Vor etwa einem Jahr sagte der Herr Brüderle etwas weinselig zu einer Journalistin, sie könne wohl ganz gut ein Dirndl ausfüllen. Jetzt, wie gesagt ein Jahr später, gibt es hierzulande kein anderes Thema. Die Talkshows, die TV-Nachrichten sind dran, die Bundeskanzlerin meint, sich dazu äußern zu müssen. Die Zeitungen bringen jeden Tag die neuesten Diskussionsergebnisse dazu auf bis zu fünf verschiedenen Seiten und Ressorts, in der Politik, im Feuilleton, Gesellschaft und so weiter.
Die Welt titelte heute: “Deutschland diskutiert, Brüderle schweigt.” Ehrlich gesagt: ich würde auch schweigen an seiner Stelle. Und mich fragen: Wo leben wir eigentlich? In was für einem Land?
Was sagt eigentlich die Weltpresse dazu? New York Times? Sie schweigt auch, wie Brüderle. Gibt es denn noch andere Themen dieser Tage? Ach so, ja. Da war ja noch ein Konflikt in Mali. Da, wo die Freunde von Al Kaida mit brachialer Gewalt die Scharia einführen wollen. Lassen wir das zu, haben als erstes mal die Frauen nichts mehr zu lachen. Steinigung bei Verdacht auf Ehebruch, Ausbildung verboten, keine Aussicht auf Quoten in Aufsichtsräten, Totalverschleierung, Dirndl auch verboten.
Es gibt Länder, in denen ist nun nicht nur das Thema islamischer Terrorismus wichtiger als Dirndlgrößen, die bekämpfen die Terroristen auch. Mit Waffen. Für uns wäre das natürlich keine Option. Die Dame von den Linken fordert stattdessen, man solle doch Mediatoren ins Land schicken. Auf keinen Fall aber Waffen. Das könnte ja womöglich Diskussionen in Deutschland auslösen und von den wirklich wichtigen Themen wie Dirndl und Busen ablenken. Mali und die paar Frauenprobleme dort sind schließlich weit weg.
Oder etwa nicht? Letzte Woche berichtete unser Londoner Korrespondent von den jungen Scharia-Wàchtern in der britischen Hauptstadt, die ihre ganz eigenen Moralgesetze in Wohngebieten durchsetzen wollen. Vorerst noch in den Vierteln mit vielen Muslims. Aber das ist ja ein britisches Thema.
(Themen)armes Deutschland.
Zuerst erschienen auf Ulli Kulkes Blog bei der WELT