärker die Bevölkerung zunimmt, desto mehr Menschen konkurrieren um die knappen Ressourcen.

Viele Kinder verschärfen die Armut

In West- und Zentralafrika heiraten 40 Prozent aller Frauen noch vor dem 18. Lebensjahr. Viele Kinder zu haben ist in Afrika ein Symbol für Männlichkeit. Früher stand Kinderreichtum in Afrika für Versorgung und Wohlergehen in der Familie. Die Frauen heute, je nach Bildung der Familienplanung gegenüber aufgeschlossen, sind dem Willen der Männer ausgeliefert.

Zahlen der ”UN Population Division“ sprechen eine klare Sprache: Ein Viertel aller Frauen in Afrika, die schon Kinder haben, möchten keine weiteren Kinder oder erst später wieder ein Kind. Untersuchungen haben ergeben, dass Mädchen, die in Afrika sieben Jahre oder länger zur Schule gehen, im Schnitt vier Jahre später heiraten und 2,2 Kinder weniger bekommen. Heute sind so viele Menschen geboren worden und werden es noch, dass Kinder die Armut verschärfen.

Sinkende Geburtenraten ebnen den Weg zu einer stabileren Gesellschaftsordnung. Südkorea hatte nach dem zweiten Weltkrieg ähnlich hohe Fertilitätsraten wie die meisten afrikanischen Staaten. Eine gezielte Familienplanung, Investitionen in Bildung für Männer wie Frauen und eine bessere Gesundheitsversorgung brachten dem Land Wohlstand. Die Bevölkerungsentwicklung ist rasch zurückgegangen und das schnelle Wirtschaftswachstum sorgte dafür, dass heute Südkorea ein reiches OECD-Land ist.

Das Bevölkerungswachstum ist mit Sicherheit einer der wichtigsten Faktoren bei der Bekämpfung der Fluchtursachen. Die deutsche Entwicklungshilfe sollte ihre Gelder an Familienplanung koppeln, indem sie den Zugang zu Gesundheitsvorsorge wie Bildung erleichtert und fördert. Immer noch setzt die deutsche Hilfe andere Schwerpunkte als Familienplanung.

Das Entwicklungshilfe-Ministerium (BMZ) scheint sich dieser Gefahren nicht bewusst zu sein. Klassische Familienplanung, also die Bereitstellung von Verhütungsmitteln, spielt in aktuellen Entwicklungskonzepten kaum eine Rolle. Wenn es um Maßnahmen geht, steht Familienplanung immer noch nicht an erster Stelle. Dass dies die richtige Strategie ist, bezweifelt zum Beispiel die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW). Geschäftsführerin Renate Bähr fordert in diesem Zusammenhang eine Nachbesserung des deutschen Afrika-Konzepts. „Ziel muss es sein, dass Frauen selbstbestimmt entscheiden können, wann sie Kinder bekommen möchten, und wie viele“, sagt Bähr. Nur 20 Prozent der Frauen in Afrika haben Zugang zu Verhütungsmitteln.

Dabei hat die Familienplanung auch einen langfristigen Effekt: Je weniger Kinder eine Frau bekommt, desto besser kann sie sich um jedes einzelne Kind kümmern – und desto größer sind auch die Chancen für ihre Töchter, zur Schule zu gehen und eine Ausbildung zu machen. Besser gebildete Frauen können sich auch besser durchsetzen – in allen Bereichen der Gesellschaft.

Es gibt unterstützenswerte Ansätze, wie die Aktionstage für Familienplanung im Senegal, an denen auch Männer über die Vorteile kleinerer Familien und Fragen der Verhütung informiert werden. In Nigeria wurde sogar 2012 schon einmal ein „Geburtenkontrollgesetz“ diskutiert, allerdings wieder fallen gelassen. Das Problem liegt an der Dominanz der Männer, gebildete Frauen bedeutet für die Männer Macht- und Kontrollverlust.

 

Anmerkung zum oben gezeigten Video:

Roy Beck, Einwanderungsexperte, Autor und Journalist zeigt anschaulich: Die Einwanderungs- und die Wirtschaftspolitik der westlichen Welt verstärkt die weltweite Armut sogar oft noch. Der einzige Ort, an dem 99,9 Prozent dieser Menschen geholfen werden kann, ist der Ort in dem sie Leben.

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Buches „Afrika wird armregiert“, das im Herbst 2014 in erweiterter siebter Auflage bei dtv erschienen ist. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.

