Samira El Ouassil und Dominic Boeer wissen, wie man als Applausjäger in der Mediengesellschaft fette Beute macht. In der Reihe “Karriere in Konformistan” verraten sie Punkt für Punkt alles, was man meinen muss, um in Talkshows, bei Sektempfängen und am Stammtisch gut anzukommen.
Mitten in Kreuzberg wohnen
Das Gefühl, soeben den Anerkennungs-Jackpot geknackt zu haben, erfüllt den Applausjäger, wenn er auf die scheinbar harmlose Frage „Wo wohnst Du eigentlich?“ mit einstudierter Beiläufigkeit „Mitten in Kreuzberg“ sagen kann. Wenn Sie als seriöser Applausjäger immer noch in einem freundlichen Reihenhaus am Stadtrand wohnen, sollte ein Umzug in den Berliner Problembezirk unbedingt auf der Tagesordnung stehen.
Zeigen Sie der Welt, welch ? “verrückter Hund“ in Ihnen schlummert!
Zwar haben Sie sich schon in diversen Fragebögen als „total crazy“ beschrieben, aber bei der Vorstellung, dass Sie mit der draufgängerischen Angstfreiheit eines Indiana Jones am Kottbusser Tor entlang schlendern, wird es auch ihrem kritischstem Zuhörer Fluten der Anerkennung in die Venen treiben. Sie sind kein reicher Schnösel, der sich rasiert, seine Krawatte im Fahrstuhlspiegel korrigiert und Gentrifizierung zu einem echten Wort gemacht hat. Wer „mitten in Kreuzberg“ wohnt , steht für das Gegenteil von Spießbürgertum, gepflegtem Vorgarten, selbst geknetetem Klingelschild und Ronald Pofalla. Daher betonen Sie bitte unbedingt, dass Sie auch nachts „gerne mit der U-Bahn fahren“, obwohl Sie das, wie jeder weiß, eigentlich nicht nötig hätten. Sie kennen Ihren Gemüsetürken persönlich und trauen sich sogar, dessen Tochter im Vorbeigehen zu grüßen. Ja, der raue, multikulturelle Großstadtdschungel ist Ihre Welt.