Wolfgang Röhl / 14.01.2013 / 09:26 / 0 / Seite ausdrucken

1094 Tiere

Der Skandal der vergangenen Woche? Nein, nicht Kinski, nicht Steinbrück, auch nicht Wowereit. Der größte Aufreger für alle, welche die Welt nur von ihren Kindern geliehen haben, war dieser: jeder Deutsche isst in seinem Leben 1094 Tiere. Das hat ein „Fleischatlas“ grüner Rechenkünstler ergeben.

Mit der Zahl von 60 Kilo Fleisch, die jeder von uns pro Jahr statistisch gesehen verputzt, beabsichtigen die Studien-Auftraggeber – u.a. „Bund“ und die Heinrich-Böll-Stiftung – selbstredend nur eines: den Deutschen ihre Lust aufs Fleischessen zu vermiesen. Viel ist von Massentierhaltung, Keimen, Antibiotika-Resistenzen und vorzeitigem Ableben (der Fleischkonsumenten) die Rede. Weil aber viele Bürger inzwischen auch gegen hoch dosierten Alarmismus resistent sind, setzten die Studienfabrikanten die magische Zahl 1094 in die Welt. Ein cleverer Schachzug.

1094 Mitgeschöpfe, die im Magen jedes Einzelnen landen! Auf den ersten Blick eine gewaltige Menge. Die wird allerdings etwas relativiert, wenn man aus der Studie erfährt, dass allein 945 Hühner mit von der Partie sind. Aber 46 Schweine und vier Rinder, die füllen ja den halben O.K.-Corral, oder? Wobei Rehe, Hirsche, Kaninchen, Wachteln etc. von der Studie seltsamerweise gar nicht erfasst werden. In meinem Fall kämen noch etliche Frösche dazu. Die gehen aufs Konto meiner einstigen Frankophilie.

Im Gegensatz zu den Wildtieren sind die im Fleischatlas genannten 1094 Kreaturen allerdings einzig zu einem Behufe auf die Welt gebracht worden: um verspeist zu werden. Anders gesagt, würden sie uns nicht schmecken, hätten sie nie gelebt, nicht mal kurz. Der schockierende Ersteindruck der Studie, wir würden die Welt ratzekahl fressen und bald gäbe es außer uns nichts mehr, was da kreucht oder fleucht, trügt womöglich ein bisschen. Schließlich bereiten sich die wenigstens von uns ein Menü aus Wachtelkönigpastete, Großtrappenragout und Biberschwanzconsommé zu. Auch Störche, Feldhamster, Schildkröten oder Nashörner stehen eher selten auf unserem Speiseplan.

Was die Studie gänzlich unerwähnt lässt, ist Fans schonungsloser Tier-Dokus etwa aus dem Discovery-Kanal sattsam bekannt. Die größten Tiervernichter sind die Tiere selbst! Der Schwertwal zum Beispiel gilt als „Spitzenprädator“. Wer mal sein ultrabrutales Raubverhalten gesehen hat, und wie er sich gegenüber dem harm- und wehrlosen Hering benimmt, ist zu Recht entsetzt. Auch Säugetiere – z.B. Robben und andere Wale - macht der Orca skrupellos platt. Der Hecht ernährt sich fast ausschließlich von Fischen, nicht mal seine eigenen Artgenossen verschont er.

Oder nehmen wir die Schleiereule: unstillbar ihr Appetit, besonders wenn sie Junge hat. Mehrere tausend niedliche Mäuse vertilgt sie per anno, aber niemand redet groß darüber. Der pfeilschnelle Gepard tötet, was ihm unter die Krallen kommt. Frisst dann aber oft nur ein paar Filetstücke von seiner Beute und macht sich zum nächsten Kill auf die Pfoten, weshalb ihn die Farmer im südlichen Afrika hassen.

Diese Tiere seien nun mal Karnivoren, sozusagen auf Fleischverzehr geeicht? Bittesehr: der Bär, ein Allesfresser, könnte sich ebenso gut zu hundert Prozent vegetarisch ernähren. Doch frisst er neben Pflanzen so gut wie alles, was bei drei nicht auf der Tanne ist - manchmal sogar die eigenen Sprösslinge. Und meine Katzen, die auf Vollpensionsbasis bei mir leben, könnten sich so fett fressen, dass sie kaum noch durch ihre Klappe kommen – trotzdem würden sie auch weiterhin Vögel, Mäuse, Maulwürfe umbrigen (letztere allein aus Mordlust, sie fressen nicht davon). Sogar kapitale Kaninchen killen sie, wie Löwinnen mittels Erdrosseln.

So und nicht anders sieht die Wahrheit über Tiere aus. Zum Glück gibt es seit einigen Jahren auf einigen TV-Kanälen die erwähnten Tierdokus, welche mit der deutschen Bambi-Lover-Seligkeit aufräumen. Noch nie eine gesehen? Fangen Sie mal mit dem Klassiker „Deep Blue“ (auf DVD) an. Aber nicht offen im Haus herumliegen lassen! Der Streifen sollte nur älteren Jugendlichen zugänglich gemacht werden. Und auch nur im Beisein Erwachsener.

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