Wolfgang Röhl / 22.03.2016 / 07:52 / Foto: Vaishal Dalal / 6 / Seite ausdrucken

23 verreckte Rinder: alles bio oder was?

Wie, Sie haben noch nichts von dem neuesten Skandal in der Agrarindustrie mitbekommen? Also, Mitte März wurde buchstäblich ruchbar, dass ein Landwirt - bis vor kurzem Mitglied eines anerkannten Anbauverbandes - auf seinem Betrieb bei Groß-Sterneberg in Niedersachsen offenbar 23 Galloway-Jungbullen verrecken ließ. Ein anonymer Anrufer habe den Kreisveterinär in Stade alarmiert, meldete das lokale „Wochenblatt“.

Behördenmitarbeiter entdecken auf einer völlig durchnässten, abgefressenen Wiese zehn tote Jungbullen. „Die stark abgemagerten Tiere waren regelrecht im Moor versunken“, ergänzte das Fachblatt „Land & Forst“. Weitere Kadaver soll der Landwirt auf seinem Hof gelagert haben. Die Kreistierärzte hätten auch seinen Boxenlaufstall inspiziert, in den rund 100 Rinder untergebracht waren. Das Güllereservoir sei überfüllt gewesen, so dass die Tiere in ihren eigenen Fäkalien gestanden hätten. Der Landkreis geht nun auch Hinweisen nach, dass die Rinderdatenbank des Hofes nicht korrekt geführt wurde.

Wo bleiben "Peta" und BUND?

Und nun raten Sie mal, weshalb der „grausige Fund“ („Wochenblatt“) so gut wie gar nicht in bundesweiten Medien aufschien. Abgesehen von einer dürren Meldung im „Focus“, die auf einer ebenso dürren dpa-Meldung basierte. Und woran könnte es liegen, dass sich die Tierfreunde von „Peta“ oder vom „Bund“ in dieser Sache auffallend still verhielten? Sie, die ansonsten bei jedem wirklichen oder angeblichen Fall von Tierelend aufschreien?

Richtig geraten. Der Bauernhof, um den es geht, ist kein Zulieferer der üblichen Verdächtigten vom Schlage Wiesenhof. Es handelte sich bei dem Rinderschänderbetrieb um einen „Bio-Bauernhof“. Ihm war das Zertifikat des famosen Anbauverbandes „Bioland“ erst zum 1.1. 2016 entzogen worden war, nachdem der Hof November 2015 bei einer Stichprobenkontrolle negativ aufgefallen war.

Das passt natürlich nicht gut ins Bild von der tierliebenden, ökokorrekten Biolandwirtschaft, die von weiten Teilen der Medienlandschaft permanent ins öffentliche Bewusstsein eingepflegt wird. Mit dem Fall der 23 toten Rinder ein Fass aufzumachen, würde zu hässlichen Fragen führen.

Warum hat Bioland den Bauern nicht angezeigt?

Zum Beispiel diesen: Warum hat Bioland nach der Inspektion des Hofes im November, bei dem offenbar massive Verstöße gegen staatliche Tierhaltungsvorschriften sowie gegen die von Bioland selbst aufgestellten Haltungsvorschriften festgestellt wurden, den Bauer nicht subito bei den Behörden angezeigt? Wenn Bioland ein Zertifikat zurückzieht, kann das für den Betroffenen bekanntlich ruinös sein – da müssen dann schon schwerste, womöglich strafrechtlich relevante Verstöße vorliegen.

Ferner die Frage: Wie viele Betriebe, die mit dem Bioland-Siegel gute Geschäfte machen, aber vielleicht gar nicht bio sind, mag es wohl noch geben? Dem Verband gehören angeblich mehr als 6000 Erzeuger an – wie oft kommt es da zu Stichproben? Wie hoch ist die Chance, dass ein Hof, der vielleicht anfänglich noch den Bioland-eigenen Kriterien irgendwie genügt hat, aber später zu einer Drecksklitsche mutiert ist, jahrelang weiterwurschteln darf, unter dem ethisch hochtrabenden und hochprofitablen Bioland-Label? Fragen zu Kontrollen, die sich konventionelle Landwirte von den Bio-Aposteln unablässig anhören müssen.

