Ulli Kulke / 31.01.2013 / 08:06 / 0 / Seite ausdrucken

Gut, dass es Drohnen gibt

Kampfdrohnen, mit denen chirurgisch exakte Angriffe durchgeführt werden können, sind für den Zeitgenossen eine gefühlsmäßige Herausforderung, zugegeben. Demokratisch regierte Länder, die seit vielen Jahrzehnten die Todesstrafe abgeschafft haben, könnten sich vor der Aufgabe sehen, den finalen Todesschuss auf einen Feind zu setzen, der in dem Moment vielleicht gerade seinen Kaffee schlürft und keinen Menschen unmittelbar bedroht. Es ist nicht mehr eine Kriegswalze, die, mühsam, aufwendig in jeder Hinsicht und mit Macht in Gang gesetzt, um den Gegner zurückzudrängen, dann quasi als Nebeneffekt die feindliche Kommandozentrale außer Gefecht setzt. Und dabei – „völlig unbeabsichtigt“ zur Beruhigung des Gewissens und ohne Ansehen der Person – auch die Kommandeure erledigt, und nicht gefangen setzt.

Eine unbequeme Vorstellung für einen aufgeklärten, humanistisch geprägten Menschen.Und deshalb auch ethisch fragwürdig? Nein. Es ist eine ethische Herausforderung, das schon eher. Es ist, mal wieder, das Abwägen gefragt, auch wenn genau das für viele rigoristisch eingestellte Menschen wie für den Teufel das Weihwasser ist. Nicht jede Erleichterung im Krieg ist des Teufels. Weil es übrigens auch immer einen Gegner gibt, der seine ganz eigenen Maßstäbe setzt.

Der Unterschied zwischen Fragwürdigkeit und Herausforderung zeigt sich schon dann, wenn wir die Gegenfrage stellen: Kann es nicht auch ethisch fragwürdig sein, auf den Einsatz von Drohnen zu verzichten? Wer zählt die Menschen, die womöglich durch einen Verzicht auf Drohnen völlig unschuldig zu Tode kommen. Gewiss, demokratisch legitimiertes Handeln eines Staates zeichnet sich tunlichst dadurch aus, dass es nicht mit denselben, menschenverachtenden Methoden wie sie Gegner vorgeht, auch auf die Gefahr von Opfern. Das muss, darf und kann ihn aber nicht daran hindern, seine Instrumente anzupassen, gerade um seinen ethischen Anforderungen Genüge zu tun. Dafür ist es jetzt allerhöchste Zeit. Gott sei Dank gibt uns die Technik die Chance dazu. Und die Gewaltenteilung in den westlichen Staaten, die dies in legitmierten Bahnen ablaufen lassen kann.

Jahrzehnte lang, eigentlich seit Beginn von Mao Tse-tungs (genauso hieß der damals) langem Marsch, haben sich die Feuilletonisten, Essayisten, Verteidigungsexperten, Globalstrategen die Finger wund geschrieben, sie alle haben lamentiert darüber, dass der traditionelle Krieg ausgedient habe, dass eine Asymmetrie eingetreten sei zwischen nominell schwachen, unsichtbaren, trickreichen Gegnern, die aber kraftvoll und gezielt zuschlagen, wo es ihnen beliebt, die jegliche Kriegsfront ad absurdum geführt haben, auf die man mit einer eigenen Front antworten könnte. Die sich bar jeder Uniform unter das Volk mischen und die staatlichen Organe, Polizei, Militär, mehr oder weniger wehrlos erscheinen lassen. Ratlosigkeit hat sich darüber breit gemacht. Ein Gespenst ging um in der Kriegsberichterstattung: Der Guerillakrieg. Der Untergrundkrieg. Südostasien, Afrika, auch Lateinamerika, halbe Kontinente wurden durch ihn ins Chaos gestürzt. Die westlichen Staaten, die sie stützen wollten, waren ratlos, hilflos, konzeptlos, das Gejammer darüber auch hierzulande war groß. Die – je nach strategischem Bündnis – verhaltenen oder offenen Jubelrufe des Ostblocks erschreckend.

