Henryk M. Broder / 14.01.2013 / 08:49 / 0 / Seite ausdrucken

Die Wünschelrutengänger der Antisemitismusforschung

Dass die Juden am Antisemitismus schuld sind, ist eine alte Weisheit, ebenso wie die, dass die Antisemiten die Opfer der Juden sind und sich nur zur Wehr setzen gegen die sinistren Pläne der Juden, den ohnehin brüchigen Weltfrieden platzen zu lassen. Jetzt kommt aber noch eine neue Erkenntnis dazu: Die Juden behindern den Kampf gegen den Antisemitismus, indem sie maßlose Behauptungen aufstellen und den Begriff “inflationär” verwenden, sagt Juliane Wetzel, die “seit 20 Jahren über Antisemitismus in Deutschland forscht”, ihn also sozusagen jeden Tag von 10 bis 17 Uhr, die Mittagspause ausgenommen, hautnah erlebt. ““Es schadet einer genauen Definition des Antisemitismus’ und damit natürlich auch einer Bekämpfung des Antisemitismus’, wenn der Begriff so inflationär verwendet und ausgehöhlt wird.”

Nun hindert niemand Frau Wetzel und ihre hart schuftenden Kollegen daran, eine genaue Definition des Antisemitismus zu liefern, die es ihr und den anderen Vollzeitexperten ermöglichen würde, den Anisemitismus effizient und effektiv zu bekämpfen, bis der letzte Antisemit die Segel gestrichen und einen Aufnahmeantrag in die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit gestellt hat. Sie forscht ja über das Thema seit 20 Jahren. Aber alles, was bei dieser Forschung rauskommt, ist die bahnbrechende Erkenntnis, dass “bei Umfragen in den letzten 20 bis 25 Jahren in etwa immer 20 bis 25 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung als antisemitisch eingestuft worden (sind), das heißt, sie stimmen teilweise bis ganz verschiedenen Aussagen zu, die aus diesen Facetten antisemitischer Haltungen abgefragt werden”. Eine wissenschaftliche Methode, mit deren Hilfe man genau das rausbekommt, was man rausbekommen will, indem man z.B. eine “Facette” als antisemitisch definiert und sie dann den “Befragten” vorlegt. Zum Beispiel: “Glauben Sie, dass die Juden zu viel Macht haben?”, worauf 20 bis 25 der Befragten mit einem Ja antworten. Die Aussage hätte aber nur dann einen Erkenntniswert, wenn man einer oder mehreren Parallelgruppen die Frage vorlegen würde “Glauben Sie, dass Protestanten/Moslems/Katholiken/Unternehmer/Gewerkschaften/Autokonzerne/Kleingärtner/Ärzteverbände zu viel Macht haben!?” Und die Antworten auf diese Frage mit den Antworten auf die Frage nach der Macht der Juden vergleichen würde. So was nennt man empirische Sozialforschung, aber davon sind Frau Wetzel und ihre Kollegen, die in den letzten 20 bis 25 Jahren immer dieselben “Facetten antisemitischer Haltungen” abfragen, die sie vorher festgelegt haben, so weit entfernt wie ein Wünschelrutengänger von der Relativitätstheorie. 

Kein Wunder, dass der ehemalige Chef von Frau Wetzel, Prof. Dr. Wolfgang Benz, nicht einmal in dem vierfachen Mord von Toulouse eine “neue Dimension des Antisemitismus” erkennen mochte, denn der Mord an drei Kindern und einem Lehrer gehörte nicht zu den “Facetten antisemitischer Haltungen”, die man bei dem Täter vorher abgefragt hatte. Kein Wunder, dass das Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung einen Prozess gegen einen Antisemiten verlor, weil es ihm Äußerungen in den Mund gelegt hatte, die dieser tatsächlich nicht getan hatte. Ja, so was kann schon mal Experten passieren, die in den letzten 20 bis 25 Jahren auf einem Schaukelpferd zur Arbeit reiten und dabei so tun, als wären sie mit einem Lipizzaner zur Spanischen Hofreitschule unterwegs.

Siehe auch:
http://www.3sat.de/mediathek/index.php?display=1&mode=play&obj=34261

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Henryk M. Broder / 12.03.2024 / 14:00 / 62

Christian Wulff: Liechtenstein? Nein, danke!

Unser beliebter Ex-Präsident Christian Wulff hat Angst, Deutschland könnte auf das Niveau von Liechtenstein sinken. Das kleine Fürstentum hat auf vielen Gebieten längst die Nase…/ mehr

Henryk M. Broder / 04.03.2024 / 14:00 / 23

Michael Blume: Vom Zupfgeigenhansl zum Ersten Geiger?

In der Dienstzeit des Antisemitismus-Beauftragten Michael Blume hat die Zahl antisemitischer Straftaten in Baden-Württemberg erfolgreich zugenommen. Aber der Mann hat andere Sorgen. Ende Dezember letzten…/ mehr

Henryk M. Broder / 17.01.2024 / 06:15 / 91

Der Unsinn, aus dem Antisemitismus-Beauftragte gebacken werden

Gleich nach dem Influencer, dem Eventmanager und dem Insolvenzberater ist „Antisemitismusbeauftragter“ ein Beruf mit Zukunft. Der Antisemitismus hat Hoch-konjunktur, und da braucht man ausgewiesene Experten…/ mehr

Henryk M. Broder / 01.12.2023 / 15:00 / 28

Irre ist das neue Normal (7)

Geht es um Israel, die Palästinenser, das Pogrom vom 7. Oktober und den Krieg in Gaza, melden sich immer mehr Experten zu Wort, die beweisen,…/ mehr

Henryk M. Broder / 09.11.2023 / 14:00 / 59

Wehret den Anfängen? Dafür ist es jetzt zu spät!

Es ist alles schon mal dagewesen. In den Protokollen der Weisen von Zion, in den Gesetzen zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre,…/ mehr

Henryk M. Broder / 04.11.2023 / 12:00 / 48

Die Baerbock-Sprünge über den eigenen Schatten

Nach ihren Reisen in den Nahen Osten und nach New York, zur Stimmenthaltung bei einer gegen Israel gerichteten UNO-Resolution, kümmerte sich Außenministerin Annalena Baerbock um…/ mehr

Henryk M. Broder / 03.11.2023 / 14:00 / 82

„Palästina den Palästinensern, Deutschland den Deutschen“

Woran erkennt man einen typischen Antisemiten? An seinen Tattoos? Am Körpergeruch? Daran, wie er das Wort "Führerschein" ausspricht? Schön wäre es. Tatsächlich gibt es weder…/ mehr

Henryk M. Broder / 18.07.2023 / 14:00 / 39

Ist Muriel A. eine Antisemitin oder tut sie nur so?

Der Blogger Tilo Jung unterhält sich mit der Nahostexpertin Muriel Asseburg über die Frage, unter welchen Umständen man der Hamas eine Lizenz zum Umbringen von…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com