Die Politiker gelten ja gemeinhin als abgehoben, nicht mehr mit den Sorgen und Nöten der einfachen Bürger vertraut. Zu sehr sind sie mit den großen wichtigen Themen beschäftigt. Fährt ein islamistischer Attentäter auf einem Berliner Weihnachtsmarkt gezielt 12 Menschen zu Tode, dann müssen schließlich alle Muslime und die generell zu „Flüchtlingen“ erklärte Gesamtheit der letztjährigen Zuwanderer vor einem Generalverdacht geschützt werden. Von bösen Rechtspopulisten und solchen, die man dazu erklärt hatte, weil sie den „alternativlosen“ Beschlüssen der Kanzlerin nicht folgen mochten, drohte Ungemach. Gerade Letztere konnten darauf verweisen, dass sich manche ihrer kritischen Prognosen erfüllten. Trotzdem immer wieder zu erklären, dass der zwölffache Mord mit alledem nichts zu tun habe, war äußerst anstrengend. Danach konnten die Volksvertreter ihre Weihnachtsruhe nicht mehr für ein sichtbares Gedenken an die Opfer unterbrechen. Zumal doch der Weihnachtsfrieden so schön jede Aufregung zudecken konnte.
Und nach der Weihnachtspause wartet schon die Erarbeitung eines Gesetzes, das falsche Nachrichten verbietet, damit alle Deutschen künftig nur noch die Wahrheit sagen. Bei solch großen Aufgaben in großer Zeit kümmert sich wieder niemand um die kleinen wichtigen Dinge des Lebens.
Die Gesamtgesellschaftliche Dimension des Feuchtuches
Niemand? Nein! Die linken Abgeordneten Birgit Menz, Ralph Lenkert, Caren Lay und Eva Bulling-Schröter haben ein Thema angepackt, das jeden betrifft und allen Menschen auf den Nägeln brennt. Es soll nämlich Menschen in diesem Lande geben, die nicht wissen, dass man Feuchttücher nicht in die Toilette wirft, sondern im Hausmüll zu entsorgen hat. Wer nun denkt, es sei höchstens ärgerlich, wenn in Folge solchen Tuns die Toilette verstopft ist, übersieht die gesamtgesellschaftliche Dimension dieses Themas. Solchen Ignoranten sei die Lektüre der Bundestags–Drucksache 18/10588 empfohlen, der Kleinen Anfrage der o.g. Genossinnen und Genossen:
„Feuchttücher erfreuen sich in Privathaushalten immer größerer Beliebtheit. Sie kommen nicht nur für die tägliche Hygiene von Babys zum Einsatz, sondern auch bei der Kosmetik, beim Putzen oder beim Toilettengang. Weil die benutzten Feuchttücher häufig über die Toilette entsorgt werden, kommt es oft zu Verstopfungen in den Abwassersystemen und zu Pumpenausfällen. Denn anders als gewöhnliches Toilettenpapier bestehen die meisten Feuchttücher aus wasser- und reißfestem Vlies, das sich im Abwasser nur schlecht zersetzt. Dass sie deshalb nicht in die Toilette, sondern in den Hausmüll entsorgt werden müssen, ist vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht bewusst. Eine Kennzeichnungspflicht besteht ebenso wenig wie verpflichtende, unabhängige und aussagekräftige Zerfallstests oder normierte Standards für die Spülbarkeit von Feuchttüchern.“
Wäre eine solch wichtige Angelegenheit, Warnhinweise für Feuchttuchpackungen auszuarbeiten und vorzuschreiben, nicht eigentlich Sache der EU? Soweit wollen wir jetzt nicht gehen, sondern zunächst die nationalen Herausforderungen in der Feuchttuch-Frage beleuchten:
„In den letzten Jahren wurde ein massiver Anstieg verstopfter Pumpwerke verzeichnet,weil sich Feuchttücher an den Rotorblättern verfangen und dort sogenannte Verzopfungen entstehen. Außerdem kommt es zunehmend zu Verstopfungen von Rohren sowie der Rechenanlagen in den Klärwerken. Die Reinigung der Pumpen erfolgt per Hand und verursacht somit Kosten für anfallende Arbeitsstunden. Hinzu kommen ansteigende Kosten aufgrund häufiger notwendig werdender Wartungsarbeiten für den Austausch von Pumpen oder den Einsatz neuer Techniken. Der durch unsachgemäße Entsorgung entstandene Schaden bewegt sich im Millionenbereich und wird über die Abwassergebühren an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben, wie in einem Artikel vom 14. Januar 2016 unter der Überschrift „Feuchttücher verstopfen Stormarns Abwasserkanäle“ erklärt (http://www.abendblatt.de).“
