Wahied Wahdat-Hagh / 21.01.2013 / 16:48 / 0 / Seite ausdrucken

Der lange Arm der Ayatollahs

Der Iran bemüht sich, den Sturz des syrischen Regimes zu verhindern und rüstet die Hizbollah weiter auf. Europäische Politiker scheinen die Gefahr zu unterschätzen.

Es war der erste Gefangenenaustausch seit dem Beginn des Aufstands. Die syrische Regierung entließ am Mittwoch vergangener Woche 2?130 Gefangene, unter den Freigelassenen sollen auch einige Nichtsyrer sein. Im Gegenzug ließen die syrischen Aufständischen 48 Iraner frei. Die iranische Regierung behauptet, die gefangenen Iraner seien Pilger gewesen. Syrische Oppositionelle hatten jedoch Videoaufnahmen und Dokumente vorgelegt, denen zufolge die Gefangenen – ausschließlich Männer im kampffähigen Alter – den iranischen Revolutionswächtern angehören und vom Regime zur Aufstandsbekämpfung nach Syrien entsandt wurden. Der Austausch zeigt auch, wie groß der iranische Einfluss in Syrien ist, denn Präsident Bashar al-Assad hatte wenige Tage zuvor in einer Rede jegliche Verhandlungen mit der bewaffneten Opposition ausgeschlossen.

Das enge Bündnis erscheint widersprüchlich, denn Bashars Vater Hafez al-Assad bekämpfte die Islamisten in seinem Land und ließ 1982 einen Aufstand der Muslimbrüder brutal niederschlagen. Während die iranische Unterstützung der Hizbollah im Libanon der Strategie des Revolutionsexports dient, unterstützt der Iran Assad aus taktischen und machtpolitischen Gründen. Syrien zählt zur antiisraelischen und antiamerikanischen »Achse des Widerstands«, beherbergt islamistische Terrorgruppen – die Exilführung der Hamas hat Damaskus mittlerweile allerdings verlassen – und ist überdies das Transitland für die Unterstützung der Hizbollah mit militärischer Ausrüstung.
Im Libanon wächst der Unmut über die Hizbollah. Deren Generalsekretär Hassan Nasrallah ist ein treuer Diener der »Islamischen Revolution« Khomeinis und fällt immer wieder mit antisemitischen Äußerungen auf. Er verteidigt Holocaust-Leugner wie Roger Garaudy, in einem Vortrag fragte er am 16.?September vorigen Jahres: »Bezieht sich die Meinungsfreiheit nicht auf den Holocaust?«

Nasrallah riskiert auch einen bewaffneten Konflikt mit Israel. So sandte die Hizbollah Anfang Oktober vorigen Jahres eine Drohne in den israelischen Luftraum, die Fotos von Sicherheitsanlagen machte und diese in den Iran übermittelte. Dies bedeutet, dass die Hizbollah für den Iran Militärspionage betreibt.

Nasrallah benannte diese Operation nach dem Terroristen Hussein Ayoub, der zu den Gründern der Hizbollah gehörte. Die Spionageaktion spaltete den Libanon. Der ehemalige Ministerpräsident Saad Hariri kritisierte die Hizbollah, da sie die Sicherheit des Libanon gefährdet habe. Der amtierende Ministerpräsident Najib Mikati warf Nasrallah vor, die Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrates zur Beendigung des bewaffneten Konflikts mit Israel verletzt zu haben. Er forderte, die Milizen der Hizbollah, der Kontrolle der Regierung zu unterstellen. Auch die Allianz des 14. März, die sich nach dem 2005 ermordeten ehemaligen Ministerpräsidenten auch »Rafiq-Hariri-Märtyrer-Liste« nennt, verurteilte die Entsendung der Drohne scharf.

Lange genoss die Hizbollah als »der Widerstand« relativ große Anerkennung, ihre Weigerung, sich entwaffnen zu lassen, stieß kaum auf Widerspruch. Freiwillig, das haben ihre Führer immer wieder betont, wird die »Partei Gottes« ihre Waffen nicht niederlegen. Es kann daher als Warnung verstanden werden, dass am 19.?Oktober in Beirut eine Bombe explodierte. Acht Menschen starben und über 80 wurden verletzt. Das Ziel war offenbar Wissam al-Hassan, der sunnitische Geheimdienstchef der Polizei. Er stand Saad Hariri und der Allianz des 14.?März nahe.

