Gastautor / 17.12.2012 / 18:19 / 0 / Seite ausdrucken

Die EKD nimmt sich Israels an

Birgit Barrows

Die Evangelische Kirche (EKD) in Deutschland hat eine Schrift zum Thema Land und Staat Israel in Auftrag gegeben und veröffentlicht. Offenkundig repräsentiert diese Schrift die Stimme der evangelischen Kirche in Deutschland; denn einzelne Autoren werden nicht aufgeführt.

Eine Orientierungshilfe will sie sein, ein „gewichtiger Beitrag“ zu einer „Neubestimmung des Verhältnisses von Christen und Juden“, anknüpfend an die „in den vergangenen Jahrzehnten im Dialog von Christen und Juden gewonnenen Einsichten“.
Orientierung zu erkennen, fällt dem Leser allerdings nicht leicht in der Fülle von historischen Abrissen, Positionsbeschreibungen, Zitaten und Deutungen, die der Text enthält, ohne dass dem Leser immer klar wird, wozu. Deutlich wird allerdings gegen Ende des Textes, dass die EKD ihre Leser dahingehend „orientiert“, wie biblische Landverheißung zu verstehen sei.

Man erfährt erstens: der jetzige jüdische Staat ist aus biblischen Schriften nicht zu legitimieren - weder in seiner Existenz noch in irgend welchen Grenzen. Darüber hinaus: „göttliche Landverheißung“ ist nur symbolisch zu verstehen, nur als ein Bild, das die göttliche Zusage von Bewahrung, Lebensgrundlage und Sicherheit für Juden darstellt, nicht als Zusicherung eines konkreten Landes. Und drittens: selbst diese Zusage ist nur als Hoffnungsmöglichkeit zu deuten, als ein „Hoffnungsbild“.

Was von solcher theologischen Deutung zu halten ist und wie weit sie etwa zur zuvor noch bekräftigten EKD-Studie „Christen und Juden III“ passt, nach der doch „Gott sich selbst unauflöslich an das jüdische Volk gebunden hat, Bund und Land aber zusammengehören“, müssen Christen untereinander klären. Für den Staat Israel ist das nicht unbedingt relevant, Juden in Israel könnten im Prinzip gut mit theologischer Abstinenz von Christen gegenüber ihrem Staat leben, wahrscheinlich sogar besser.

Aber die EKD lässt den jüdischen Staat nicht in Ruhe. Auf politischer Ebene greift sie auf ihn zu, und zwar mit der Aufforderung an Christen, sich seiner Politik kritisch anzunehmen, Tatsächlich verpflichtet die EKD-Schrift Christen, zumindest Mitglieder ihrer Kirchen, explizit zu „verantwortungsvoller und ggf. kritischer Begleitung“ der Politik Israels.

Die Verpflichtung zur Kritik jüdischer Politik leitet die EKD-Schrift – ziemlich dicht an der in Deutschland verbreiteten, skrupellosen Logik, nach der die Beteiligung an der Shoa zur Kritik an der Politik Israels besonders qualifiziere - direkt ab aus der jahrhundertelangen christlichen Judenfeindschaft und der Beteiligung an den Verbrechen der Shoa. Diese führten, so heißt es, zum Engagement für den jüdischen Staat und verpflichteten zur Begleitung und Kritik seiner Politik.

Die näher liegende, ganz entgegengesetzte Folgerung aus uralter Judenfeindschaft, nämlich ein berechtigtes Misstrauen gegenüber eigenem Urteilsvermögen und eine selbstkritische Prüfung der eigenen Einstellung in Hinblick auf Juden, sind für die EKD kein Thema, ganz so, als teile sie nicht das psychologische Allgemeinwissen, dass Affekte wie kollektive Judenfeindschaft über Generationen hin unbewusst tradiert werden und in immer neuen Verkleidungen Ausdruck suchen können.
Ebenso ist für die EKD irrelevant, dass Israel bereits mehr als genug mit geradezu maßloser Kritik überzogen wird und es ihm nun wirklich nicht an Selbstkritik mangelt.

Nun gibt es im EKD-Text durchaus beruhigende Aussagen wie etwa die, dass Israels Existenzrecht   völkerrechtlich unumstritten sei und der Rassismusvorwurf gegen den Zionismus nicht haltbar. Seltsam in Gegensatz dazu steht nur die distanziert-neutrale Weise, mit der die EKD die real vorhandenen ideologischen und terroristisch-militärischen Kräfte behandelt, die die Existenz Israels ernsthaft gefährden.

So kritisiert die EKD an der Ideologie des Kairos-Palästina-Dokuments nur dessen theologischen Universalismus, also die Negierung der Erwähltheit des jüdischen Volkes, nicht aber seine verzerrende Darstellung des israelisch-palästinensischen Konflikts zu Lasten Israels und sein Bestreben, den jüdischen Staat zugunsten eines Großpalästinas aufzulösen.

Hier verlangt die EKD kein entschiedenes Entgegentreten, wie sie es zuvor noch gegenüber den „Protokollen der Weisen von Zion“ verlangt, obwohl diese, zwar relevant im moslemischen Raum, hierzulande nun wirklich keine Rolle mehr spielen, da heutige Antisemiten moderner argumentieren.

Sogar die handfesten militärischen und terroristischen Bedrohungen Israels von moslemischer Seite aus werden, soweit sie sie nicht herunterspielt oder gar ignoriert wie die aus dem Iran, seltsam neutral vorgestellt, ohne jeglichen Aufruf zum Widerspruch.

