Wolfram Weimer / 25.12.2012 / 10:30 / 0 / Seite ausdrucken

Sieger und Verlierer der Wirtschaftspolitik 2012

Das Jahr 2012 war wirtschaftspolitisch so turbulent wie selten. Die Schuldenkrise des Westens setzt Poltiker, Notenbanker und Ökonomen unter Druck. Wer beendet das Jahr als Sieger, wer als Verlierer?

In normalen Zeiten sind Wirtschaftspolitiker und Notenbanker dann besonders gut, wenn man nichts von ihnen mitbekommt. In diesem Jahr hörte die Welt im Stundentakt von ihnen. Die Schuldenkrise des Westens hat vor allem Ben Bernanke und Mario Draghi zu unfreiwilligen Superstars der Weltpolitik werden lassen. Beide haben die Schuldenkrise mit großer Präsenz und Handlungsmacht geprägt und den Kollaps des Weltwährungssystems verhindert. Selbst ein zweiter Absturz der Konjunktur wie nach der Lehman-Pleite konnte dank der Notenbanken abgewendet werden. Sowohl die Fed als auch die EZB haben ihren Einfluß und ihre Macht erheblich erweitert, und Bernanke wie Draghi machten dabei politisch gute Figuren.

Und doch sind sie keine Sieger der Geschichte. Denn der Preis für die Rettungspolitik ist gewaltig: die Geldmengen eskalieren, die Notenbanken politisieren sich, sie werden Konjunkturgestalter und die Risiken für Inflation wie Vertrauensschocks steigen mit der Geldflut. Kurzum: Im Jahr 2012 sind die beiden wichtigsten Notenbanken der Welt zu Sanatorien der Schuldenpolitik degeneriert.

Genau umgekehrt verhält sich die politische Bilanz von Jens Weidmann. Die Bundesbankpräsident ist ein Sieger des Jahres - wenn um Prinzipientreue und Seriösität geht. Er hält mittlerweise fast alleine das Fähnlein der Geldwertstabilität und einer unabhängigen Notenbankpolitik hoch. Er hat sich damit den wirtschaftspolitischen Tapferkeitsorden des Jahres verdient. Zugleich aber schwindet der Einfluß der Bundesbank in der EZB dramatisch. Die deutschen Positionen werden inzwischen derart übergangen als sei Deutschland das neue Malta.

Zu den Glücklosen des Jahres zählt Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler. Er hat kein klares Profil erkennen lassen, wechselte seine Positionen in der Griechenlandfrage jeweils zu laut vom Zuchtmeister zum Versöhner und konnte sich in keiner ordnungspolitischen Frage von Rang durchsetzen. Zudem entgleiten ihm seine Partei und die Akzeptanz in Wirtschaft wie Bevölkerung. Er wirkt mit Blick auf 2013 wie ein Spitzenpolitiker auf Abruf.

Wolfgang Schäuble hat es hingegen wieder einmal geschafft. Er steht als großer Sieger am Ende des Jahres da, sein Einfluß ist in ganz Europa groß wie nie. Er wirkt wie der Steuermann durch die Euro-Krise. Und auch seine Reputation im Wahlvolk bleibt hoch. Dabei hat er seine wichtigste Aufgabe wieder einmal verfehlt – denn Deutschland hat immer noch keinen ausgeglichenen Bundshaushalt. Dabei wäre das im Aufschwung und mit Rekordsteuereinnahmen möglich gewesen.

Ein Gewinner des Jahres ist auch Peer Steinbrück. Vor Jahresfrist fühlte er sich noch als Aussteiger aus der Politik und verdiente fleißig Geld mit Vorträgen eines “Has-Beens”. Nun ist er wieder mittendrin in der Arena der großen Politik. Sein Sachverstand in finanzpolitischen Fragen und als ein Vater der Agenda 2010 ist anerkannt und ausschlaggebend für die Nominierung zum Kanzlerkandidaten. Nun aber holen ihn nicht nur die Nebengeschäfte ein. Er läßt sich vor allem von den Genossen nach links verbiegen und manche Position des Sachverstands räumen. Das Jahr 2013 wird zeigen, ob er ein Gewinner bleiben kann.
Ein anderer Ex-Finanzminister war hingegen 2012 auf der Verliererstraße: Oskar Lafontaine ist seine Linkspartei entglitten, er zieht sich zusehend schmollend ins Saarland zurück und die Stimme einer profiliert linken Wirtschaftspolitik verstummt. Die Linkspartei wirkt ohne ihn wieder wie ein verklemmter Freundeskreis von Alt-Stasi-Seilschaften.

Jürgen Trittin hingegen – ehemals auch ein lauter Linker - ist ein Aufteiger des Jahres. Er hat sich als unumstrittener Primus der Grünen etabliert und zeigt sich erstaunlich flexibel mit Blick auf eine mögliche schwarz-grüne Regierungsübernahme im kommenden Jahr. Denn dann könnte er sogar Finanzminister werden.

Der Finanzpolitiker des Jahres aber heißt Andris Vilks und kommt aus Lettland. Er wird seinen Kredit vom Internationalen Währungsfond drei Jahre früher als geplant zurückzahlen, denn Lettland ist saniert. Der baltische Staat war von der Finanzkrise besonders hart getroffen und stand vor dem Bankrott, die Volkswirtschaft vor dem Kollaps, das Bruttoinlandsprodukt ging innerhalb von nur zwei Jahren um 25 Prozent zurück. Auch das Bankensystem brach zusammen. Anders als Griechenland hat Lettland sich aber rasch und entscheiden reformiert. Im öffentlichen Sektor wurde ein Drittel der Stellen abgebaut, die Löhne der verbliebenen wurden in mehreren Runden um bis zu 40 Prozent gekürzt. Lettland spart konsequent, liberalisiert sich mutig und erlebt nun einen verblüffend kräftigen Aufschwung. “Wir sind die Überraschung des Jahres”, sagte der stolze Vilks kurz vor Weihnachten. Richtig - und zwar eine gute!

Zuerst erschienen auf Handelsblatt Online

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