Peter Grimm / 25.01.2017 / 12:40 / Foto: Belinda Hankins Miller / 2 / Seite ausdrucken

Schulz und Merkel: Wie wäre es mit Ämterteilung?

Die sozialdemokratische Kanzlerkandidatenkür ist schon ein schönes Schelmenstück. Das erste und vielleicht einzige Mal in diesem Wahlkampf gelingt der SPD eine richtige Überraschung, so dass sich alle Medienschaffenden, freudig erregt vom Unerwarteten, vorrangig mit den Sozialdemokraten beschäftigten. Wenn man den ebenso freudig erregten SPD-Vize Ralf Stegner am Dienstagabend im Fernsehinterview des ARD-Brennpunkt sah, spürte man förmlich den Stolz ob des gelungenen Streiches. So oft sieht man seine Mundwinkel sonst nicht nach oben wandern. Er sah so aus, als hätte er am liebsten gerufen: „Ätsch!“

Grund genug zu diesem Stolz gäbe es ja auch. Die SPD hat es geschafft, ganz ohne politischen Inhalt für echte Aufregung zu sorgen. Erst verzichtet Martin Schulz generös auf die Kanzlerkandidatur und gibt sich in der Öffentlichkeit bescheiden mit einem Ministeramt zufrieden. Dann glauben alle, dass es Sigmar Gabriel machen muss, doch plötzlich verzichtet der wiederum ganz bescheiden auf Kandidatur und Parteivorsitz, nur ein prestigeträchtigeres Ministeramt als jetzt müsse für ihn drin sein. Nun ist wieder Martin Schulz am Zuge, der plötzlich wie ein Hoffnungsträger gepriesen wird. Weil er nicht am Merkelschen Kabinettstisch saß, könne er glaubwürdiger und erfolgreicher wahlkämpfen, frohlocken die Spitzengenossen. Selbst etliche Medien kommentieren derzeit in gleicher Weise. Sind die alle von ihrem Kurzzeitgedächtnis verlassen worden oder erinnere ich mich falsch?

Es ist doch erst zweieinhalb Jahre her, da befand sich Martin Schulz als Spitzenkandidat zur Europawahl im Wahlkampf. Der Sozialdemokrat wollte EU-Kommissionspräsident werden und trat gegen Jean-Claude Juncker an. Zumindest wurde das so inszeniert, denn eigentlich hat das Europaparlament nur beschränkten Einfluss auf die Besetzung der EU-Kommission. Dennoch sollte es diesmal wie im richtigen Wahlkampf sein. Gerade Martin Schulz wollte das so und was er präsentierte war eine Farce.

Martin Schulz eher als personifizierte Große Koalition

Es gab TV-Duelle der Spitzenkandidaten, die auch dem letzten Fernsehzuschauer zeigten, dass die einzig grundlegende Differenz zwischen Schulz und Juncker darin bestand, dass beide ein Amt haben wollten, das dummerweise nur einmal zu vergeben ist. Ansonsten erschien Martin Schulz eher als eine personifizierte Große Koalition. So sah man ihn auch als Parlamentspräsidenten, laut und mutig den herrschenden Mainstream verteidigend.

Welchen Grund gibt es nun für die Erwartung, dass Duelle zwischen Schulz und Merkel anders verlaufen sollten? Zwar saß dieser Genosse nicht mit am Kabinettstisch, aber er gehörte in Brüssel und Straßburg zu lautstarken Verteidigern der Merkel-Politik gegen Kritiker aus anderen europäischen Ländern. Die einzige Differenz dürfte wiederum sein, dass es das angestrebte Amt nur einmal gibt. Obwohl sich Schulz wahrscheinlich keine ernsthaften Chancen ausrechnet und letztlich auch mit einem Vizekanzlerposten zufrieden sein dürfte. Wir haben ja bei der Kandidatenkür gesehen, wie bescheiden die Spitzengenossen sein können.

Aber vielleicht hecken die Kandidaten nach der Wahl noch eine Überraschung aus. Wie wäre es denn mit einer Ämterteilung? Man könnte doch einen Teil der Legislaturperiode Angela Merkel regieren lassen, den anderen Schulz. Geschlechtergerecht ausgedrückt, wäre das modernes Jobsharing im Amt der/ des Bundeskanzler*_in.

Eine solche Art der Großen Koalition wäre für Deutschland etwas völlig neues, die SPD dürfte mal wieder den Kanzler stellen und der Öffentlichkeit ließe sich das bestimmt als Sieg der Vernunft und Schlag ins Gesicht der Populisten verkaufen. Das hätte auch den Charme, dass die Kanzlerin den Satz, Demokratie lebe vom Wechsel der Regierung, wieder ohne rot zu werden sagen dürfte. Es wäre nur eben eine gelenkte Demokratie, aber in Zeiten, da sich die Bundesregierung im Kampf gegen „Fake-News“ genötigt sieht, ein Amt festlegen zu lassen, was wahr und was falsch ist, sollte auch die Demokratie ein wenig gelenkt werden.

Außerdem ist der Kampf gegen Fake-News für unseren neuen SPD-Kanzlerkandidaten eine Herzensangelegenheit. Er forderte dazu schon im Dezember letzten Jahres EU-weite Gesetze, als „Verschärfung des Ansatzes von Justizminister Heiko Maas (SPD)“, wie er auf seiner Webseite schrieb. Der Satz: „Nur wenn Sie Martin Schulz und die SPD wählen, kann ein Deutscher Präsident der EU-Kommission werden“ ist übrigens keine Fake-News, sondern ein Wahlkampfslogan des Kandidaten aus dem Jahr 2014. Heutzutage gäbe es dafür das Etikett „Rechtspopulist“.

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Leserpost

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Florian Bode / 25.01.2017

Man könnte auch die von Stan Laurel und Oliver Hardy dargestellten Charaktere monatlich abwechslnd den Kanzler darstellen lassen.  Was diese Flitzpiepen in Brüssel-Berlin der Politik an Glaubwürdigkeit rauben ist in Jahren nicht wiederzugewinnen.

Karla Kuhn / 25.01.2017

Wenn man die Geschmacklosigkeiten, die uns serviert werden, wirklich essen würde, sie würden uns im Hals stecken bleiben. Ich wäre froh, wenn Merkel nicht mehr angetreten wäre aber in diesem Fall bin ich sogar froh, denn Schulz ist für mich überhaupt nicht tragbar. Dieser Mann. der sich selbst erhebt, wird-hoffentlich—erniedrigt werden. Vom Grundgesetz hat der Typ ja gar keine Ahnung, sonst würde er nicht solchen Mist verbreiten. Und der Will Kanzler werden ? Lieber Gott, bitte laß das nicht zu.

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