Maxeiner & Miersch / 05.01.2013 / 20:09 / 0 / Seite ausdrucken

Das neue Mensch

Der neue Mensch war das erklärte Ziel Mao Tse-tungs und anderer Diktatoren des 20. Jahrhunderts. Doch die Menschen ließen sich – sofern man sie am Leben ließ - nicht in jene selbstlosen und linientreuen Untertanen ummodeln, von denen ihre totalitären Erzieher träumten.

Im 21. Jahrhundert erwächst in den westlichen Demokratien eine postmoderne Version des neuen Menschen: DAS neue Mensch, sanft, nachhaltig und durchgegendert. Es glaubt an „das liebe Gott“ (Kristina Schröder) und ist so geschlechtsneutral wie eine Versicherung zum Unisex-Tarif - vermehrt sich aber trotzdem. Als Pazifist von ganzem Herzen würde das neue Mensch niemals in einen Krieg ziehen. Es sei denn, die Welt muss vor dem Kapitalismus, der Klimawandel oder Thilo Sarrazin gerettet werden.

Das neue Mensch ist zäh wie Leder, duscht es doch morgens kurz und kalt und lässt, wie Frau Steinbrück und Herr Altmaier die Zimmertemperatur niemals über 18 Grad ansteigen. Seine Gedanken kreisen um seinen CO2-Fussabdruck, oder auch um den nächsten evangelischen Kirchentag mit Margot Käßmann und Katrin Göring-Eckardt.

Politiker lieben das neue Mensch, denn es freut sich aufrichtig, wenn in Sonntagsreden zu Verzicht und Umkehr aufgerufen wird. Entbehrung macht ihm Spaß. Hohe Steuern, Zwangsgebühren und steigende Strompreise betrachtet es als Maßnahmen zur Rettung der Welt, Stärkung der Volksgesundheit und eine Anleitung zum Glücklichsein. Auch Lebensmittel müssen aus seiner Sicht viel teurer werden. Und nur ein Benzinpreis von fünf Euro kann die Welt vor dem Verderben retten. Es geht ums große Ganze, da muss jeder bei sich selbst anfangen.

Das neue Mensch raucht nicht und ernährt sich vegetarisch. Es trinkt allenfalls einen fair gehandelten Tee und verzichtet dabei auf Milchdöschen aus Plastik oder Zitrone aus Israel. Es fährt Fahrrad und zieht dabei seine Kinder in einem Anhänger hinterdrein, was deren Bandscheiben nachhaltig abhärtet. Dann werden die Kleinen im Kindergarten abgeliefert, wo verantwortungsvolle Pädagogen sie auf ihre Rolle als Klimadetektive vorbereiten und ihnen erklären, dass es keine relevanten Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen gibt. Später in der Schule lernen sie atomfreie Physik und genfreie Biologie. Als Wahlfach wird „Stoßlüften“ angeboten.

Erschienen in DIE WELT am 04.01.2013

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