Auch das iranische und das syrische Regime sowie die Hizbollah verurteilten den Anschlag. Wie bei früheren Attentaten kann man zwar aus dem Ziel auf die mutmaßlichen Urheber schließen, doch eine juristische Aufklärung ist kaum möglich. Auch der Ansschlag auf Rafiq Hariri führte bislang zu keinem Prozess, obwohl seit 2011 eine Anklageschrift vorliegt und vier Mitglieder der Hizbollah zur Fahndung ausgeschrieben sind. Nasrallah denkt nicht daran, sich dem Armeechef oder dem Ministerrpräsidenten zu fügen. Bereits frühere Versuche, die Macht der Hizbollah einzuschränken, wurden mit gewalttätigen Einschüchterungsversuchen beantwortet. Vor den Wahlen im Juni 2013 dürfte die Hizbollah klarstellen wollen, wie gefährlich jeder Angriff auf ihre Machtposition ist.

Die 2004 verabschiedete Resolution 1559 des UN-Sicherheitsrats fordert die Auflösung und Entwaffnung aller Milizen im Libanon. Obwohl von Anfang an offensichtlich war, dass die Hizbollah die Entwaffnung verweigern würde, bemühten sich weder die EU noch die USA um die Durchsetzung der UN-Resolution. Auch deshalb hat die finanzstarke und gut bewaffnete Hizbollah von ihren innenpolitischen Gegnern kaum etwas zu befürchten.

Die EU ist noch nicht einmal bereit, die Hizbollah auf die Terrorliste zu setzen. Dafür gibt es sicherheitspolitische Gründe, denn diese Organisation, die unter anderem 1992 an der Ermordung von vier iranisch-kurdischen Oppositionellen in Berlin beteiligt war, wäre fähig, Anschläge in Europa durchzuführen. Die kriminellen und terroristischen Aktivitäten der Hizbollah könnten auch ein Verbot rechtfertigen, doch die deutschen und europäischen Politiker dulden die Organisation. Dabei dürften auch wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen. Nur zögerlich schloss sich die EU der Sanktionspolitik gegen den Iran an und weiterhin scheint man das iranische Regime nicht allzu sehr verärgern zu wollen. Obwohl die »Islamische Republik Iran« und ihre Stellvertreterorganisationen das größte Hindernis für eine Demokratisierung des Nahen Ostens und für den Frieden in der Region sind, gibt es keine Bemühungen, sie zu schwächen.

Auch iranische Waffenexporte in den Libanon hat der UN-Sicherheitsrat in seiner Resolution 1747 verboten. Dass es Waffenlieferungen gibt, wird von der Hizbollah nicht bestritten, so verkündete Nasrallah, die Drohne sei iranischer Herkunft. Bekannt ist auch, dass fast alle Waffen über Syrien in den Libanon gelangen, doch gab es auch vor dem Aufstand, als Assad sich um bessere Beziehungen zum Westen bemühte, keine ernsthaften Bemühungen, die Lieferungen zu beenden. Stattdessen liebäugelte man mit der Lösung, die Hizbollah in die libanesische Armee zu integrieren. Dies aber würde einer Miliz, die sich der totalitären Diktatur des Iran verpflichtet fühlt, die Infil¬tration des Militärs erleichtern.

Als Gründer der Hizbollah gilt der iranische Geistliche Ali Akbar Mohtashamipur, der bereits 2006 öffentlich sagte, dass die »Partei Gottes« von seinem Regime geschaffen, finanziert und ausgerüstet worden sei. Dies diente der Verbreitung der »Islamischen Revolution«, ein Ziel, das in der Verfassung des Iran verankert ist. Mohtashamipur prahlte damit, dass die Palästinenser 1982 nur über 30?000 Kämpfer verfügt hätten und nicht in der Lage gewesen seien, gegen Israel vorzugehen, die Hizbollah aber nun erfolgreich gegen Israel kämpfe.

Gefährlich für Israel sind vor allem die Raketen der Hizbollah. Einige sollen eine Reichweite von 250 Kilometern haben, sie könnten das gesamte israelische Territorium mit Ausnahme der südlichen Negev-Wüste erreichen. Iran hat der Hizbollah Zehntausende, möglicherweise sogar mehr als 100?000 Raketen geliefert. An der Grenze zu Israel steht somit eine vom Iran gegründete und bewaffnete Organisation bereit, die ihr Ziel, Israel zu vernichten, nicht verbirgt. Sollte das iranische Regime in den Besitz der Atombombe gelangen, wird das die Kriegsgefahr weiter erhöhen. All das gilt europäischen Politikern offenbar als Teil der Normalität im Nahen Osten. Verhindert werden können Kriege aber nur in Friedenszeiten.

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