Gastautor / 27.01.2013 / 14:19 / 0 / Seite ausdrucken

Mit Antisemitismus handelt man sich nur Ärger ein

Wolfgang Pohrt

Hallo Henryk,
Du in Konkret? Habe heute das Heft bekommen und darin das Interview mit Dir gesehen.

Bist mit dem Walser-Sohn namens Augstein voll in die Falle getappt. Und warum? Weil Du mir 2003 nicht richtig zugehört hast.

Richtiger Antisemitismus ist “Juden raus!”. Die Nummer geht mangels Masse in Deutschland nicht mehr. Wer nicht drin ist, den kann man auch nicht rausschmeißen. Also verkündete ich damals zu Deinem Verdruss:

»Gestehen muss ich folglich, dass ich derzeit nicht in der Lage bin, irgend etwas hervorstechend Fremdenfeindliches oder Antisemitisches zu erkennen, das aus der Tiefe der deutschen Seele kommen und sich dort aus ergiebigen Quellen speisen würde. Irgendwo wurden mal Walser / Reich-Ranicki und Möllemann / Friedman erwähnt. Ich halte das für läppisch.

Andere Dinge sind weitaus ernster. Ein ständiges Ärgernis sind hier Nachrichtensprecher, die stets von Angriffen israelischer Soldaten auf palästinensische Flüchtlingslager erzählen, wenn das Ziel der Angriffe eine Ortschaft war, wo vor 50 Jahren vielleicht mal die Zelte und Baracken eines Flüchtlingslagers standen. Diese gebetsmühlenhafte anti-israelische Propaganda, immer mit einem petzerischen Unterton, bewirkt derzeit zwar wenig, sie ist aber steigerungsfähig, wie das Beispiel Jugoslawien lehrt.«

Es war damals schon klar, dass die Antisemiten es nicht auf Bubis, Friedmann oder Dich abgesehen haben, sondern auf Israel. Das hat Deine Eitelkeit verletzt. Aber von paar Krümeln wie Euch werden die nun mal nicht satt, die wollen reinen Tisch machen. Und dazu braucht man keinen Antisemitismus, sondern Israelkritik, das Äquivalent zur Islamkritik von Sarrazin und PI.(Konvergenz bei Beschneidung, Islam und Judentum sind einander recht ähnlich.) Mit Antisemitismus handelt man sich nur Ärger ein. Mit Israelkritik schwimmt man mitten im Strom.

Klar ist Augstein von Gesinnung Antisemit. Aber das hat nur ästhetische Bedeutung. Man ekelt sich halt, wenn der Papa bei der NSDAP war und der Apfel irgendwie nicht weit vom Stamm fällt. Aber man muss seinen Ekel auch mal runterschlucken. Es war jedenfalls nicht so schlau, Augstein öffentlich als Antisemiten anzugreifen. Denn was er schreibt, ist inzwischen europaweit und so ziemlich weltweit Konsens: Israel ist der Aggressor in Nahost und verhindert mittels Siedlungsbau Frieden durch Zweistaatenlösung.

Dabei weiß doch jeder, der bis drei zählen kann, was bei einer Zweistaatenlösung herauskäme: Entweder Hamas und Fatah murksen einander ab. Oder sie tun sich zusammen und versuchen, Israelis abzumurksen. Oder beides. Nicht weil sie besonders böse sind. Nur so zum Zeitvertreib, weil ihnen die Decke auf den Kopf fällt. Welcher Idiot soll denn dort in Fabriken investieren, wo die Leute arbeiten und Geld verdienen können? Das klappt bei den übrigen Staaten ringsum doch auch nicht. Die EU wird wieder zwecks Konfliktprävention Unsummen in den Hexenkessel kippen. Aber das ist, wie wenn man Feuer mit Benzin löscht. Große Beute, großer Kampfgeist.

Der Frieden! Im Gaza-Krieg wurden die palästinensischen Opfer gezählt, man kam, glaube ich, auf lumpige 1.300. Ungefähr eine Wochenration damals im Irak, wo Sunniten und Schiiten einander mit Sprengfallen beharkten. Und jetzt in Syrien: 80.000! So viele haben die Israelis noch in keinem Krieg zur Strecke gebracht, die Araber können das einfach besser. Aber das ist immer so und war bei den Europäern nicht anders.