Hamas, so heißt es nur knapp, stelle ihre Organisation in „religiösen Kontext“, oder „auch Selbstmordattentäter… begründen ihr `Martyrium´ in der Regel religiös.“ Dass die Hamas-Charta religiöserweise explizit die Tötung aller Juden verlangt, erwähnt die EKD nicht. Sie betont lieber, dass es im Islam, weltweit gesehen, einen „durchaus differenzierten Umgang“ mit den Themen Land und Staat Israel gebe und dass die Mehrheit muslimischer Dialogpartner in Deutschland durchaus moderat sei. Die entscheidendere Frage, wie groß deren Anteil und deren politischer Einfluss sind, übergeht sie dabei.

Geradezu verblüffend aber ist, dass es nicht die „Argumentationsmuster“, wie die EKD so passend akademisch formuliert, der Islamisten und der Hamas sind, die die EKD in Empörung versetzen, sondern erkennbare Empörung ruft bei ihr allein der „christliche Zionismus“ hervor.

Die Kritik dieses Zionismus liegt der EKD so am Herzen, dass sie sie bereits vorweg im Inhaltsverzeichnis ankündigt: als „notwendige Kritik“. Für keine andere Gruppierung sonst, weder für Islamisten noch kontextuelle Theologen, wird vorweg das Augenmerk auf „notwendige Kritik“ gelenkt.

Organisationen wie „Christen an der Seite Israels“ werden sich sicher selbst noch zu den diversen Vorwürfen der EKD gegen sie äußern. Aber selbst Außenstehenden fällt auf: christliche Zionisten – nicht Hamas oder sonstige Islamisten - sind die einzige Gruppe, der die EKD-Schrift explizit Judenfeindschaft anlastet.

Weiterhin heißt es von ihnen, sie – wohlgemerkt die christlichen Zionisten, nicht die Islamisten - würden den israelisch-palästinensischen Konflikt verschärfen und sie stünden mit ihrer teilweisen Befürwortung von Umsiedlung arabischer Bevölkerung und eines Großisraels rechten Parteien Israels und dem rechtsnationalen Spektrum in Israel nahe, die keine Versöhnungspolitik betrieben und „kein“ Land an Araber zurückgeben wollten.

Das ist arabische Propaganda pur, zudem gegen die Mehrheit der Israelis gerichtet, die hinter ihrer derzeitigen Regierung steht.  Geradezu maßlos ist in dem Zusammenhang zudem die Aussage, die die EKD geschickterweise Palästinensern zuschreibt, dann jedoch selbst gern ausbreitet: dass der christliche Zionismus „neben dem Terrorismus…“ - man beachte die Gleichstellung - eine „große Gefährdung“ des Friedens zwischen Israel und den Palästinensern sei.

Bereits Anfang November hat der Jerusalemer Journalist Ulrich Sahm auf eine Reihe von Unstimmigkeiten in der EKD-Schrift aufmerksam gemacht, (im Internet leicht zugänglich.) Sachliche Fehler, Ungenauigkeit oder Unvollständigkeit sind nun an sich schon nicht wünschenwert, von größerer Bedeutung ist jedoch, dass diese Unstimmigkeiten, wie Sahm zeigt, durchweg zu Lasten Israels gehen.

Eines der erschreckendsten Beispiele ist vielleicht, dass auch die EKD einstimmt in die in unserer Öffentlichkeit ohnehin geradezu mantraartig wiederholte Klage, die Palästinenser – im Text geht es um   palästinensische Christen – würden an den israelischen Kontrollposten täglich gedemütigt, usw.. Kein einziges Wort hat die EKD hier bereit für die lebensrettende Bedeutung dieser Kontrollen, geschweige denn ein Wort zu der Situation des jüdischen Staats, dessen Alltag von Sicherheitsmaßnahmen belastet ist. Kein mitfühlendes Wort bringt die EKD dafür auf, dass Juden in ihrem eigenen Staat kein Einkaufszentrum, keinen Veranstaltungsort, keinen Busbahnhof betreten können, ohne sich einer Kontrolle zu unterziehen.

Die EKD verschleiert hier auch die Tatsache, dass der Weltkirchenrat gezielt Beobachter darauf ansetzt, Juden bei eventuellen Menschenrechtsverletzungen an den Checkpoints zu beobachten, und dass er diese Beobachter verpflichtet, israelische Vergehen in ihren christlichen Heimatgemeinden auszubreiten. Statt dessen berichtet die EKD-Schrift nur allgemein von einem Menschenrechtsschutz-Programm, so als hätten diese Beobachter die Aufgabe, auch auf arabischer Seite Menschrechtsverletzungen aufzuspüren und darüber Aufklärungsarbeit zu leisten.

Wenn es einem hoffnungsvollen Leser schon schwer fällt, aus dem Text Orientierung zu gewinnen, so hat er insgesamt ein noch größeres Problem, die angekündigte „Neubestimmung“ zu entdecken. Worin sollte sie bestehen? Was gewinnt er an neuen Einsichten über sich und seine Tradition, die seine Beziehung zum Land und Staat Israel verbessern würden?

Dass auch die Diskussion um Israel nichts gewinnt durch diese Schrift, geschweige denn Israel selbst, ist offenkundig. Zu wenig trägt sie dazu bei, dass die schlichte Normalität und Berechtigung von Israels Interessen erkannt und die Gefährdung des jüdischen Staats wahrgenommen werden. Zu wenig werden auch die Anmaßungen unserer Israelkritik in die Schranken gewiesen.

Siehe.
http://www.ekd.de/presse/pm201_2012_gelobtes_land.html

Birgit Barrows, geb. 1943 in Neustift/Tirol, Studium der Philosophie, Germanistik und Pädagogik, Lehr- u. Schulleitungstätigkeit in der Erzieherausbildung.

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