Gastautor / 19.12.2012 / 06:02 / 0 / Seite ausdrucken

Fiktion Amerika

Murat Altuglu

Seit meiner Ankunft in Deutschland habe ich eine Reihe von Gesprächen geführt, in denen es um die USA im Allgemeinen und die kürzlich stattgefundene Wahl im Besonderen ging. Bei den Gesprächen mit Bundestagsabgeordneten, Journalisten, und ganz normalen (sic!) Leuten wurde deutlich, dass ein begrenztes und vor allem verschrobenes Bild der USA in Deutschland existiert, obgleich das Interesse an den USA sehr groß ist. Dieser vermeintliche Widerspruch ist jedoch recht einfach zu erklären. Zum einen sind die USA als Idee Teil des deutschen Selbstverständnisses. Seit den Zeiten Karl Mays wird eine romantische Vorstellung von Amerika in die Volksseele instilliert. Die Realität der USA ist nebensächlich und hat sich dem gedachten Weltbild unterzuordnen. Dass die USA groß und mächtig sind, ist auch relevant, jedoch zweitrangig gegenüber der Fiktion Amerika. 

Die Art und Weise dieser Berichterstattung ist prägend für die Wahrnehmung der USA beim Gros der Deutschen. Der modus operandi hierbei, also wie hierzulande über die USA berichtet wird, ist, dass deutsche Journalisten bereits mit einer intellektuellen Prädisposition in die USA gehen und ihre Vorurteile dann dort ausleben. Die Leidtragenden sind die Kunden, die auf die Produkte dieser Journalisten angewiesen sind. 

Man kann die Arbeitsweise deutscher Journalisten in den USA recht einfach beschreiben. Wenn sie etwas aus den USA berichten, ist der Sachverhalt meistens mehrere Tage alt. Die GEZ-Medien sind besonders gut geeignet, um dieses Phänomen zu beobachten. Oft handelt es sich bei den Berichte um Interlinearübersetzungen. Man achte einfach mal auf Wortwahl und Grammatik. Dann kann man sehen, dass die Reporter keine Sprachkünstler sind und sklavisch am Originaltext kleben, den sie ins Deutsche umwandeln.

Schwerwiegender als die Art, wie die Nachrichten übermittelt werden ist jedoch, was berichtet wird. Hier ist deutlich zu erkennen das, oft ziemlich plump einfach weitergeleitet wird, was bei parteilichen Medien wie NYT, WP, NPR, MSNBC zu einem Sachverhalt verkündet wird. (Dies mag teilweise erklären, warum knapp 90 Prozent der Deutschen für Obama stimmen würden, wenn sie könnten). Dass infolgedessen eine verschobene und verschrobene öffentliche Meinungsbildung stattfindet, ist nicht erstaunlich, kein Einzelfall, und auch nicht neu in Deutschland.

Nun kümmert es die Amerikaner recht wenig (sie kriegen davon nichts mit, inwieweit bestimmte Kreise ihre anti-amerikanische Amerika-Obsession ausleben. Die genuin interessierten Zuschauer, Leser, und Gebührenzahler sind allerdings die, die hierbei zu kurz kommen. Sie bekommen kein “value for the money” und haben auch kaum Alternativmöglichkeiten. 

In den USA gibt es viele Umfragen, bei denen festzustellen ist, dass Journalisten mit überwältigender Mehrheit “liberals” (i.e. linke Gutmenschen) sind. Nur bei Akademikern kann es noch schlimmer sein. Dass es in Deutschland nicht viel besser ist, kann jeder bezeugen, der in einer Redaktion des WDR gearbeitet hat. Zu diesem “liberal bias”, wie er im Amerikanischen genannt wird, gibt es allerdings ein Pendant in den USA. In Deutschland hingegen sind lediglich Einzelkämpfer als Äquivalent zu finden, so dass eine Ausbalancierung nicht stattfindet. Kein Wunder, dass die “amerikanischen Verhältnisse”, über die hier in Deutschland oft gesprochen wird, mehr über Deutschland als über die USA aussagen.

Für die oben genannte Amerikafaszination, gar Obsession gibt es ein skurriles Beispiel. Bereits vor Jahren fiel auf, wie immer wieder deutsche Journalisten den Vornamen des Präsidenten Barak Obama aussprechen. Barak wird nämlich so ausgesprochen, wie er auch geschrieben wird. Und die vermeintlich tumben Amerikaner haben auch keine Schwierigkeiten damit. Eine Reihe Deutscher allerdings, päpstlicher als der Papst, anglisieren Obamas Vornamen, sodass aus Barak das Denglische Berek wird. In der Annahme, gebildet und weltmännisch zu wirken, bezeugen sie das Gegenteil.

Um es deutlicher darzustellen. Seit über 50 Jahren gibt es Türken in Deutschland. Nach wie vor bringen es jedoch Journalisten quer durch die Bank nicht fertig, eine Handvoll von Lauten zu lernen, um türkische Namen unverhunzt auszusprechen. Dabei könnten sie einfach die Putzfrau, die ihnen hinterherwischt, um fünf Minuten Nachhilfe bitten. Im Gegensatz dazu beweisen die angeblich so begriffsstutzigen Amerikaner kosmopolitischen Geist, indem sie Namen (vor allem spanische) von Leuten, die ein halbes Jahrhundert (oder weniger) mit ihnen leben, ordentlich aussprechen. Der Kontrast zu Deutschland ist bemerkenswert.

So müssen die Türken (von denen es eine Menge hier in Deutschland gibt) weiterhin darauf warten, dass Türkisches einigermaßen korrekt ausgesprochen wird. Und die Amerikaner können sich dabei amüsieren, dem Chefredakteur des ARD-Hauptstadtstudios bei seinen Bemühungen zuzusehen, weltmännisch zu wirken und Namen pseudo-amerikanisch korrekt auszusprechen. Von jemand, der bei sich im Büro ein Bild Obamas hat, könnte man meinen, dass er nach fünf Jahren Obamania dessen Namen gelernt hätte.

Aufgrund der Fixierung auf die USA ist es nicht verwunderlich, dass sehr viele Deutsche keine Ahnung haben, was in Polen oder Tschechien passiert und nur wenig Interesse an Frankreich haben. Aber zu allem Möglichen in den USA sind die gleichen Zeitgenossen Experten. So baut Tschechien unerklärlicherweise munter weiter AKWs, stimmt in der UN als eines der sehr sehr wenigen Staaten mit Israel und hat noch andere unverständliche Eigensinnigkeiten zu bieten. Zu “Obamacare”, den Waffengesetzen, was für Autos die Amis fahren, was sie essen und trinken, selbst wie sie wählen, dazu hat man hierzulande eine erstaunlich feste und verfestigte Meinung.

Dagegen anzugehen, ist weitgehend aussichtslos. Nicht nur, weil gegen die veröffentlichte Meinung schwer anzukommen ist. Vor allem, weil das deutsche Amerikabild einen kulturellen Stellenwert hat, Teil der Selbstwahrnehmung und Selbstdarstellung insbesondere linker Kreise ist. Da macht es wenig Sinn, auf diese oder jene Publikation oder Website zu verweisen, wie ich es bei meinen Studenten mache. Denn wenn einer hören und sehen will, was er will, und wenn einer berichten und schreiben will, was er will, dann bekommen wir ein Amerikabild wie das hiesige.

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