Weder Hunnen noch Türken oder islamische Eroberer haben sie so gründlich dezimiert wie sie selbst einander. Im amerikanischen Büprgerkrieg sind mehr Amerikaner draufgegangen als in den Kriegen gegen äußere Feinde. Wenn einer umgebracht wurde, guckt sich die Mordkommission aus gutem Grund erst mal die Familie an.

Also warum der Schwachsinn mit Frieden durch Zweistaatenlösung? Weil man sich mit dem Mächtigeren arrangieren muss. Die Israelis sind wenige, die anderen sind mehr und haben Öl. Und Amerika hat abgerüstet, die verbliebenen Flugzeugträger dürfen bald schrottreif werden, und neue sind schon lange nicht mehr vom Stapel gelaufen.

Mehr Sorgen als um Augstein mache ich mir derzeit um Israel und gucke deshalb lieber nicht genauer hin, weil mich das deprimieren könnte. Das Erfolgsgeheimnis der Armee war die hohe Kampfmoral der Soldaten. Die Kampfmoral wiederum war ein Derivat der hohen Staatsmoral gewesen. Die hat nachgelassen. Der Libanonkrieg ging schon ziemlich schief. Unnötige Verluste auf israelischer Seite, weil die Führung nur mit halbem Herzen bei der Sache und mit der anderen Hälfte bei ihren Privatgeschäften war. Es gibt eben Ämter, die fordern den ganzen Mann. Die Ämter eines Verteidigungsministers und eines Ministerpräsidenten in Israel gehören unbedingt dazu.

Wenn einer von denen sich wegen Korruptionsvorwürfen verantworten muss, Olmert hieß er wohl, steht es um die Verteidigungsbereitschaft nicht gut. Warum haben die Serben den Jugoslawienkrieg verloren? Weil die Kommandeure tagsüber Sarajewo mit Granaten beschießen ließen und den Muslimen nachts welche verkauften. Das gleiche Spiel an allen Fronten.

Anderes Beispiel: Aus dem Gaza-Krieg wurde von Plünderungen durch israelische Soldaten berichtet. Geldbeträge, Kleinigkeiten, hinsichtlich des Schadens nicht der Rede wert. Militärisch aber hochgefährlich. Warum? Als die irakische Armee sich im Golfkrieg aus Kuweit City zurückziehen musste, haben die Soldaten erst mal kräftig eingepackt. Die Fahrzeuge waren mit Teppichen und Wertgegenständen überladen und kamen nicht voran. Sie wurden von amerikanischen Jagdbombern erwischt, der ganze Konvoi ist in Flammen aufgegangen, überlebt hat keiner. So kann es laufen, wenn die Soldaten noch andere Interessen im Kopf haben als ihren Job. Und in einer dynamischen, modernen Gesellschaft mit extremer ökonomischer Ungleichheit nimmt sich halt auch der kleine Mann an den Happy Few ein Beispiel.

Ich denke, die Israelis können sich ganz gut selber helfen, wenn sie stark sind. Ob ihnen auch jemand helfen wird, wenn sie schwach werden - wer weiß es. Und die Stärke ist eben auch eine Frage der Innenpolitik.

Was den Israelis ganz bestimmt nicht hilft, ist verbale Herumdrescherei auf den Moslems hier. Die alte Langspielplatte seit dem Berliner Antisemitismusstreit, nur dass die Juden durch die Moslems ersetzt wurden: »Sie wollen sich nicht integrieren. Und wenn sie sich integrieren wollen und sich für integriert halten …. sind sie es nicht wirklich.« Also wenn die Moslems sagen, was Augstein sagt, kommt es bei den Moslems vom Islam.

Islamophobie ist eine Art Aufbautraining für schwächelnden Antisemitismus. Bei den Moslems risikolos üben, und dann, wenn man es kann: »Ist Israel nicht auch ein Gottesstaat? Wie ist das mit Ehe und Scheidung? Sind die Juden nicht genau so fanatisch wie die Moslems?« Etc. Kannst Du alles heute schon in den Foren nachlesen.

Was hilft? Vielleicht die Erkenntnis, dass es keine Endlösungen gibt, auch die Zweistaatenlösung wäre keine. Man muss halt mit Problemen leben und sich durchwursteln und den Leuten ab und zu kräftig die Ohren langziehen, wenn sie es übertreiben, wie die Hamas mit Raketen auf Israel. Such ist Life.

Bis dann,
Wolfgang

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