Henryk M. Broder / 17.01.2013 / 09:11 / 0 / Seite ausdrucken

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Wie Sie vielleicht wissen, tobt in den Feuilletons der Bundesrepublik derzeit ein Streit, ob der Journalist und Verleger Jakob Augstein ein Antisemit ist oder nur besonders „kritisch“ gegenüber der Politik der israelischen Regierung. Wie in solchen Fällen üblich, sagen die einen „ja, er ist es“ und die anderen „nein, er ist es nicht“, denn ein Mann wie er, gebildet und mit guten Manieren, kann kein Antisemit sein. Der Annahme liegt die Überzeugung zugrunde, dass ein Antisemit so aussehen und sich so benehmen müsse, wie einst die Schläger von der SA und der SS oder wenigstens die Kostümnazis von der NPD heute.

Während die Debatte noch läuft, hat man aber einen „echten“ Antisemiten gefunden. Es ist der Rapper Bushido, der sich mit frauen- und schwulenfeindlichen Songs („Seid ihr Fotzen aufgewacht?“) einen Namen gemacht hat und den der Journalist Wolfgang Röhl zu Recht einen „Abschaum der Tonträgerindustrie“ nennt.

Was hat Bushido getan? Er hat auf seinem Twitter-Profil eine Karte gepostet, mit der er für ein „Freies Palästina“ vom Jordan bis zum Mittelmeer wirbt. Auf dieser Karte ist Israel nicht mehr da. Bushido hat also das vorweggenommen, womit der iranische Präsident immer wieder droht: Das „zionistische Gebilde“ von der Landkarte zu entfernen.

Nun ist Bushido bis jetzt weder als Geostratege noch als Fachmann für den Nahen Osten hervorgetreten. Wie er sich die Lösung der Palästina-Frage vorstellt, ist so relevant wie der Wasserstand der Mosel in Bezug auf die Aktienkurse an der Börse von Ulaanbaatar, der Hauptstadt der Mongolei.

Dennoch ist die Empörung gewaltig. Der deutsche Innenminister Friedrich Zimmermann, bei der Bekämpfung terroristischer Gruppen wie dem „National-Sozialistischen Untergrund – NSU“ nicht allzu erfolgreich, gab in einem Interview zu Protokoll, „dieses Kartenbild dient nicht dem Frieden, sondern sät Hass“, Bushido müsse die Karte sofort von seiner Twitter-Seite entfernen, sonst könne er nicht länger als Beispiel für gelungene Integration dienen. Der Sänger hatte nämlich im Jahre 2011 den „Bambi“ in der Kategorie „Integration“ erhalten.

Nun prüfen die Preisgeber, ob sie ihm die Auszeichnung aberkennen sollen. Das wäre ungerecht. Denn spätestens mit seiner Twitter-Aktion hat Bushido bewiesen, wie hervorragend er sich in die deutsche Gesellschaft integriert hat.

Erschienen in der Weltwoche am 17.1.13

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