Wenn denjenigen, die hierzulande die moralische Lufthoheit beanspruchen, etwas nicht passt, dann wird es reflexartig in die rechte Ecke befördert. Wer sich dort wiederfindet, ist nicht mehr satisfaktionsfähig. Man muss sich mit seinen Argumenten gar nicht erst auseinandersetzen, weil diese ganz und gar unanständig sind.
Jetzt gibt es eine neue Partei, Alternative für Deutschland nennt sie sich, die offenbar mehr Leute anspricht, als es sein darf. Also ab in die rechte Ecke. Besonders beeindruckt hat uns Stern.de, das die braune Gefahr so schilderte: „Auf dem Parteitag wird die Deutschtümelei offen zur Schau gestellt. Ein Mitglied trägt eine Deutschland-Schärpe, ein anderer Lederhosen. Beim Jubel wird eine Deutschlandfahne geschwenkt.“ Aber hallo! Lederhosen! Das riecht ja geradezu nach Obersalzberg. Genau übrigens wie das Münchner Oktoberfest, auf dem über sieben Millionen Besucher sich dieses Nazi-Symbol zu eigen machen. Wenn die alle AfD wählen, na dann gute Nacht.
Und überhaupt: Deutschlandschärpe und Deutschlandfahne! So was ist nur während der Fußball-Weltmeisterschaft erlaubt, wenn die Gesinnungswarte den Gebrauch vorübergehend freigeben. Ansonsten ist sie verboten, genau wie unter den Nazis übrigens.
Andere Medien schieben die AfD etwas sublimer nach rechts, etwa durch den Hinweis, dass es sich überwiegend um ergraute ältere Herren und Professoren handele. Da schwingt sofort Dirndl-Gate und Sexismus mit. Den Ton dafür gab Augstein Junior vor. „Die Macht des weißen Mannes wankt“ schrieb er im Zusammenhang mit Rainer Brüderle. „Männer, die das nicht begriffen haben, sind peinlich“. Oder Professoren. Oder vom Ku-Klux-Klan. Welcher Abgrund! Eine ernsthafte Kritik wird so leider nicht zustande kommen. Sollte sie aber.
Wer beispielsweise liest, was die Sprecher der AfD bislang zu allgemeinen gesellschaftlichen Themen geschrieben haben, der entdeckt wenig Freigeist und viel grünkonservative Apokalyptik. Da ist keine Spur von Fortschrittsoptimismus und einem Wissenschaft, Technik und den westlichen Werten aufgeschlossenem Weltbild, stattdessen viel romantische Naturtümelei. Wir haben durchaus Sympathien für die eurokritische Haltung der AfD, die ja in erster Linie eine Kritik am arroganten Verhalten der EU-Nomenklatura ist. Danach hört die Zuneigung aber schon auf.
Erschienen in DIE WELT am 19.04.2013