Foto: Claude Truong-Ngoc CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Simone Robertson / 04.12.2017

Nur noch Sachleistungen bei der Entwicklungshilfe! Schulen bauen (und unterhalten!). Kostenlose Schulbildung und ärztliche Versorgung, evtl. ein Sack Lebensmittel im Monat oder einen Kleinkredit, damit die Leute sich was aufbauen können. Bedingung: Die Frau der Familie holt sich nach dem zweiten Kind alle drei Monate eine Verhütungsspritze ab. Auf jeden Fall aber: Europas Grenzen müssen geschützt werden. Wenn die kräftigen jungen Männer, die bei uns nicht wissen, wohin mit ihrem Elan, diesen dafür einsetzen würden, im eigenen Land für Veränderungen zu sorgen, stünde Afrika besser da. Die Machthaber wollen nur Bargeld von Europa, sie wollen keine Einmischung. Nun, ohne Einmischung geht es aber nicht. Wer nicht will, der hat schon. Soll die Bevölkerung doch diese korrupten Gesellen stürzen. Dann dürfen sie sich, zwecks Rat und Tat, gern an Europa wenden. Das beste wäre vielleicht eine Art “Kolonialisierung”, bei dem selbstverständlich die Reichtümer im Land bleiben. Jedes westliche Land könnte die Patenschaft für eine Region übernehmen, bis die soweit sind, dass sie es selbst schaffen.

Andreas Horn / 04.12.2017

Das ist diesmal nicht verkehrt was Sie schreiben, Herr Seitz. Wenn ich Ihren vorhergehenden Artikel allerdings ins Verhältnis setze, wissen Sie nicht was Sie schreiben oder wollen! Was schrieben Sie da - “kein Hunger”, auch Sie wußten nicht, wie man Mittel für Projekte einsetzen sollte, weil es angeblich keine gibt, oder das Geld im Dezember sinnlos zum “Fenster rausgeschmissen”?! Versuchen Sie mal eine Linie zu finden, statt Leute, die wirklich an der Basis in Afrika arbeiten, zu diskreditieren ! Ihre ” Salonerfahrungen” in Afrika , die Sie verallgemeinern, sind wirklich unerträglich ! Mit besten Grüssen!

Dieter Kief / 04.12.2017

Die Bundesregierung unterstützt Familienplanung in Afrika und betreibt zusammen mit der Bill und Melinda Gates Stiftung entsprechende Projekte dort. sie kommuniziert das aber (viel!) zu zurückhaltend.

Jochen Lindt / 03.12.2017

Wenn die Verhältnisse in Afrika/Arabien einigermaßen positiv wären, dann entfielen die Gründe für eine Immigration nach Europa via Asylrecht.  Unter anderem deshalb hat dort kein Mensch Interesse daran, auch nur das Geringste zu ändern.  Das gilt für die Regierungen ebenso wie für die Völker. Denn in Europa sind diese überschüssigen jungen Menschen ( eigentlich die Männer)  “wertvoller als Gold”, das ist so ziemlich das Erste was sie lernen. Europa wartet auf sie, jeder ist willkommen und eingeladen. Deutschland schenkt jedem Neuankömmling ein Haus und ein Auto, zusätzlich zum Gratiseinkommen. Erst wenn Europa seine Grenzen schützt und diesem Mythos ein Ende macht, dann werden sich diese Länder vielleicht um ihre hausgemachten Probleme kümmern. Allerdings halte ich das für ziemlich unwahrscheinlich. Afrika ist nicht China und kein Araber arbeitet wie ein Koreaner.

Ulrich Jäger / 03.12.2017

Die Rechnung ist doch für unsere abgebrochene Theologiestudentin aus Gotha und (da möge der liebe Gott vor sein!) mögliche grüne Vizekanzlerin ganz einfach: die sinkenden Geburtenzahlen in Deutschland und der damit verbundene Bevölkerungsrückgang werden durch den “Menschenüberschuss” Afrikas locker kompensiert. Daher ihr epochaler Ausspruch “Wir bekommen Menschen geschenkt!”

Rainer Nicolaisen / 03.12.2017

Aldous Huxley hat es vor vielen Jahrzehnten einmal prägnant und gültig gefaßt: “No death-control without birth-control.”

C. J. Schwede / 03.12.2017

Danke.

Nele Werrmann / 03.12.2017

Bevölkerungsexplosion! Da ist doch schon lange nicht mehr der immer wieder gern dafür bezichtigte Papst dran schuld. In den vom Islam dominierten großen Teilen Afrikas, begünstigt durch urzeitliches Clan- und Stammesdenken, wird sich ohne Sinn und Verstand vermehrt. Dank erfolgreicher Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit, auch durch Entwicklungshilfe, können immer mehr dieser armen Würmchen zwar überleben, haben dann aber nichts mehr zum Überleben. Also, auf nach Europa, zum Geburtendschihad, willkommen bei Angela!

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