112-Peterson: Go West-Helden oder Mörderbande?

Ideologien sind Teile, Bruchstücke, von Religionen. Im Wesentlichen benutzen sie denselben symbolischen Unterbau, aber sie erzählen nur einen Teil der Story. Lassen sie mich ein kleines Beispiel geben, ich mach es ganz kurz:

Als der amerikanische Westen besiedelt wurde, wurde er auf dem Weg einer Ideologie besiedelt. Die Story: ein heroisches Individuum – das ist positiv besetzt – bringt eine positive Kultur – das ist der weise König – in ein jungfräuliches, oder eher chaotisches Umfeld. Das ist dann die böse Stiefmutter. Also haben wir hier das positive Individuum, die positive Kultur und die böse Natur. Richtig? Und das ist eine motivierende Geschichte, um auf heroische Art Ordnung in die ungezähmte Natur zu bringen. Und jedes Jahr kamen eine Million Menschen aus Europa, die von diesem Narrativ angetrieben wurden. Okay.

Und hier haben wir das Gegennarrativ: Ein vergewaltigendes und plünderndes Individuum trägt die Verwüstung einer tyrannischen Kultur in eine jungfräuliche, wundervolle, ökologisch perfekte Utopie der Natur. Sehen Sie, diese Geschichte würde auch funktionieren. Aber beide Seiten haben eine Geschichte. Füge diese Geschichten zusammen und es wird eine religiöse Geschichte daraus.

Also das Individuum ist heroisch, aber es ist auch in gewisser Weise ein Gegner, ein grausamer Gegner. Und Kultur ist der "weise König", aber gleichzeitig auch der böse Tyrann. Und die Natur ist die wunderschöne, wundervolle Landschaft eines französischen Impressionisten, aber auch Krebs, Moskitoschwärme und Elephantiasis.

Also wenn sie ein halbwegs vernunftbegabter Mensch sind, würden sie sich sagen „O Gott, diese Geschichten widersprechen sich“. Ja klar, das tun sie, genauso ist es. Eine Ideologie saugt einen bestimmten Teil aus einer Geschichte religiösen Charakters und erklärt, dass es sich dabei um die ganze Wahrheit handelt. Die Ideologie ist aber nicht die ganze Wahrheit, sondern ein parasitäres Mem. Ideologien sind im Prinzip parasitäre Meme auf einem religiösen Unterbau.

Dieser Beitrag ist ein Ausschnitt aus dem Vortrag „Twelve Rules for Life“. Hier geht’s zum Original-Vortrag auf dem Youtube-Kanal von Jordan B. Peterson.

Foto: jordanbpeterson.com

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Leserpost

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Jochen Lindt / 28.03.2018

Definitionsgemäß ist eine Ideologie eine Religion ohne Gott.  An Stelle Gottes tritt das Ideal, bzw die ideale Gesellschaft der Zukunft. Mit anderen Worten: Das Paradies.

Dirk Jungnickel / 28.03.2018

Die schlimmste und teuflischste Ideologie war ( und ist ! )  die Ideologie des Kommunismus. Da es sich um eine Welterlösungs - Ideologie handelt, würden Sie wohl meinen, dass sie sich aus einer “Geschichte religiösen Charakters” -  das wäre das Christentum - einen Teil der Wahrheit saugt.  Für mich wäre dies inakzeptabel, ein Denken in Ellipsen.

Martin DeRoma / 28.03.2018

Ich finde Jordan Peterson ist einer der klügsten Köpfe und Denker unserer Zeit.

Werner Arning / 28.03.2018

Unsere (deutsche) Willkommenskultur könnte auch Willkommensideologie genannt werden, die Anleihen bei der Religion vornimmt. Sie argumentiert mit christlichen Versatzstücken, es wird die Bibel zitiert, etwa Jesuszitate, um das eigene Verhalten mit diesen zu rechtfertigen und zu untermauern. Man entleiht sich aus der Religion, was in das eigene Weltbild passt. Die nicht passenden Teile der Religion werden ignoriert. Wenn dann die Kirche bei diesem Spiel mitspielt, wird der Vorgang von der Öffentlichkeit kaum in Frage gestellt. Denn dann wird das Behauptete sozusagen „offiziell“. Die Kirche hat sich dann in den Dienst der neuen Ideologie gestellt. Da Menschheitsfragen, wie Gerechtigkeit, Barmherzigkeit in allen Religionen auftauchen, den Menschen bekannt sind, bedienen sich Ideologien gerne bei den Religionen, um sich selber eine „menschliche“, positiv besetzte Grundlage zu besorgen und sich gleichzeitig von höchster (göttlicher) Stelle rechtfertigen zu lassen. Auch das dient im Grunde der Irreführung der Menschen.

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