Das Muster EHEC und das Muster Lückenpresse

Apropos: Erinnern Sie sich noch an die EHEC-Epidemie von 2011? Bei der bislang fatalsten Lebensmittelvergiftung in Nachkriegsdeutschland starben 53 Menschen; 4400 erkrankten, zahlreiche Menschen leiden noch heute unter Nachwirkungen. Dass die Epidemie von ägyptischen Sojasprossen ausgegangen war, welche eine norddeutsche Biogärtnerei  in den allgemeinen Verzehr gebracht hatte, stand  - nach einigen Irrungen – bereits im Juni 2011 fest. Doch der „Deutschlandfunk“ insinuierte noch im September Zweifel an der Quelle der Epidemie, fabulierte vom „Baueropfer aus Bienenbüttel“ und breitete das kommerzielle Leiden der biologischen Sprossen-Dealer („Die Inhaber des Gärtnerbetriebes fühlen sich als Opfer der EHEC-Krise“) mitfühlend aus.

Fazit: Passiert im Agrarsektor ein Skandal, der nicht den Wiesenhöfen der Republik angelastet werden kann, sondern den Biohöfen, wird erst mal beherzt abgewiegelt. Oder, wie im aktuellen Fall der verreckten Rinder, einfach fein stille geschwiegen.

Nein, das ist nicht Lügenpresse. Bloß Lückenpresse.

 

 

 

 

 

 

 

 

        

 

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Leserpost

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Waldemar Undig / 23.03.2016

Bio ist halt eher im Kleinbetrieb möglich. Darunter kann es schon mal den einen oder anderen durchgeknallten Landwird geben. Da die Bio-Befürworter meist auch gegen Großbetriebe sind, kann man diesen Skandal ja auch als eine Art Gütesiegel auffassen.

Werner Geiselhart / 23.03.2016

Grundsätzlich kann das natürlich auch in der konventionellen Landwirtschaft passieren. Die Gefahr ist aber in der relativ kleinbäuerlichen Bio-Landwirtschaft wesentlich größer. Konventionelle Betriebe haben inzwischen solch eine Größe erreicht, dass derartige Sachen sofort auffallen und gemeldet würden. Sogenannte Tierschützer (PETA und Co.) nehmen sich nicht die Biobauern für ihre Aktionen vor, sondern die in ihren Augen verbrecherischen Großbetriebe. Komischerweise hat man da seit Jahren nichts mehr gehört, muss doch eigentlich ganz gut bestellt sein um die böse Massentierhaltung. Ich stamme im Übrigen aus einem Kleinbauernhof. Die romantisierenden Beschreibungen der guten alten Zeit durch die Öko-Fraktion können nicht von Leuten stammen, die vor 50,60 Jahren mal einen Bauernhof gesehen haben. Die 12 Kühe, die wir hatten, blieben das ganze Jahr im Stall, die Schweine waren zusammengepfercht in betonierten Ställen und wir waren noch einer der fortschrittlicheren Bauernhöfe. Zum Schlachten wurden die Schweine über den Hof getrieben und quiekten zu Steinerweichen. Also von wegen gute alte Bauernzeit. Man würde das heute eher als gnadenlos bezeichnen, was damals abging, es war aber einfach normal. Ich vermute sogar, wenn die Tiere heute abstimmen könnten, würden sie sich eher für einen modernen, konventionellen Großbauernhof entscheiden (lassen wir mal die Hühner aussen vor)

