Ulli Kulke / 02.12.2012 / 15:57 / 0 / Seite ausdrucken

Wie sich Herr Rahmstorf den Journalismus wünscht

Viel wurde in den letzten Jahren diskutiert über das Verhältnis von Wissenschaft, Politik und Journalismus beim Thema Klimawandel und Klimapolitik. Einige Forscher beschränken sich strikt auf ihr Gebiet und betrachten sich weder als Hilfspolitiker noch als Richter über gute oder schlechte Medien-Beiträge. Andere tun sich da schwerer. Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung zum Beispiel, als Lead Author des Weltklimaberichtes einer der bekannteren Köpfe in der Szene. Gern wurde er immer wieder bei Chefredaktionen vorstellig, schwärzte kritische Journalisten an, untergrub dabei das Vertrauen in freie Autoren ohne Fehl und Tadel, fiel dabei allerdings auch vor Gericht schon mal auf die Nase.

Jetzt hat er sich wieder Luft verschafft in einem Beitrag, „Is Journalism failing on climate?“, erschienen in den Environmental Research Letters, in dem es dieses Mal allerdings hauptsächlich um Medien aus den USA und Großbritannien geht. Eine Umfrage in den USA beschäftigt ihn dabei ganz besonders, bei der die Menschen gefragt wurden, wie hoch der Anteil der Klimaforscher ist, die davon ausgehen, dass die globale Erwärmung stattfindet. Die richtige Antwort lautete seiner Ansicht nach 95%, was aber nur jeder siebte US-Amerikaner korrekt beantworten konnte. Die größte Gruppe der Befragten (24%) tippte auf eine große Unsicherheit unter den Forschern, antworteten, dass ihrer Ansicht nach grob die Hälfte der Wissenschaftler von einer Erwärmung ausginge, die andere Hälfte nicht.

Die Schuldigen an dieser – seiner Ansicht nach ­- mangelhaften Kenntnis hat Rahmstorf schnell ausgemacht, führt ausführlich Klage gegen sie: Zeitungen und Rundfunkstationen, die völlig zu Unrecht die restlichen fünf Prozent, die die globale Erwärmung in Frage stellen („Skeptiker vom Typ 1“, wie er sie nennt), überhaupt zu Wort kommen lassen, ihnen redaktionellen Raum zubilligen. Und er schildert, wie er bei den Journalisten vorstellig wurde - wie wir ihn eben kennen – und natürlich nur dumme Antworten bekam, aus seiner Sicht: Sie hatten die Gegenseite anhören wollen, sagten die doch, sowas.

Das aber sei bei den Typ-1-Skeptikern eben unzulässig, die alles nur abstreiten würden, was schließlich endgültig bewiesen sei. Und dass die sich überhaupt zu Wort melden, könne nur mit Lobbyismus erklärt werden, mit Geld, mit wirtschaftlichen Interessen. Mit Vernunft ja nicht. Aha, da sind sie also ertappt, denn wärmer geworden ist es schließlich, und wer dies abstreitet, der redet auch noch von der Erde als Scheibe. Also ist Rahmstorf wieder in seinem Element: Schwarz gegen weiß, richtig gegen falsch ­– und, ja auch das, denn darauf kommt es ihm an: erlaubt im Journalismus gegen nicht erlaubt. Und sind wir uns darüber erst einmal einig, dass da manches nicht erlaubt sein soll, so könnte dies ja auch schnell auf die anderen Typen von „Skeptikern“ (“Typ 2b” vielleicht?) übertragen werden, die zwar eine Erwärmung nicht abstreiten, aber das (doch aus seiner Sicht genauso erwiesene) Menschengemachte daran, oder die (dito) immer verheerenderen Folgen.

Es ist heute gewiss wärmer als in den 50er oder 60er Jahren. Doch es ist eben auch bei der grundsätzlichen Frage „Erwärmung ja oder nein?“ nicht so einfach. Ein wenig aufgefächert geht es dabei auch darum: Findet sie in diesen Jahren auch statt, seit wann nicht mehr, womöglich seit 15 Jahren, und ab welchem Zeitraum wäre diese Frage relevant (statthaft?), und wie war die Entwicklung früher? Auch beim Meeresspiegelanstieg, den Rahmstorf in seinem Aufsatz in den Bereich der unumstößlichen und nicht zu hinterfragenden Wahrheiten aufnimmt, geht es ja gerade um die differenzierte Sicht, auch darum, ob er sich abschwächt oder er sich beschleunigt. Dass über solche Fragen auch unter denjenigen Forschern, die nach außen hin felsenfest von einer permanenten Beschleunigung all dieser Faktoren ausgehen, lebhaft diskutiert wird, hat die Affäre um die gehackten Emails (“Climategate”) deutlich gemacht.

Rahmstorfs Aufsatz fügt sich von der Anlage her in das Ansinnen, die Teilnehmer am Klimadiskurs in zwei gut voneinander getrennte Kästchen zu stecken. Hier die Lobbyisten, da die Wächter der Wahrheit. Ein wenig erinnert es schon an die Chefideologen des wissenschaftlichen Marxismus. Auch da standen auf der anderen Seite lediglich wirtschaftliche Interessengruppen und ihre Büttel in den Redaktionsstuben.

Natürlich gibt und gab es stets Lobbygruppen, auch von ihnen gekaufte Journalisten, keine Frage. Es gab aber auch viele, die den wissenschaftlichen Sozialismus aus lauteren Interessen in Frage stellten, und die waren schließlich die entscheidenden Kritiker. Es sind eben nicht alle Journalisten bereit, der Einbahnstraße in der Klimadebatte zu folgen, die da heißt: Immer wärmer, immer schlimmer, immer unumkehrbarer. Die Datenlage ist nicht halt so eindeutig und erst recht nicht einfach, wie diejenigen Forscher am besten wissen, die die Rohdaten etwa der Temperatur oder des Meeresspiegels ständig aufbereiten, kalibrieren, fokussieren müssen. Manche von ihnen, auch dies hat Climategate gezeigt, würden die Daten gern als Herrschaftswissen für sich behalten. Damit die unzuverlässigen Journalisten nicht dazwischenfunken.

Wenn Rahmstorf in seinem Schlusswort den ganzen Aufsatz quasi den „vielen Wissenschaftsjournalisten“ widmet, „die Tag für Tag unter den schwierigsten Bedingungen hart arbeiten in ihrem Bemühen um Qualität“, so wird es wirklich peinlich. Die Journalisten gibt es tatsächlich, und zwar nicht wenige. Aber die härteste Arbeit hat immer noch derjenige, der kritisch an ein Thema herangeht, und nicht einfach alles nachbetet, was nur aufgeregt genug daher kommt und mit dem lauten Anspruch auf unwiderlegbare Wahrheit.

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