Heute mittag las ich die traurige Nachricht über den Tod Jesco von Puttkamers, dem letzten bedeutenden Mann aus Deutschland bei der Nasa. Einer von denen, die die Mondrakete Saturn V bauten, mit der alle amerikanischen Astronauten Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre den Mond erreichten. Es hörte sich so einfach an, wie er es mir öfters erzählte, dass er 1961, gegen Ende seines Ingenieur-Studiums in Aachen, einmal an Wernher von Braun schrieb und Interesse für die Raumfahrttechnik bekundete, dass er von von Braun die Antwort erhielt: “Kommen Sie nach Amerika, wir fliegen zum Mond” – und dass es dann ja auch genau so kam (auch wenn von Braun seinen Traum, höchstpersönlich zum Mond zu fliegen, nicht wahr machen konnte).
Vielleicht war es damals ja auch alles einfacher. Klar ist aber, dass dazu eine gehörige Zielstrebigkeit gehörte, die beide auszeichnete, von Braun und von Puttkamer. Die Zielstrebigkeit in Sachen Raumfahrt verlor von Puttkamer bis zuletzt nicht. Er gehörte zu den größten Verfechtern der Nasa für ein bemanntes Mars-Programm, das er in zahlreichen Büchern und Veröffentlichungen propagierte. Für ihn war die Raumfahrt elementarer Bestandteil der menschlichen Evolution. Den Europäern unterstellte er mit wachsender persönlicher Distanz, dieses zu ignorieren. Aber auch die schwindende Bereitschaft der Amerikaner zu neuen Aufbrüchen stimmte ihn zunehmend traurig.
Seine Neugier galt dem Blick immer weiter hinaus. Dass die Nasa ihr Erkenntnisinteresse stärker auch in den Dienst der Erdbeobachtung stellte, sah er bis zu einem gewissen Grad als sinnvoll und fand auch seine Unterstützung. Sein Herz schlug dafür nicht. Auch nicht dafür, dass hierzulande neuerdings viele die Nasa vor allem als vermeitlichen Bündnisgenossen beim Diskurs über den Weltuntergang durch Klimawandel sehen.
Ich bin mir nicht sicher, ob jedem in der Nasa zuletzt klar war, was für eine wertvolle, dynamische und vor allem erfahrene Kraft sie da oben in ihrem Hautgebäude an der 300 E Street in Washington sitzen hatten, in dem winzigen Büro, das man ihm zuletzt gewährte. In dem er bereitwillig empfing und über die Apollo-Zeit, über das Shuttle, über neuerliche Missionen zum Mond oder gleich zum Mars engagiert plauderte. Auch mit 79 Jahren noch war er, der “Chef-Visionär” des Hauses, meist direkt telefonisch erreichbar, ohne Vorzimmer, kramte bei jedweden Bitten um Adressen oder Telefonnummern altgedienter Apollo-Größen in seinen Büchlein und Unterlagen und stellte die gewünschten Kontakte her, wozu die Retired-Beauftragten der Nasa oft nicht in der Lage waren. Keine Frage, dass er mir bei meinem im Frühjahr erschienenen Buch zum 100. Geburtstag von Wernher von Braun (“Weltraumstrümer”) wertvolle Tipps gegeben hatte.
Der frühere Nasa-Chef Michael Griffin sagte mir einmal in einem Interview, dass der Schlüssel zur Mondfahrt die Saturn-Rakete gewesen sei, “die Apollo-Kapsel hätte jeder bauen können.” Es muss ein erhabendes Gefühl gewesen sein, an dem Projekt mitgebaut zu haben, damals, in den 60er Jahren, als die Mondfahrt noch ein absolut großes Ding war. Von Puttkamer kehrte dies nicht besonders heraus. Dass er darauf stolz war – zurecht -, war ihm dennoch anzumerken. Er zählte zu den Spitzen der Mannschaft, auch wenn er nicht zu den ersten 118 gehörte, jenen Ingenieuren, die Hitlers V2-Rakete gebaut hatten, und die die US-Army gleich nach dem Krieg für ihr Raketenprogramm ”über den großen Teich” holte. Auch wenn er von Braun als seinen väterlichen Freund bezeichnete, versuchte er nicht, ihn von diesen früheren Tätigkeiten pauschal reinzuwaschen.
Von Puttkamer sah allerdings nicht nur die Rakete, für ihn waren die Umstände des Lebens der deutschen Gemeinde in Huntsville, im Südstaat Alabama, in der Raketenfabrik, immer auch ein kulturelles Phänomen. In seinem zweiteiligen Essay “Brunnenkresse und Raketen” hat er beides wunderbar zusammengefügt.
Viele deutsche Raumfahrtenthusiasten haben ihren Brückenkopf in der Nasa verloren.
Zuerst erschienen auf Uli Kulkes Blog bei der WELT