Markus Riedl
Die Dokumentation des SPIEGEL steht in dem Ruf, über so ziemlich jeden Politiker der Bonner und Berliner Republik irgendwas in der Schublade zu haben. Die Dokumentare prüfen und überprüfen Aussagen von Politikern im sog. “Münchhausen-Check” auf ihren Wahrheitsgehalt. Diesmal war der ägyptische Präsident Mursi dran.
Vor zweieinhalb Jahren hatte der nämlich in eine Fernsehsendung gesagt, die Israelis bzw. Zionisten seien Blutsauger, Kriegstreiber und die Nachkommen von Affen und Schweinen. Verpackt in eine Story um ein Gespräch Mursis mit Spiegel-Chefredakteur Georg Mascolo machen sich SPON und die Dokumentare so ihre Gedanken, ob der Satz möglicherweise nur irreführend zitiert worden ist - eine These, die angesichts des vorliegenden Videomaterials mit Mursis eindeutig erkennbarem Konterfei und der Klarheit der Aussage ein wenig schmallippig daherkommt.
Am Ende kommt raus, was rauskommen musste: Mursis Aussagen werden unter dem Label “antizionistische Polemik” subsumiert. Obwohl er die Israelis bzw. Zionisten als Nachkommen von Affen und Schweinen bezeichnet, “richtet er sich nicht gegen Juden oder die jüdische Religion an sich, wie es teilweise fälschlich in deutschen Medien berichtet wurde”, erklärt SPON. Die bösen Konkurrenzmedien. Antisemitismus beginnt erst bei Sprüchen wie “Die Juden sind unser Unglück”, lernen wir. Dann ist ja noch gut.
Bleibt nur die Frage: Wie antisemitisch kann sich einer noch ausdrücken, bis diese Bezeichnung auch einmal wenigstens in einem solch eindeutigen Zusammenhang wie bei Mursi benutzt wird? Wenn der Blutsauger kein klassisches antisemitisches Zerrbild ist, was ist es dann? Von den Affen, Schweinen und Kriegstreibern ganz zu schweigen.
Wenn ein alter Muslimbruder, der sich antisemitisch äußert, nur “antizionistische Polemik” verbreitet, haben es die Antisemiten künftig schwer, wahrgenommen zu werden. Und auch Ahmadinedschad spricht ja stets nur vom Zionismus, den es zu beseitigen gelte.
Die Welt ohne Antisemitismus - sie ist wieder ein Stück näher gerückt.
Markus Riedl, 30, arbeitet als Journalist in Ravensburg
Siehe auch:
Der Besuch des gemäßigten Islamisten in Berlin
http://numeri249.wordpress.com/2013/02/01/islamist-in-berlin/