Arnold Bito / 23.03.2016

Sehr geehrter Herr Röhl! Vielen Dank für diesen Bericht und Kommentar. Der angesprochene BIO-Sektor ist wohl eine der größten Tabus in Bio-Ländern Europas. Vor vielen Jahren, 2 Jahre nachdem in Österreich ein “Volksbegehren” zum Thema Gentechnik (im Sinne von Kontra) abgehalten worden war, fand man eine kaum verbreitete, aber doch zumindest im “Profil”, einer in Ö bekannten Qualitätszeitschrift pubilizierten Meldung (mehr war es auch dort nicht…), dass ein als Biosoja verkauftes Produkt zu 40% aus Gentech-Soja zusammen gesetzt war. Ich bin kein kategorischer Gentechnik-Gegner, aber sehr wohl die BIO-Gemeinde. Es fand in Ö keine Debatte, weder in öffentlich rechtlichen, noch anderen Medien dazu statt. Dazu ist anzumerken, dass es sehr viel einfacher ist, den gentechnisch manipuliertem Anteil eines Pflanzenproduktes nachzuweisen als nachzuweisen, ob in der Wachstumsphase einer Pflanze irgendwann z.B. Herbizide oder Pestzide eingestzt worden sind. Das 2.erfolgreichste Volksbegehren in Ö unterschrieben übrigens etwa 1,2 Mio (!) Unterstützer bei damals unter 8 Bio Einwohner. Ich selbst war in einem Team involviert, dem es im Rahmen einer Wanderaustellung durch Ö um Aufklärung zum Thema Gentechnik in Landwirtschaft und Medizin ging. Außer Schulen erregte diese Austellung, obwohl bei uns in Salzburg in einem ansonsten sehr stark besuchten Naturkundemuseum und mehr als 2 Monate dauernden Austellung mit (gratis) Führung kaum auf Interesse. Seit damals habe ich kein Vertrauen mehr in 1) das wirkliche Interesse an neuen wissenschaftlichen Entwicklungen/Möglichkeiten und 2) schon gar kein Vertrauen in die Objektivität von Medien und Mitbürgern was das Themen Gentechnik bzw. “Bio” betrifft. Letzteres ist eine Ersatzreligion ihrer Anhänger und ein sehr gutes Geschäft für viele (ich hoffe, dass es nicht die Mehrheit ist) Bioprodukte, nichts weiter. Schade.

Bettina Landmann / 22.03.2016

Ein Bauer, der seine eigenen Kühe nicht mehr versorgt und sterben lässt, ist vermutlich in irgendeiner Form erkrankt. Inwieweit die Kühe bereits im November 2015 in so schlechter Verfassung waren, dass eine Anzeige Not getan hätte, wissen wir nicht. Der Fall hat mit Bio oder Nichtbio nichts zu tun, sondern spiegelt ein persönliches Drama wieder. Von solchen Fällen gibt es mehr als man denkt.

Hans Hofmann / 22.03.2016

EHEC und Fukushima waren zeitgleich. In den Medien wurde Fukushima gepimpt was das Zeug hielt, während EHEC vertuscht wurde, sobald Biobäuerinnen als Urheber identifiziert waren. 18.000 „konventionelle“ Erdbebenopfer wurden, im Dienste der grünen Welle, vorsätzlich-versehentlich dem Reaktorunglück zugeschrieben. Brave Anti-Atom-Demonstranten gingen auf die Straße und die Kanzlerin erließ ein Edikt zur Schließung der deutschen KKWs. Heute, 5 Jahre später, ist klar (siehe UNSCEAR Report von 2013 und UN White Paper von 2015), dass durch Fukushima niemand ums Leben gekommen ist, während EHEC verheerende Folge hatte. Gibt es in den deutschen Medien jetzt eine Richtigstellung dieser gespenstischen Fehlinformationen von 2011? Vielleicht deswegen nicht, weil sie für die Kanzlerin „wenig hilfreich“ wären? Wo sind objektive Berichterstattung und Unabhängigkeit der Presse geblieben? Was muss noch passieren, dass der deutsche Michel merkt, wie weit er sich schon in die „alternativlose“ rot-grüne Einbahnstraße hat schubsen lassen?

Reiner Engler / 22.03.2016

Ach der Deutschlandfunk. Letzten Sonntag Wissenschaftssendung mit Buchsprechung “Fracking”. Ein objektives, neutrales von einem sach- und fachkompetenten Autor geschriebenes Buch sinniert der Rezensent. Der objektiv-neutrale Buchautor kommt zu einer negativen Einschätzung der gesamten Fracking-Technologie, was dem DLF-Rezensenten hörbar behagt. Kurze Google-Suche nach dem Autor: Mitarbeiter der Ludwig-Bölkow-Stiftung (“Desertec”), Anhänger des Peak-Oil-Kultes, Redner bei diversen grünen NGOs (“energywatch-group”). Kurz: ein EEG-Lobbyist mit grüner Agenda größer als der Mount Everest. Hier ist ein Link zu dieser objektiven, neutralen Buchrezension: http://www.deutschlandfunk.de/fracking-eine-umstrittene-technik-unter-der-lupe.740.de.html?dram:article_id=348896 “Wer mitreden und sich auf den aktuellen Stand bringen will, kommt an diesem gründlich recherchierten und faktenreichen Buch nicht vorbei.”

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