Die Bundesregierung zeigt sich skandalös uninformiert
Von Stormarn lässt sich ja wohl repräsentativ aufs ganze Land schließen. Und trotzdem zeigt sich die Bundesregierung skandalös uninformiert in der Feuchttuch-Frage:
„Zu den bundesweiten Kosten oder den durchschnittlichen Kostensteigerungen, die bei der Abwasserbeseitigung entstehen können, wenn Feuchttücher über die Toilette entsorgt werden, liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Daher können auch die volkswirtschaftlichen Auswirkungen nicht geschätzt werden.“
Immerhin soll das jetzt endlich untersucht werden. Auch bei anderen, von den Linken angemahnten Feuchttuch-Schäden, gibt sich die Regierung reichlich unwissend und versucht ihr Nicht-Handeln auch mit fehlenden wissenschaftlichen Erkenntnissen zu begründen. So als würde die Bundesregierung sonst auf wissenschaftliche Erkenntnisse warten, bis sie handelt. Wer das Klima aufgrund von Hypothesen retten will, indem er unausgereifte Energieerzeugung subventioniert und eine Energiewende ausruft, die die Versorgungssicherheit gefährden kann, sollte in der Feuchttuchfrage nicht so zimperlich sein:
„Wissenschaftlich abgesicherte Daten zur Freisetzung von Mikroplastik aus Feuchttüchern, die in das häusliche Abwasser gelangen mit einer anschließenden Passage durch Kläranlagen, liegen aktuell nicht vor. Es gibt einige wenige Publikationen zur Mikroplastik in behandelten Abwässern. Die vorhandenen Erkenntnisse reichen nicht aus, um eine abschließende Einschätzung der Relevanz bzw. Risikoabschätzung abgesichert vornehmen zu können, da dafür auch notwendige harmonisierte Untersuchungsverfahren derzeit nicht existieren. Dies gilt für Verfahren der chemischen Analytik ebenso, wie für biologische Untersuchungsmethoden.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat deshalb im Jahr 2016 einen entsprechenden Förderschwerpunkt ausgelobt, der noch im Dezember entschieden wird. Hier sollen u. a. vorhandene Untersuchungsansätze weiterentwickelt und zur Praxistauglichkeit entwickelt werden. In zwei vorlaufenden vom BMBF geförderten Forschungsverbünden sind das Umweltbundesamt (UBA) und das Bundesamt für Materialforschung und -prüfung (BAM) aktiv beteiligt. Ohne harmonisierte Untersuchungsverfahren werden priorisierende Bewertungen von Quellen (hier Feuchttücher) und Beeinträchtigungsmöglichkeiten betroffener Schutzgüter nicht möglich sein.“
Erst forschen, dann handeln? Wer hätte das gedacht?
Also in der Feuchttuch-Frage gilt nun tatsächlich: Erst forschen, dann handeln? Wer hätte das gedacht?
Doch man könnte nun wenigstens das Feuchttuch-Entsorgen in der Toilette bei Strafe verbieten oder vielleicht eine Feuchttuch-Abgabe wegen der Folgekosten einführen. Aber die Bundesregierung scheint das Problem nicht besonders ernst zu nehmen:
„Störungen im Betriebsablauf von Abwasseranlagen durch unsachgemäße Entsorgung von Abfällen über die Toilette lassen sich durch rechtliche Maßnahmen nicht minimieren oder verhindern. Hier kann mit gezielter Öffentlichkeitsarbeit entgegengewirkt werden.“
Und dann sollen die Bürger einfach selbst entscheiden? Eigenverantwortlich? In der Feuchttuch-Frage zeigt sich tatsächlich eine bedenkliche Abweichung vom sonstigen Regierungshandeln. Nicht, dass das die bösen Rechtspopulisten und alle, die man dazu erklärt hat, irgendwann entdecken und der Regierung vorhalten, warum sie auf anderen Gebieten nicht ihren Prinzipien in der Feuchttuchfrage folgt.
Alle Zitate aus dieser Bundestagsdrucksache.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Peter Grimms Blog Sichtplatz hier.