Ich will gar nicht verhehlen, dass mancher Guerillakrieger besser legitimiert war als der korrupte Führer der Bananenrepublik, die er angriff. Und womöglich würde man heute über Fidel Castro und seinen Kampf gegen Batista anders urteilen, wenn er sich nach seinem Sieg nicht unsinnigerweise – und aufgrund von groben Fehlern der USA – in den Schoß der Sowjetunion begeben hätte. Die Frage der Asymmetrie der Kampftechnik, der fatalen Schutzlosigkeit stattlicher Macht bleibt von dieser Erkenntnis unberührt. Die Verantwortlichen des Westens blieben ratlos.

Diese Asymmetrie ist nicht geschrumpft, sie hat sich potenziert. Heute schwimmt der Guerillero nicht mehr wie noch zu Maos Zeiten „wie der Fisch im Wasser“ und freut sich seines Lebens. Er macht sich inzwischen völlig unangreifbar, weil ihm sein Leben keinen Pfennig mehr wert ist. Der Selbstmordattentäter ist bereit, sein Leben wegzuwerfen. Nicht mehr nur die Front ist aufgelöst, gegen die man eine eigene Front stellen könnte, ethisch vermeintlich so korrekt. Nein, das einstige Gleichgewicht des Schreckens, das womöglich für die längste Zeit in der Geschichte die Menschheit vor weltbewegenden Kriegen bewahrte, ist inzwischen bis in die kleinste Einheit aufgelöst, weil es kein Gleichgewicht des Risikos an Leib und Leben der einzelnen Kämpfer mehr gibt. Die Parlamente des Westens – besonders radikal im Falle Deutschlands – sind nur noch bereit, dem Krieg ihr Plazet zu geben, wenn die Gefahr für die eigenen Soldaten praktisch auf Null reduziert ist. Der Gegner dagegen nimmt 100 Prozent in Kauf, den absehbaren Tod. Wie soll man da gegeneinander kämpfen können, ohne technische Hilfsmittel und seien sie auch noch so effizient? Der Guerillakrieg, vor allem seine Pervertierung seit 9/11 macht die Drohnen unerlässlich.

Ein hehres Unterfangen, das mit dem Nullrisiko-Krieg, klingt jedenfalls ethisch korrekt. Die notwendige Konsequenz lautet aber dann, an den Gegner in der ansonsten unerreichbaren Etappe heranzukommen, der nicht sein Leben wegschmeißen, der die Fäden seiner unmenschlichsten aller Kriegführungen in der Hand behalten will. Er muss ausgeschaltet werden, samt seiner Kommandozentrale. Dies wäre die einzige Möglichkeit, die Symmetrie überhaupt annäherungsweise wiederherzustellen. Glücklicherweise gibt es sie heute.

Welche Alternative gäbe es denn? Die völlige Entwaffnung? Mediatoren einsetzen gegen Al Kaida, wie es die Partei der Linken fordert? Etwa der Verzicht auf die Panzerung bei Panzern, weil sie den Krieger schützt und damit den Krieg „leichter“ machen könnte? Oder doch wieder den Einsatz von Bomberpiloten, die zum Schutz des eigenen Lebens dann weit gestreut ihre Sprengladungen platzieren und damit hunderte unschuldige Leben riskieren? Wäre das ethisch vertretbarer?

Die Diskussion ist nicht sehr weit entfernt von Reagans Star Wars, dem Schutzschild gegen einen atomaren Erst- oder Gegenschlag des Gegners. Eine Strategie, die die Kriegsschwelle angeblich auch in ethisch fragwürdigem Ausmaß gesenkt hätte, die deshalb vielen eine gewaltige Angst vor dem Atomkrieg zwischen den USA und der UdSSR eingejagt hat. Eine Angst davor, dass die Führungsmacht der freien Welt sich womöglich vergessen könnte, wegen allzu leicht zu führendem Krieg.

Was aber ist passiert? Allein die Aussicht auf Star Wars hat dazu beigetragen, dass die Blockkonfrontation sich in Luft auflöste, schneller als viele damals dachten. Die Kriegsgefahr war erst mal am Ende. Die Geschichte allerdings nicht, auch wenn das damals der eine oder andere so sah. Es muss weiter gearbeitet werden am Frieden. Mit allen technischen und gesellschaftlichen Mitteln, und mit militärischen. Es ist ethisch geboten.

Zuerst erschienen auf Ulli Kulkes Blog bei der WELT

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